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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Schutz der nationalen Arbeit,

hat heute 40 Millionen Spindeln! Selbst wenn der Besitzer einer Fabrik durch
Mißwirtschaft oder Unglück zu Grunde geht, besteht doch die segenbringende
Wirkung des Schutzzolles fort, insofern er die Fabrik ins Leben gerufen hat.
Denn eine solche Fabrik kommt so lange billiger in andre Hände, bis sie pro-
sperirt, aber sie geht fort und beschäftigt die Arbeiter, und für sie, für die
große Masse der Menschen, ist der Schutzzoll ein Segen, nicht sür ein¬
zelne.

Hüten wir uns, daß die kleine Industrie, die uns nicht etwa ein wohlberech¬
netes Wirtschaftssystem, sondern der Zufall, der amerikanische Krieg, geschaffen,
nicht wieder untergehe, und auch noch die Arbeiter, die darin beschäftigt sind,
zum Feiern verdammt werden!

Daß dem Arbeiter geholfen werden muß, zu dieser Überzeugung ist man
wohl durchweg gelangt, und die Gesetzgebung hat sich bereits nach allen Rich¬
tungen damit beschäftigt, aber das ganze Streben macht den Eindruck, als solle
der Pelz zwar gewaschen, aber doch nicht naß gemacht werden, und erinnert
lebhaft an die Katze und den heißen Brei, Was man aber will, das muß man
auch ganz wollen, und es giebt uur ein Gesetz zu Gunsten der Arbeiter: es ist
dasjenige, welches sie gesucht macht, es ist das Gesetz zum Schutze der
nationalen Arbeit.

Wenn der Arbeiter guten Verdienst hat, so kauft er nicht nur Fleisch und
Weizen, sondern alle möglichen Lebensbedürfnisse, und das bewirkt wieder die
Prosperität der Landwirtschaft und aller Gewerbe und schließlich den Reichtum
der Nation und des Staates, in welchem man nicht mehr den Armen oder einen
von Unglück betroffenen Landstrich an die Mildthätigkeit der Menschen verweisen
möchte, sondern mit der Steuerkraft des Landes der Not und dem Elende steuert.

Ehemals haben wir an dem Aufbau des deutschen Reiches kräftig und freudig
mitgearbeitet und schließlich denen zugejubelt, die es fertig gebracht hatten. Heute,
anstatt das große Werk fortzusetzen, das deutsche Reich zu erhalten und zu kräftigen,
scheint es doch, als grollten wir, daß es nicht nach unserm Rezept zustande ge¬
kommen ist, und versagen womöglich alle Mittel zur Erhaltung desselben. Deutsch¬
lands geographische Lage ist aber derart, daß es nur mit großem Aufwande
erhalten werden kann. Und da kann es sich nicht darum handeln, überall zu
sparen und den Aufwand zu unterlassen, sondern es handelt sich darum,
Deutschland in die Lage zu versetzen, den notwendigen Aufwand machen zu
können. Ob ein General 10 000 oder 20 000 Mark Gehalt hat. ist gleich-
giltig, ob aber der General eine Schlacht gewinnt oder verliert, das ist nicht
gleichgiltig. Wenn das deutsche Heer von einem Kriege siegreich heimkehrt, dann
fragen wir nicht darnach, was es in Friedenszeiten gekostet hat, sondern wir
danken Gott, daß namenloses Elend von uns gewendet ist. Wenn aber die
Armee, was Gott verhüten wolle, geschlagen heimkehrt, dann würde jahrzehnte-


Mrenzbotcn I. 1883. 44
Schutz der nationalen Arbeit,

hat heute 40 Millionen Spindeln! Selbst wenn der Besitzer einer Fabrik durch
Mißwirtschaft oder Unglück zu Grunde geht, besteht doch die segenbringende
Wirkung des Schutzzolles fort, insofern er die Fabrik ins Leben gerufen hat.
Denn eine solche Fabrik kommt so lange billiger in andre Hände, bis sie pro-
sperirt, aber sie geht fort und beschäftigt die Arbeiter, und für sie, für die
große Masse der Menschen, ist der Schutzzoll ein Segen, nicht sür ein¬
zelne.

Hüten wir uns, daß die kleine Industrie, die uns nicht etwa ein wohlberech¬
netes Wirtschaftssystem, sondern der Zufall, der amerikanische Krieg, geschaffen,
nicht wieder untergehe, und auch noch die Arbeiter, die darin beschäftigt sind,
zum Feiern verdammt werden!

Daß dem Arbeiter geholfen werden muß, zu dieser Überzeugung ist man
wohl durchweg gelangt, und die Gesetzgebung hat sich bereits nach allen Rich¬
tungen damit beschäftigt, aber das ganze Streben macht den Eindruck, als solle
der Pelz zwar gewaschen, aber doch nicht naß gemacht werden, und erinnert
lebhaft an die Katze und den heißen Brei, Was man aber will, das muß man
auch ganz wollen, und es giebt uur ein Gesetz zu Gunsten der Arbeiter: es ist
dasjenige, welches sie gesucht macht, es ist das Gesetz zum Schutze der
nationalen Arbeit.

Wenn der Arbeiter guten Verdienst hat, so kauft er nicht nur Fleisch und
Weizen, sondern alle möglichen Lebensbedürfnisse, und das bewirkt wieder die
Prosperität der Landwirtschaft und aller Gewerbe und schließlich den Reichtum
der Nation und des Staates, in welchem man nicht mehr den Armen oder einen
von Unglück betroffenen Landstrich an die Mildthätigkeit der Menschen verweisen
möchte, sondern mit der Steuerkraft des Landes der Not und dem Elende steuert.

Ehemals haben wir an dem Aufbau des deutschen Reiches kräftig und freudig
mitgearbeitet und schließlich denen zugejubelt, die es fertig gebracht hatten. Heute,
anstatt das große Werk fortzusetzen, das deutsche Reich zu erhalten und zu kräftigen,
scheint es doch, als grollten wir, daß es nicht nach unserm Rezept zustande ge¬
kommen ist, und versagen womöglich alle Mittel zur Erhaltung desselben. Deutsch¬
lands geographische Lage ist aber derart, daß es nur mit großem Aufwande
erhalten werden kann. Und da kann es sich nicht darum handeln, überall zu
sparen und den Aufwand zu unterlassen, sondern es handelt sich darum,
Deutschland in die Lage zu versetzen, den notwendigen Aufwand machen zu
können. Ob ein General 10 000 oder 20 000 Mark Gehalt hat. ist gleich-
giltig, ob aber der General eine Schlacht gewinnt oder verliert, das ist nicht
gleichgiltig. Wenn das deutsche Heer von einem Kriege siegreich heimkehrt, dann
fragen wir nicht darnach, was es in Friedenszeiten gekostet hat, sondern wir
danken Gott, daß namenloses Elend von uns gewendet ist. Wenn aber die
Armee, was Gott verhüten wolle, geschlagen heimkehrt, dann würde jahrzehnte-


Mrenzbotcn I. 1883. 44
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[0353] Schutz der nationalen Arbeit, hat heute 40 Millionen Spindeln! Selbst wenn der Besitzer einer Fabrik durch Mißwirtschaft oder Unglück zu Grunde geht, besteht doch die segenbringende Wirkung des Schutzzolles fort, insofern er die Fabrik ins Leben gerufen hat. Denn eine solche Fabrik kommt so lange billiger in andre Hände, bis sie pro- sperirt, aber sie geht fort und beschäftigt die Arbeiter, und für sie, für die große Masse der Menschen, ist der Schutzzoll ein Segen, nicht sür ein¬ zelne. Hüten wir uns, daß die kleine Industrie, die uns nicht etwa ein wohlberech¬ netes Wirtschaftssystem, sondern der Zufall, der amerikanische Krieg, geschaffen, nicht wieder untergehe, und auch noch die Arbeiter, die darin beschäftigt sind, zum Feiern verdammt werden! Daß dem Arbeiter geholfen werden muß, zu dieser Überzeugung ist man wohl durchweg gelangt, und die Gesetzgebung hat sich bereits nach allen Rich¬ tungen damit beschäftigt, aber das ganze Streben macht den Eindruck, als solle der Pelz zwar gewaschen, aber doch nicht naß gemacht werden, und erinnert lebhaft an die Katze und den heißen Brei, Was man aber will, das muß man auch ganz wollen, und es giebt uur ein Gesetz zu Gunsten der Arbeiter: es ist dasjenige, welches sie gesucht macht, es ist das Gesetz zum Schutze der nationalen Arbeit. Wenn der Arbeiter guten Verdienst hat, so kauft er nicht nur Fleisch und Weizen, sondern alle möglichen Lebensbedürfnisse, und das bewirkt wieder die Prosperität der Landwirtschaft und aller Gewerbe und schließlich den Reichtum der Nation und des Staates, in welchem man nicht mehr den Armen oder einen von Unglück betroffenen Landstrich an die Mildthätigkeit der Menschen verweisen möchte, sondern mit der Steuerkraft des Landes der Not und dem Elende steuert. Ehemals haben wir an dem Aufbau des deutschen Reiches kräftig und freudig mitgearbeitet und schließlich denen zugejubelt, die es fertig gebracht hatten. Heute, anstatt das große Werk fortzusetzen, das deutsche Reich zu erhalten und zu kräftigen, scheint es doch, als grollten wir, daß es nicht nach unserm Rezept zustande ge¬ kommen ist, und versagen womöglich alle Mittel zur Erhaltung desselben. Deutsch¬ lands geographische Lage ist aber derart, daß es nur mit großem Aufwande erhalten werden kann. Und da kann es sich nicht darum handeln, überall zu sparen und den Aufwand zu unterlassen, sondern es handelt sich darum, Deutschland in die Lage zu versetzen, den notwendigen Aufwand machen zu können. Ob ein General 10 000 oder 20 000 Mark Gehalt hat. ist gleich- giltig, ob aber der General eine Schlacht gewinnt oder verliert, das ist nicht gleichgiltig. Wenn das deutsche Heer von einem Kriege siegreich heimkehrt, dann fragen wir nicht darnach, was es in Friedenszeiten gekostet hat, sondern wir danken Gott, daß namenloses Elend von uns gewendet ist. Wenn aber die Armee, was Gott verhüten wolle, geschlagen heimkehrt, dann würde jahrzehnte- Mrenzbotcn I. 1883. 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/353>, abgerufen am 23.07.2024.