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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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lich aber ist die Anzahl Arbeiter, die unter diesem Direktor Beschäftigung findet,
wesentlich ist der Arbeitslohn, den diese Arbeiter einnehmen und im Lande
verzehren, nährend er ohne Schutzzölle ins Ausland geht. Das ist das
Wesen und der große Segen eines Schutzzollsystems!

Deutschland könnte jährlich 2000 Millionen Zentner Steinkohlen fördern
und damit 350000 Arbeiter mit 1 Million Familiengliedern ernähren; es könnte
100 Millionen Zentner Roheisen Produziren und damit 70000 Arbeiter mit
200000 Familiengliedern beschäftigen; denn Deutschland ist reich an Erzen und
an Kohlen, Ob dabei so und soviele Direktoren wohlhabend oder nicht
wohlhabend werden, ist gleichgiltig, ob aber die eine Million und 600000
Menschen nur allein durch die Kohlen- und Eisenindustrie ernährt werden, ob
diese jährlich 250 Millionen verdienen und im Lande verzehren, oder ob dieser
Arbeitslohn für fremdes Eisen ins Ausland geht, ob die Erze und Kohlen in
der Tiefe ruhen bleiben oder zu Nationalvermögen werden, das ist nicht gleich-
giltig.

Ein Zoll von 1 Mark für 100 Kilo Roheisen ist kein Schutzzoll, sondern
ein Finanzzoll, er ermöglicht lediglich den bestehenden Kohlen- und Eisenwerken
die Existenz, ruft aber neue nicht hervor. Darum muß er hoher sein, damit
die reichen Schätze, die in Deutschlands Erde ruhen, gehoben werden.

Wer ist denn der Konsument, der unter einem höhern Zoll auf Eisen leiden
würde? Da hört man Landwirte sich beschweren. Als ob sie überhaupt Eisen¬
konsumenten wären! Wenn ein bedeutender Landwirt seinen jährlichen Bedarf
an Hufeisen, Pflugscharen, Wagenreifen :e, zusamnmirechnet, so bringt er noch
keine 20 Zentner heraus, und wenn der Zentner anstatt 50 Pfennigen 2 Mark
Zoll zahlen würde, so würde das erst 30 Mark ausmachen. Viel wichtiger ist
es für den Landwirt, daß 1 Million 600000 Menschen Käufer für seine Pro¬
dukte werden. Der Arbeiter, der zu hohen Löhnen vollauf beschäftigt ist, ist
ein ganz andrer Konsument als derjenige, der fechtend die Dörfer durchwandert.

Eisenkonsument ist der Maschinenfabrikant, aber selbst ihn drückt ein Zoll
von 2 Mark auf den Zentner Roheisen gar nicht. Eine Lokomotive z.B. wiegt
ungefähr 600 Zentner und kostet etwa 30000 Mark, Mit dem Zoll würde
sie 31000 Mark kosten. Aber wie lange denn? Mit einem Zoll von 2 Mark
für den Zentner hätten wir in wenigen Jahren eine so große Eisenindustrie,
eine so große Konkurrenz in Deutschland, daß wir die billigsten Eisenpreise
Hütten, die wir je gehabt haben.

Aber das Aufblühen von Kohlen- und Eisenindustrie würde gerade den
Maschinenfabriken vollauf zu thun geben. Deutschland hat heute 4 Millionen
und 800000 Spindeln und ernährt damit 56000 Arbeiter mit 24 Millionen
Mark Arbeitslohn. Wieviel dabei Besitzer oder Direktoren beteiligt sind, ist
gleichgiltig, nicht aber, ob die 24 Millionen in Deutschland verzehrt werden oder
im Auslande, ob die Spindelzahl sich vermehrt oder vermindert. Großbritannien


lich aber ist die Anzahl Arbeiter, die unter diesem Direktor Beschäftigung findet,
wesentlich ist der Arbeitslohn, den diese Arbeiter einnehmen und im Lande
verzehren, nährend er ohne Schutzzölle ins Ausland geht. Das ist das
Wesen und der große Segen eines Schutzzollsystems!

Deutschland könnte jährlich 2000 Millionen Zentner Steinkohlen fördern
und damit 350000 Arbeiter mit 1 Million Familiengliedern ernähren; es könnte
100 Millionen Zentner Roheisen Produziren und damit 70000 Arbeiter mit
200000 Familiengliedern beschäftigen; denn Deutschland ist reich an Erzen und
an Kohlen, Ob dabei so und soviele Direktoren wohlhabend oder nicht
wohlhabend werden, ist gleichgiltig, ob aber die eine Million und 600000
Menschen nur allein durch die Kohlen- und Eisenindustrie ernährt werden, ob
diese jährlich 250 Millionen verdienen und im Lande verzehren, oder ob dieser
Arbeitslohn für fremdes Eisen ins Ausland geht, ob die Erze und Kohlen in
der Tiefe ruhen bleiben oder zu Nationalvermögen werden, das ist nicht gleich-
giltig.

Ein Zoll von 1 Mark für 100 Kilo Roheisen ist kein Schutzzoll, sondern
ein Finanzzoll, er ermöglicht lediglich den bestehenden Kohlen- und Eisenwerken
die Existenz, ruft aber neue nicht hervor. Darum muß er hoher sein, damit
die reichen Schätze, die in Deutschlands Erde ruhen, gehoben werden.

Wer ist denn der Konsument, der unter einem höhern Zoll auf Eisen leiden
würde? Da hört man Landwirte sich beschweren. Als ob sie überhaupt Eisen¬
konsumenten wären! Wenn ein bedeutender Landwirt seinen jährlichen Bedarf
an Hufeisen, Pflugscharen, Wagenreifen :e, zusamnmirechnet, so bringt er noch
keine 20 Zentner heraus, und wenn der Zentner anstatt 50 Pfennigen 2 Mark
Zoll zahlen würde, so würde das erst 30 Mark ausmachen. Viel wichtiger ist
es für den Landwirt, daß 1 Million 600000 Menschen Käufer für seine Pro¬
dukte werden. Der Arbeiter, der zu hohen Löhnen vollauf beschäftigt ist, ist
ein ganz andrer Konsument als derjenige, der fechtend die Dörfer durchwandert.

Eisenkonsument ist der Maschinenfabrikant, aber selbst ihn drückt ein Zoll
von 2 Mark auf den Zentner Roheisen gar nicht. Eine Lokomotive z.B. wiegt
ungefähr 600 Zentner und kostet etwa 30000 Mark, Mit dem Zoll würde
sie 31000 Mark kosten. Aber wie lange denn? Mit einem Zoll von 2 Mark
für den Zentner hätten wir in wenigen Jahren eine so große Eisenindustrie,
eine so große Konkurrenz in Deutschland, daß wir die billigsten Eisenpreise
Hütten, die wir je gehabt haben.

Aber das Aufblühen von Kohlen- und Eisenindustrie würde gerade den
Maschinenfabriken vollauf zu thun geben. Deutschland hat heute 4 Millionen
und 800000 Spindeln und ernährt damit 56000 Arbeiter mit 24 Millionen
Mark Arbeitslohn. Wieviel dabei Besitzer oder Direktoren beteiligt sind, ist
gleichgiltig, nicht aber, ob die 24 Millionen in Deutschland verzehrt werden oder
im Auslande, ob die Spindelzahl sich vermehrt oder vermindert. Großbritannien


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/352>, abgerufen am 23.07.2024.