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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Der Regen,

die Nordgrenze des Passates bis ins Innere der Sahara, und Italien, Spanien,
Algier und Syrien erhalten ihre Winterregen. Wenn wir also erfahrungsmäßig
im Juli und August unsere Negcnperiodc haben, so können wir uns damit trösten,
daß die gleiche Erscheinung rings um die Erde herum stattfindet, wo nicht aus¬
gedehnte Kontinente und hohe Randgebirge den Regen abfangen.

Untersuchen wir die eben beschriebenen Vorgänge mit dem Barometer in
der Hand, den wir für einen Luftschwercmesser und für nichts andres, am aller¬
wenigsten sür ein Wetterglas anzusehen haben, so finden wir unsre Theorie
vollauf bestätigt. Unter dem Äquator in dem Gebiete aufsteigender Luft herrscht
tiefer Barometerstand; diesen gelockerten, aufsteigenden, leichter gewordenen Zu¬
stand der Luft, nicht den zugleich fallenden Regen, zeigt das Barometer an. Bis
zum 30. Grade nimmt der Luftdruck, wie es das Barometer anzeigt, zu, bis
er zwischen dem 30. und 40. Grade sein Maximum erreicht. Dies ist der Gürtel
der kumulirten, niedersteigenden Luftmasse.

Von dieser Grenze an verliert die Witterungserscheinnng ihren regelmäßigen
Charakter. In deu höheren Luftschichten findet auch nördlich vom 40. Grade
eine konstante südwestliche Strömung statt; auch Stauungen treten ein, da ja
der Raum sich fortgesetzt einengt, je weiter die Strömung nach Norden gelaugt.
Aber diese Maxima des Luftdruckes kommen und gehen und sind in ihrem Auf¬
treten offenbar abhängig von dem jetzt übermächtigen Einflusse der Temperatur-
unterschiede von Wasser und Land. In Asien durchbricht, wie ich im ersten
Aufsätze zeigte, dies Verhältnis den vorhin geschilderte" Zug der Passate
vollständig. Vom April bis zum September weht im Indischen Ozean ein Süd¬
westwind auf den stark erwärmten Kontinent zu, vom Oktober bis zum März
weht Nordostwind von dem Kontinente auf den wärmer gebliebenen Ozean zu.
Auch an den Küsten von Afrika und Südamerika macht sich neben dem Passat
der Monsnmwind geltend, und zwar an einzelnen Küsten nicht allein in jährlichen,
sondern auch in täglichen Perioden. Nachts weht Landwind, Tags Seewind.
Zur Zeit des Windwechsels treten mit großer Regelmäßigkeit Gewitter ans, man
pflegt dort -- ich denke an einige Küstenstädte Brasiliens -- einzuladen "zu
einer Tasse Chokolade vor dein Gewitter" oder "zu einem Spaziergang nach
dem Gewitter," und kann annehmen, daß das Gewitter vielleicht pünktlicher ist
als der Gast.

An der Grenze dieser Monsumgebiete im Australische", Chinesischen und
Westindischen Meere finden wir den Schauplatz der schwersten Orkane, die wir
als Prallwinde bezeichnen können. Denn es ist ihnen eigentümlich, daß sie zur
Zeit des Monsumwechsels eintreten, also zu einer Zeit und in einem Gebiete,
wo große, in ihrem Flusse abgelenkte Luftmeere anfeinanderpressen. Was will
die gepreßte Luft anfangen? Sie fliegt, indem sie gewaltige Regenmassen stürzen
läßt, in wirbelnder Wut nach oben und fließt in den obern Regionen dahin
ab, wo sie Raum findet.


Der Regen,

die Nordgrenze des Passates bis ins Innere der Sahara, und Italien, Spanien,
Algier und Syrien erhalten ihre Winterregen. Wenn wir also erfahrungsmäßig
im Juli und August unsere Negcnperiodc haben, so können wir uns damit trösten,
daß die gleiche Erscheinung rings um die Erde herum stattfindet, wo nicht aus¬
gedehnte Kontinente und hohe Randgebirge den Regen abfangen.

Untersuchen wir die eben beschriebenen Vorgänge mit dem Barometer in
der Hand, den wir für einen Luftschwercmesser und für nichts andres, am aller¬
wenigsten sür ein Wetterglas anzusehen haben, so finden wir unsre Theorie
vollauf bestätigt. Unter dem Äquator in dem Gebiete aufsteigender Luft herrscht
tiefer Barometerstand; diesen gelockerten, aufsteigenden, leichter gewordenen Zu¬
stand der Luft, nicht den zugleich fallenden Regen, zeigt das Barometer an. Bis
zum 30. Grade nimmt der Luftdruck, wie es das Barometer anzeigt, zu, bis
er zwischen dem 30. und 40. Grade sein Maximum erreicht. Dies ist der Gürtel
der kumulirten, niedersteigenden Luftmasse.

Von dieser Grenze an verliert die Witterungserscheinnng ihren regelmäßigen
Charakter. In deu höheren Luftschichten findet auch nördlich vom 40. Grade
eine konstante südwestliche Strömung statt; auch Stauungen treten ein, da ja
der Raum sich fortgesetzt einengt, je weiter die Strömung nach Norden gelaugt.
Aber diese Maxima des Luftdruckes kommen und gehen und sind in ihrem Auf¬
treten offenbar abhängig von dem jetzt übermächtigen Einflusse der Temperatur-
unterschiede von Wasser und Land. In Asien durchbricht, wie ich im ersten
Aufsätze zeigte, dies Verhältnis den vorhin geschilderte» Zug der Passate
vollständig. Vom April bis zum September weht im Indischen Ozean ein Süd¬
westwind auf den stark erwärmten Kontinent zu, vom Oktober bis zum März
weht Nordostwind von dem Kontinente auf den wärmer gebliebenen Ozean zu.
Auch an den Küsten von Afrika und Südamerika macht sich neben dem Passat
der Monsnmwind geltend, und zwar an einzelnen Küsten nicht allein in jährlichen,
sondern auch in täglichen Perioden. Nachts weht Landwind, Tags Seewind.
Zur Zeit des Windwechsels treten mit großer Regelmäßigkeit Gewitter ans, man
pflegt dort — ich denke an einige Küstenstädte Brasiliens — einzuladen „zu
einer Tasse Chokolade vor dein Gewitter" oder „zu einem Spaziergang nach
dem Gewitter," und kann annehmen, daß das Gewitter vielleicht pünktlicher ist
als der Gast.

An der Grenze dieser Monsumgebiete im Australische», Chinesischen und
Westindischen Meere finden wir den Schauplatz der schwersten Orkane, die wir
als Prallwinde bezeichnen können. Denn es ist ihnen eigentümlich, daß sie zur
Zeit des Monsumwechsels eintreten, also zu einer Zeit und in einem Gebiete,
wo große, in ihrem Flusse abgelenkte Luftmeere anfeinanderpressen. Was will
die gepreßte Luft anfangen? Sie fliegt, indem sie gewaltige Regenmassen stürzen
läßt, in wirbelnder Wut nach oben und fließt in den obern Regionen dahin
ab, wo sie Raum findet.


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[0362] Der Regen, die Nordgrenze des Passates bis ins Innere der Sahara, und Italien, Spanien, Algier und Syrien erhalten ihre Winterregen. Wenn wir also erfahrungsmäßig im Juli und August unsere Negcnperiodc haben, so können wir uns damit trösten, daß die gleiche Erscheinung rings um die Erde herum stattfindet, wo nicht aus¬ gedehnte Kontinente und hohe Randgebirge den Regen abfangen. Untersuchen wir die eben beschriebenen Vorgänge mit dem Barometer in der Hand, den wir für einen Luftschwercmesser und für nichts andres, am aller¬ wenigsten sür ein Wetterglas anzusehen haben, so finden wir unsre Theorie vollauf bestätigt. Unter dem Äquator in dem Gebiete aufsteigender Luft herrscht tiefer Barometerstand; diesen gelockerten, aufsteigenden, leichter gewordenen Zu¬ stand der Luft, nicht den zugleich fallenden Regen, zeigt das Barometer an. Bis zum 30. Grade nimmt der Luftdruck, wie es das Barometer anzeigt, zu, bis er zwischen dem 30. und 40. Grade sein Maximum erreicht. Dies ist der Gürtel der kumulirten, niedersteigenden Luftmasse. Von dieser Grenze an verliert die Witterungserscheinnng ihren regelmäßigen Charakter. In deu höheren Luftschichten findet auch nördlich vom 40. Grade eine konstante südwestliche Strömung statt; auch Stauungen treten ein, da ja der Raum sich fortgesetzt einengt, je weiter die Strömung nach Norden gelaugt. Aber diese Maxima des Luftdruckes kommen und gehen und sind in ihrem Auf¬ treten offenbar abhängig von dem jetzt übermächtigen Einflusse der Temperatur- unterschiede von Wasser und Land. In Asien durchbricht, wie ich im ersten Aufsätze zeigte, dies Verhältnis den vorhin geschilderte» Zug der Passate vollständig. Vom April bis zum September weht im Indischen Ozean ein Süd¬ westwind auf den stark erwärmten Kontinent zu, vom Oktober bis zum März weht Nordostwind von dem Kontinente auf den wärmer gebliebenen Ozean zu. Auch an den Küsten von Afrika und Südamerika macht sich neben dem Passat der Monsnmwind geltend, und zwar an einzelnen Küsten nicht allein in jährlichen, sondern auch in täglichen Perioden. Nachts weht Landwind, Tags Seewind. Zur Zeit des Windwechsels treten mit großer Regelmäßigkeit Gewitter ans, man pflegt dort — ich denke an einige Küstenstädte Brasiliens — einzuladen „zu einer Tasse Chokolade vor dein Gewitter" oder „zu einem Spaziergang nach dem Gewitter," und kann annehmen, daß das Gewitter vielleicht pünktlicher ist als der Gast. An der Grenze dieser Monsumgebiete im Australische», Chinesischen und Westindischen Meere finden wir den Schauplatz der schwersten Orkane, die wir als Prallwinde bezeichnen können. Denn es ist ihnen eigentümlich, daß sie zur Zeit des Monsumwechsels eintreten, also zu einer Zeit und in einem Gebiete, wo große, in ihrem Flusse abgelenkte Luftmeere anfeinanderpressen. Was will die gepreßte Luft anfangen? Sie fliegt, indem sie gewaltige Regenmassen stürzen läßt, in wirbelnder Wut nach oben und fließt in den obern Regionen dahin ab, wo sie Raum findet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/362>, abgerufen am 23.07.2024.