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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Der Regen.

lauf zu erneuern. Deutlicher läßt sich der Vorgang im Winter an einem ge¬
heizten Zimmer erkennen, wenn es ein wenig "raucht." Die Luft steigt vom
Ofen an die Decke, wandert unter derselben bis zum Fenster, sinkt dort nieder
und kehrt am Boden sich ausbreitend zum Ofen zurück.

Was sich hier im kleinen beobachte" läßt, geschieht nun auch im großen
überall da, wo die gleichen Voraussetzungen vorhanden sind. Über einem stark
erwärmten Lande oder Erdteile steigt die Luft in kräftigem Strome aufwärts
und zieht die benachbarten Regionen in das aufgelockerte Gebiet hinein, während
sie selbst sich abkühlend an andrer Stelle wieder niedersteigt. Da nun die Luft
sich in der Gegend des Äquators am lebhaftesten erwärmt, so findet die eben
beschriebene Erscheinung im Äquatorialgürtel um die ganze Erde herum statt.
Ich bitte einen Atlas aufzuschlagen, in welchem die Luft- (und Meeres-) Strö¬
mungen eingezeichnet sind. Eine solche Karte zeigt nördlich vom Äquator einen
Gürtel, welcher die Inschrift: Region der Calmen (Windstillen) trägt. Das ist
diejenige, je nach der Jahreszeit nördlicher oder südlicher rückende Zone, in
der die stark erwärmte Luft aufsteigt. Nur wagerechte Luftströme werden als
Wind empfunden, die aufsteigende Luft ist still. Nördlich und südlich reihen sich
die Regionen der Passate an, jener Luftströme, welche nördlich und südlich herau¬
sließen, "in den leerer gewordenen Raum der Calmen wieder auszufüllen, erwärmt
zu werden, aufzusteigen und sich dem Kreislaufe anzuschließen. Hier haben wir
also einen oder vielmehr zwei völlig geschlossene Kreise. Die Richtung derselben
würde, wenn die Erde stille stünde, eine genau nordsüdliche sein. Da sich die
Erde jedoch von Westen nach Osten dreht und die auf ihr befindlichen Gegenstände,
anch die Luft, diesen Weg mitmachen, so kommt die von Norden nach Süden strö¬
mende Luft aus Gegenden von langsamerer in solche von schnellerer Bewegung,
bleibt also zurück und wandelt dadurch ihre im Grunde nördliche Richtung
in eine solche, die als Nordost empfunden wird. Dasselbe gilt in seiner Weise
auch von der südlichen Halbkugel, die ich im folgenden außer Acht lassen will.

Aber auch die Kugelgestalt der Erde trägt zu diesem Kreislaufe bei. Wäre
die Erde ein Zylinder, so könnte die obere Luftschicht trotz ihrer Abkühlung bis
zu deu Polen fließen, ohne zum Niedersteigen gezwungen zu werden. Da aber
die Erde eine Kugelgestalt hat, so werden die nach Norden fließenden Ströme in
ihrem Laufe begrenzt, stauen sich und bilden gleichsam einen Luftberg, der über
der Atmosphäre lastet, nach unter drängt und nördlich und südlich an der Erd¬
oberfläche auseinanderfließt, südlich als der schon erwähnte regenlose Nordostpassat,
nördlich als ein außertropischer Regenwiud. Dieser Vorgang findet etwa bei 30 Grad
Breite statt, so jedoch, daß sämtliche Zonen mit der Sonne nördlich und südlich
wandern. Das Klima von Südeuropa hängt von diesen Vorgängen ab. Spanien,
sowie die Küstenländer des mittelländischen Meeres befinden sich im Sommer
im Bereiche des regenlosen Nordostpassates, während wir vorübergehend die
Niederschläge der subtropischen Regenzone zu kosten bekommen; im Winter rückt


Gmizbvtm I. 1883. 4ü
Der Regen.

lauf zu erneuern. Deutlicher läßt sich der Vorgang im Winter an einem ge¬
heizten Zimmer erkennen, wenn es ein wenig „raucht." Die Luft steigt vom
Ofen an die Decke, wandert unter derselben bis zum Fenster, sinkt dort nieder
und kehrt am Boden sich ausbreitend zum Ofen zurück.

Was sich hier im kleinen beobachte» läßt, geschieht nun auch im großen
überall da, wo die gleichen Voraussetzungen vorhanden sind. Über einem stark
erwärmten Lande oder Erdteile steigt die Luft in kräftigem Strome aufwärts
und zieht die benachbarten Regionen in das aufgelockerte Gebiet hinein, während
sie selbst sich abkühlend an andrer Stelle wieder niedersteigt. Da nun die Luft
sich in der Gegend des Äquators am lebhaftesten erwärmt, so findet die eben
beschriebene Erscheinung im Äquatorialgürtel um die ganze Erde herum statt.
Ich bitte einen Atlas aufzuschlagen, in welchem die Luft- (und Meeres-) Strö¬
mungen eingezeichnet sind. Eine solche Karte zeigt nördlich vom Äquator einen
Gürtel, welcher die Inschrift: Region der Calmen (Windstillen) trägt. Das ist
diejenige, je nach der Jahreszeit nördlicher oder südlicher rückende Zone, in
der die stark erwärmte Luft aufsteigt. Nur wagerechte Luftströme werden als
Wind empfunden, die aufsteigende Luft ist still. Nördlich und südlich reihen sich
die Regionen der Passate an, jener Luftströme, welche nördlich und südlich herau¬
sließen, »in den leerer gewordenen Raum der Calmen wieder auszufüllen, erwärmt
zu werden, aufzusteigen und sich dem Kreislaufe anzuschließen. Hier haben wir
also einen oder vielmehr zwei völlig geschlossene Kreise. Die Richtung derselben
würde, wenn die Erde stille stünde, eine genau nordsüdliche sein. Da sich die
Erde jedoch von Westen nach Osten dreht und die auf ihr befindlichen Gegenstände,
anch die Luft, diesen Weg mitmachen, so kommt die von Norden nach Süden strö¬
mende Luft aus Gegenden von langsamerer in solche von schnellerer Bewegung,
bleibt also zurück und wandelt dadurch ihre im Grunde nördliche Richtung
in eine solche, die als Nordost empfunden wird. Dasselbe gilt in seiner Weise
auch von der südlichen Halbkugel, die ich im folgenden außer Acht lassen will.

Aber auch die Kugelgestalt der Erde trägt zu diesem Kreislaufe bei. Wäre
die Erde ein Zylinder, so könnte die obere Luftschicht trotz ihrer Abkühlung bis
zu deu Polen fließen, ohne zum Niedersteigen gezwungen zu werden. Da aber
die Erde eine Kugelgestalt hat, so werden die nach Norden fließenden Ströme in
ihrem Laufe begrenzt, stauen sich und bilden gleichsam einen Luftberg, der über
der Atmosphäre lastet, nach unter drängt und nördlich und südlich an der Erd¬
oberfläche auseinanderfließt, südlich als der schon erwähnte regenlose Nordostpassat,
nördlich als ein außertropischer Regenwiud. Dieser Vorgang findet etwa bei 30 Grad
Breite statt, so jedoch, daß sämtliche Zonen mit der Sonne nördlich und südlich
wandern. Das Klima von Südeuropa hängt von diesen Vorgängen ab. Spanien,
sowie die Küstenländer des mittelländischen Meeres befinden sich im Sommer
im Bereiche des regenlosen Nordostpassates, während wir vorübergehend die
Niederschläge der subtropischen Regenzone zu kosten bekommen; im Winter rückt


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[0361] Der Regen. lauf zu erneuern. Deutlicher läßt sich der Vorgang im Winter an einem ge¬ heizten Zimmer erkennen, wenn es ein wenig „raucht." Die Luft steigt vom Ofen an die Decke, wandert unter derselben bis zum Fenster, sinkt dort nieder und kehrt am Boden sich ausbreitend zum Ofen zurück. Was sich hier im kleinen beobachte» läßt, geschieht nun auch im großen überall da, wo die gleichen Voraussetzungen vorhanden sind. Über einem stark erwärmten Lande oder Erdteile steigt die Luft in kräftigem Strome aufwärts und zieht die benachbarten Regionen in das aufgelockerte Gebiet hinein, während sie selbst sich abkühlend an andrer Stelle wieder niedersteigt. Da nun die Luft sich in der Gegend des Äquators am lebhaftesten erwärmt, so findet die eben beschriebene Erscheinung im Äquatorialgürtel um die ganze Erde herum statt. Ich bitte einen Atlas aufzuschlagen, in welchem die Luft- (und Meeres-) Strö¬ mungen eingezeichnet sind. Eine solche Karte zeigt nördlich vom Äquator einen Gürtel, welcher die Inschrift: Region der Calmen (Windstillen) trägt. Das ist diejenige, je nach der Jahreszeit nördlicher oder südlicher rückende Zone, in der die stark erwärmte Luft aufsteigt. Nur wagerechte Luftströme werden als Wind empfunden, die aufsteigende Luft ist still. Nördlich und südlich reihen sich die Regionen der Passate an, jener Luftströme, welche nördlich und südlich herau¬ sließen, »in den leerer gewordenen Raum der Calmen wieder auszufüllen, erwärmt zu werden, aufzusteigen und sich dem Kreislaufe anzuschließen. Hier haben wir also einen oder vielmehr zwei völlig geschlossene Kreise. Die Richtung derselben würde, wenn die Erde stille stünde, eine genau nordsüdliche sein. Da sich die Erde jedoch von Westen nach Osten dreht und die auf ihr befindlichen Gegenstände, anch die Luft, diesen Weg mitmachen, so kommt die von Norden nach Süden strö¬ mende Luft aus Gegenden von langsamerer in solche von schnellerer Bewegung, bleibt also zurück und wandelt dadurch ihre im Grunde nördliche Richtung in eine solche, die als Nordost empfunden wird. Dasselbe gilt in seiner Weise auch von der südlichen Halbkugel, die ich im folgenden außer Acht lassen will. Aber auch die Kugelgestalt der Erde trägt zu diesem Kreislaufe bei. Wäre die Erde ein Zylinder, so könnte die obere Luftschicht trotz ihrer Abkühlung bis zu deu Polen fließen, ohne zum Niedersteigen gezwungen zu werden. Da aber die Erde eine Kugelgestalt hat, so werden die nach Norden fließenden Ströme in ihrem Laufe begrenzt, stauen sich und bilden gleichsam einen Luftberg, der über der Atmosphäre lastet, nach unter drängt und nördlich und südlich an der Erd¬ oberfläche auseinanderfließt, südlich als der schon erwähnte regenlose Nordostpassat, nördlich als ein außertropischer Regenwiud. Dieser Vorgang findet etwa bei 30 Grad Breite statt, so jedoch, daß sämtliche Zonen mit der Sonne nördlich und südlich wandern. Das Klima von Südeuropa hängt von diesen Vorgängen ab. Spanien, sowie die Küstenländer des mittelländischen Meeres befinden sich im Sommer im Bereiche des regenlosen Nordostpassates, während wir vorübergehend die Niederschläge der subtropischen Regenzone zu kosten bekommen; im Winter rückt Gmizbvtm I. 1883. 4ü

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/361>, abgerufen am 23.07.2024.