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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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langes Ersparen des ganzen Militärbudgets nicht ausreichen, die Verluste auch
nur einigermaßen zu decken. Der Staat kann nicht vom Sparen, er muß vom
Verdienen leben, und das kann nur durch den Schlitz der nationalen Arbeit ge¬
schehen.

Da haben wir aber die ewigen Kämpfe, Auf der einen Seite fragt man:
Wo kann gespart werden? auf der andern Seite: Wo sollen die Steuern her¬
kommen? Der bekannte Refrain der Wahlreden heißt schon: Ich werde gegen
jede Erhöhung der Steuern und für Verminderung des Heeres stimmen. Nun,
damit kann man aber hente selbst dem Bauer nicht mehr imponiren, denn er
weiß nur zu gut, was zur Erhaltung des Staatshaushaltes gehört, und daß
Steuer" bezahlt werden müssen; er weiß aber ebensogut, daß, wenn er selbst
zehn Prozent Steuern weniger als bisher zu zahlen brauchte -- und das wäre
ja schon eine ganz unerhörte, faktisch garnicht ausführbare Ersparnis --, ihm
damit nicht gedient wäre, sondern daß ihn der Schuh wo ganz anders drückt.
Der Bauer von heute weiß, daß er einesteils für seine Produkte zu wenig
zahlungsfähige Konsumenten hat, und daß andernteils noch überdies seine Pro¬
dukte, Getreide und Fleisch, vom Auslande eingeführt werden, sodaß er dieselben
unter den Erzeuguugskosteu verkaufen muß. Das ändert ihm keine noch
so große Steuerersparnis, sondern nur ein Schutzzoll, der nur dann in
Wegfall zu kommen hätte, wenn der Preis seiner Produkte eine gewisse Höhe über¬
steigt. Der Bauer weiß mir zu gut, daß fechtende Handwerksburschen keine Kon¬
sumenten seiner Erzeugnisse siud, und daß nur der Arbeiter, der lohnende Arbeit
hat, Fleisch und Weizen kauft und kaufen kann. In der That, wenn ein Bauer,
der heute 100 Mark Steuern zu zahlen hat, auf einmal nur 50 Mark zu zahlen
hätte, nein, wenn er gar keine mehr zu zahlen hätte, wäre denn dem geholfen?
Mit nichte", weil ihm nicht die 100 Mark fehlen, sondern- es fehlen ihm 400
oder 500, die er für seiue Produkte mehr erhalten müßte, wen" seine mühselige
Arbeit belohnt werden soll, die er aber mir dann mehr einnehmen könnte, wenn
die Zahl der Konsumenten stiege und wenn er gegen die Einfuhr ausländischer
Produkte wenigstens soweit geschützt wäre, daß er nicht mit offenbarem Verlust
verkaufen müßte. Wenn aber derselbe Bauer durch den Schutz der nationalen
Arbeit 500 Mark mehr einnimmt, dann zahlt er auch recht gern mehr Steuern.
Auch er kaun nicht vom Sparen, sondern nnr vom Verdienen leben.

So, rufen da die Gegner der Schutzzölle, also die Lebensmittel sollen dem
armen Manne verteuert werden? Ja, die Lebensmittel sollen verteuert werden,
denn das ist ein Glück für die Nation, aber sie werden deswegen nicht dem
armen Manne verteuert. Denn der arme Mann ist derjenige, der nicht arbeiten
kann, und dessen Lebensmittel werden nicht so verteuert, daß er es irgend
empfände, Wohl aber wird der arme Mann weit besser gestellt sein, wenn er
unter einer reichen Nation lebt, als unter einer, die, wie Deutschland, immer
mehr der Verarmung entgegengeht.


langes Ersparen des ganzen Militärbudgets nicht ausreichen, die Verluste auch
nur einigermaßen zu decken. Der Staat kann nicht vom Sparen, er muß vom
Verdienen leben, und das kann nur durch den Schlitz der nationalen Arbeit ge¬
schehen.

Da haben wir aber die ewigen Kämpfe, Auf der einen Seite fragt man:
Wo kann gespart werden? auf der andern Seite: Wo sollen die Steuern her¬
kommen? Der bekannte Refrain der Wahlreden heißt schon: Ich werde gegen
jede Erhöhung der Steuern und für Verminderung des Heeres stimmen. Nun,
damit kann man aber hente selbst dem Bauer nicht mehr imponiren, denn er
weiß nur zu gut, was zur Erhaltung des Staatshaushaltes gehört, und daß
Steuer» bezahlt werden müssen; er weiß aber ebensogut, daß, wenn er selbst
zehn Prozent Steuern weniger als bisher zu zahlen brauchte — und das wäre
ja schon eine ganz unerhörte, faktisch garnicht ausführbare Ersparnis —, ihm
damit nicht gedient wäre, sondern daß ihn der Schuh wo ganz anders drückt.
Der Bauer von heute weiß, daß er einesteils für seine Produkte zu wenig
zahlungsfähige Konsumenten hat, und daß andernteils noch überdies seine Pro¬
dukte, Getreide und Fleisch, vom Auslande eingeführt werden, sodaß er dieselben
unter den Erzeuguugskosteu verkaufen muß. Das ändert ihm keine noch
so große Steuerersparnis, sondern nur ein Schutzzoll, der nur dann in
Wegfall zu kommen hätte, wenn der Preis seiner Produkte eine gewisse Höhe über¬
steigt. Der Bauer weiß mir zu gut, daß fechtende Handwerksburschen keine Kon¬
sumenten seiner Erzeugnisse siud, und daß nur der Arbeiter, der lohnende Arbeit
hat, Fleisch und Weizen kauft und kaufen kann. In der That, wenn ein Bauer,
der heute 100 Mark Steuern zu zahlen hat, auf einmal nur 50 Mark zu zahlen
hätte, nein, wenn er gar keine mehr zu zahlen hätte, wäre denn dem geholfen?
Mit nichte», weil ihm nicht die 100 Mark fehlen, sondern- es fehlen ihm 400
oder 500, die er für seiue Produkte mehr erhalten müßte, wen» seine mühselige
Arbeit belohnt werden soll, die er aber mir dann mehr einnehmen könnte, wenn
die Zahl der Konsumenten stiege und wenn er gegen die Einfuhr ausländischer
Produkte wenigstens soweit geschützt wäre, daß er nicht mit offenbarem Verlust
verkaufen müßte. Wenn aber derselbe Bauer durch den Schutz der nationalen
Arbeit 500 Mark mehr einnimmt, dann zahlt er auch recht gern mehr Steuern.
Auch er kaun nicht vom Sparen, sondern nnr vom Verdienen leben.

So, rufen da die Gegner der Schutzzölle, also die Lebensmittel sollen dem
armen Manne verteuert werden? Ja, die Lebensmittel sollen verteuert werden,
denn das ist ein Glück für die Nation, aber sie werden deswegen nicht dem
armen Manne verteuert. Denn der arme Mann ist derjenige, der nicht arbeiten
kann, und dessen Lebensmittel werden nicht so verteuert, daß er es irgend
empfände, Wohl aber wird der arme Mann weit besser gestellt sein, wenn er
unter einer reichen Nation lebt, als unter einer, die, wie Deutschland, immer
mehr der Verarmung entgegengeht.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/354>, abgerufen am 23.07.2024.