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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Schutz der nationalen Arbeit,

Zollsätzen geschützt, nur Rohstoffe sind frei. Uhren z. B. hat man mit 25 Pro¬
zent ack vlüoröm belegt, sodaß also eine Uhr von 100 Mark Wert 25 Mark
Zoll bezahlt. Infolge dieses Zolles hat sich in Amerika eine so bedeutende
Uhrcnindustrie entwickelt, daß sie ihre Fabrikate bereits in alle Welt sendet;
auch in Deutschland kauft man jetzt amerikanische Uhren, die hier mit einem
Zoll von höchstens 50 Pfennigen eingehen, gleichviel welchen Wert sie haben,
lind doch sind, sowohl in der Schweiz als in England und nun in Amerika,
die tüchtigsten Uhrcnarbeiter -- Deutsche, Vor dem Kriege hat Amerika
100000 Ballen Baumwolle verarbeitet. Heute, nachdem dort Baumwollengarne
mit 20 bis 40 Prozent Wertzoll geschützt sind, verarbeitet es bereits 2 Mil¬
lionen Ballen, Der Zoll soll die Waare verteuern, damit ihre Herstellung ein
rentables Unternehmen wird und sich infolge dessen das Kapital darauf wirft.
Es ist unwahr, daß dadurch die Indolenz gefördert nud der betreffende Artikel
auf die Dauer verteuert werde. Denn die Intelligenz bemächtigt sich niemals
derjenige" Industriezweige, die keinen Gewinn versprechen, sondern sie, gerade
sie wendet sich dahin, wo der höchste Gewinn in Aussicht steht. Also Kapital
und Intelligenz wenden sich dahin, nicht die Indolenz, Und gerade deshalb
wird der Artikel nicht auf die Dauer verteuert. Denn so lange die Fabri¬
kation eines Artikels ein gutes Geschäft ist, d, h. mehr trägt als die lautes-.
üblichen Zinsen, so lange wendet sich neues Kapital dahin, d, h. es entstehen
neue Fabriken, und die naturnotwendige Folge ist, daß die wachsende Konkur¬
renz im Inlande den Preis der Waare drückt, sodaß er schließlich niedriger wird
als vor dem Schutzzölle, Der Gewinn aber für das Land besteht nicht darin,
daß das auf diese Unternehmungen verwendete Kapital hohe Zinsen getragen
hat, sondern darin, daß der Artikel nun im Inlande gemacht wird, daß so und
so viele Arbeiter damit beschäftigt worden sind und uun auch fortbeschäf¬
tigt werden. Der Artikel ist jetzt -- und das vollzieht sich heutzutage in
wenigen Jahren -- billiger als er früher war, aber der Arbeitslohn, der dafür
ausgegeben wird, wird im Lande verzehrt, und das ist der große Segen
der Schutzzölle,

Nehmen wir z, B, die sogenannte" "Pariser Artikel." Die Gegner der
Schutzzölle sagen: Die kann der Deutsche gar uicht machen, dazu gehört der fran¬
zösische feine Geschmack, die Fertigkeit, die auf langjähriger Erfahrung beruht,
und das große Kapital; wenn wir darauf Schutzzölle legen, so werden wir
diese Artikel zwar künftighin sehr teuer bezahlen müssen, aber wir werden nichts
schönes bekommen.

Wohlan, belegen wir Pariser Artikel mit einem hohen Schutzzoll, ja mit
einem Prohibitivzoll! Was wird geschehen? Die Fabrikation dieser Artikel in
Deutschland ist sofort ein gutes Geschäft. Angenommen selbst, aber nicht zu¬
gegeben, der Deutsche sei in der That nicht fähig, diese Artikel herzustellen
-- denn ein großer Teil dieser Arbeiter in Paris sind eben Deutsche --, so


Schutz der nationalen Arbeit,

Zollsätzen geschützt, nur Rohstoffe sind frei. Uhren z. B. hat man mit 25 Pro¬
zent ack vlüoröm belegt, sodaß also eine Uhr von 100 Mark Wert 25 Mark
Zoll bezahlt. Infolge dieses Zolles hat sich in Amerika eine so bedeutende
Uhrcnindustrie entwickelt, daß sie ihre Fabrikate bereits in alle Welt sendet;
auch in Deutschland kauft man jetzt amerikanische Uhren, die hier mit einem
Zoll von höchstens 50 Pfennigen eingehen, gleichviel welchen Wert sie haben,
lind doch sind, sowohl in der Schweiz als in England und nun in Amerika,
die tüchtigsten Uhrcnarbeiter — Deutsche, Vor dem Kriege hat Amerika
100000 Ballen Baumwolle verarbeitet. Heute, nachdem dort Baumwollengarne
mit 20 bis 40 Prozent Wertzoll geschützt sind, verarbeitet es bereits 2 Mil¬
lionen Ballen, Der Zoll soll die Waare verteuern, damit ihre Herstellung ein
rentables Unternehmen wird und sich infolge dessen das Kapital darauf wirft.
Es ist unwahr, daß dadurch die Indolenz gefördert nud der betreffende Artikel
auf die Dauer verteuert werde. Denn die Intelligenz bemächtigt sich niemals
derjenige» Industriezweige, die keinen Gewinn versprechen, sondern sie, gerade
sie wendet sich dahin, wo der höchste Gewinn in Aussicht steht. Also Kapital
und Intelligenz wenden sich dahin, nicht die Indolenz, Und gerade deshalb
wird der Artikel nicht auf die Dauer verteuert. Denn so lange die Fabri¬
kation eines Artikels ein gutes Geschäft ist, d, h. mehr trägt als die lautes-.
üblichen Zinsen, so lange wendet sich neues Kapital dahin, d, h. es entstehen
neue Fabriken, und die naturnotwendige Folge ist, daß die wachsende Konkur¬
renz im Inlande den Preis der Waare drückt, sodaß er schließlich niedriger wird
als vor dem Schutzzölle, Der Gewinn aber für das Land besteht nicht darin,
daß das auf diese Unternehmungen verwendete Kapital hohe Zinsen getragen
hat, sondern darin, daß der Artikel nun im Inlande gemacht wird, daß so und
so viele Arbeiter damit beschäftigt worden sind und uun auch fortbeschäf¬
tigt werden. Der Artikel ist jetzt — und das vollzieht sich heutzutage in
wenigen Jahren — billiger als er früher war, aber der Arbeitslohn, der dafür
ausgegeben wird, wird im Lande verzehrt, und das ist der große Segen
der Schutzzölle,

Nehmen wir z, B, die sogenannte» „Pariser Artikel." Die Gegner der
Schutzzölle sagen: Die kann der Deutsche gar uicht machen, dazu gehört der fran¬
zösische feine Geschmack, die Fertigkeit, die auf langjähriger Erfahrung beruht,
und das große Kapital; wenn wir darauf Schutzzölle legen, so werden wir
diese Artikel zwar künftighin sehr teuer bezahlen müssen, aber wir werden nichts
schönes bekommen.

Wohlan, belegen wir Pariser Artikel mit einem hohen Schutzzoll, ja mit
einem Prohibitivzoll! Was wird geschehen? Die Fabrikation dieser Artikel in
Deutschland ist sofort ein gutes Geschäft. Angenommen selbst, aber nicht zu¬
gegeben, der Deutsche sei in der That nicht fähig, diese Artikel herzustellen
— denn ein großer Teil dieser Arbeiter in Paris sind eben Deutsche —, so


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[0348] Schutz der nationalen Arbeit, Zollsätzen geschützt, nur Rohstoffe sind frei. Uhren z. B. hat man mit 25 Pro¬ zent ack vlüoröm belegt, sodaß also eine Uhr von 100 Mark Wert 25 Mark Zoll bezahlt. Infolge dieses Zolles hat sich in Amerika eine so bedeutende Uhrcnindustrie entwickelt, daß sie ihre Fabrikate bereits in alle Welt sendet; auch in Deutschland kauft man jetzt amerikanische Uhren, die hier mit einem Zoll von höchstens 50 Pfennigen eingehen, gleichviel welchen Wert sie haben, lind doch sind, sowohl in der Schweiz als in England und nun in Amerika, die tüchtigsten Uhrcnarbeiter — Deutsche, Vor dem Kriege hat Amerika 100000 Ballen Baumwolle verarbeitet. Heute, nachdem dort Baumwollengarne mit 20 bis 40 Prozent Wertzoll geschützt sind, verarbeitet es bereits 2 Mil¬ lionen Ballen, Der Zoll soll die Waare verteuern, damit ihre Herstellung ein rentables Unternehmen wird und sich infolge dessen das Kapital darauf wirft. Es ist unwahr, daß dadurch die Indolenz gefördert nud der betreffende Artikel auf die Dauer verteuert werde. Denn die Intelligenz bemächtigt sich niemals derjenige» Industriezweige, die keinen Gewinn versprechen, sondern sie, gerade sie wendet sich dahin, wo der höchste Gewinn in Aussicht steht. Also Kapital und Intelligenz wenden sich dahin, nicht die Indolenz, Und gerade deshalb wird der Artikel nicht auf die Dauer verteuert. Denn so lange die Fabri¬ kation eines Artikels ein gutes Geschäft ist, d, h. mehr trägt als die lautes-. üblichen Zinsen, so lange wendet sich neues Kapital dahin, d, h. es entstehen neue Fabriken, und die naturnotwendige Folge ist, daß die wachsende Konkur¬ renz im Inlande den Preis der Waare drückt, sodaß er schließlich niedriger wird als vor dem Schutzzölle, Der Gewinn aber für das Land besteht nicht darin, daß das auf diese Unternehmungen verwendete Kapital hohe Zinsen getragen hat, sondern darin, daß der Artikel nun im Inlande gemacht wird, daß so und so viele Arbeiter damit beschäftigt worden sind und uun auch fortbeschäf¬ tigt werden. Der Artikel ist jetzt — und das vollzieht sich heutzutage in wenigen Jahren — billiger als er früher war, aber der Arbeitslohn, der dafür ausgegeben wird, wird im Lande verzehrt, und das ist der große Segen der Schutzzölle, Nehmen wir z, B, die sogenannte» „Pariser Artikel." Die Gegner der Schutzzölle sagen: Die kann der Deutsche gar uicht machen, dazu gehört der fran¬ zösische feine Geschmack, die Fertigkeit, die auf langjähriger Erfahrung beruht, und das große Kapital; wenn wir darauf Schutzzölle legen, so werden wir diese Artikel zwar künftighin sehr teuer bezahlen müssen, aber wir werden nichts schönes bekommen. Wohlan, belegen wir Pariser Artikel mit einem hohen Schutzzoll, ja mit einem Prohibitivzoll! Was wird geschehen? Die Fabrikation dieser Artikel in Deutschland ist sofort ein gutes Geschäft. Angenommen selbst, aber nicht zu¬ gegeben, der Deutsche sei in der That nicht fähig, diese Artikel herzustellen — denn ein großer Teil dieser Arbeiter in Paris sind eben Deutsche —, so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/348>, abgerufen am 23.07.2024.