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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Schutz der nationalen Arbeit.

Ist er aber in dieser Ausdehnung nicht möglich, so bleibt doch immerhin
die Frage: Wo? Sagen wir beispielsweise, innerhalb Enropa und Amerika.
Obwohl das schon eine sehr bedeutende und bei unsern heutigen Verkehrsver-
lMtnissc" überaus fühlbare Beschränkung wäre, so wollen wir es gleichwohl als
Freihandel gelte" lassen, wenn innerhalb Europas und Amerikas jeder dieser beiden
Staaten alles ohne jede Beschränkung überall kaufe" und überall hin verkaufen
kann. Wen" wir aber jeden in Deutschland ohne Beschränkung verkaufen
lassen, während unsre Produkte nicht nur in Amerika, sondern schon in Eng¬
land, Frankreich, Rußland und Österreich Schutzzöllen begegnen, so ist das eben
nicht Freihandel, sondern es ist eine großartige Dummheit, die zur Ver¬
armung führt.

Die Auswanderung hat in Deutschland in erschreckender Weise zugenommen
und namentlich, seit Amerika hohe Schutzzölle etablirt hat. Während in
Deutschland die jungen Gewerbsleute ohne Arbeit umherirren, ist in Amerika
vollauf Arbeit zu hohen Löhnen. Unsre Arbeiter wandern dahin ans, und wir
senden ihnen bereits für Produkte aller Art deu Arbeitslohn in ihre neue Heimat,
den sie besser in der alten verzehrt hätten.

Man sagt, durch Schutzzölle werde nur die Indolenz gefördert. Das ist
nicht wahr. Der Arbeiter will den höchstmöglichen Lohn, und er steht mit
diesem natürlichen berechtigten Verlangen auf gleicher Stufe mit dem Kapita¬
listen, der sein Kapital möglichst hoch verzinsen will. Wenn der Kapitalist sein
Vermögen in einem industriellen Unternehmen anlegen will, so fragt er sich ganz
selbstverständlich: Welches Unternehmen verspricht mir den meisten Gewinn?
Er wird doch sicher sein Kapital nicht in einem Unternehmen anlegen, von
welchem er schon im voraus weiß, daß nichts dabei verdient wird. Selbst wenn
er weiß, daß nur die landesüblichen Zinsen verdient werden, so wird er lieber
sein Geld auf Hypotheken anlegen oder sich sichere Staatspapiere kaufe" und
nicht ein Risiko tragen, welches immer, selbst mit dem besten industriellen Unter¬
nehmen, verbunden ist.

Daß aber das Kapital sich auf Industrien wirft, das bewirkt der Schutz¬
zoll. Der Schutzzoll verteuert die Waare, das ist richtig, aber das soll er
auch. Kann man im Lande eine Waare nicht zu demselben Preise herstellen,
wie sie vom Auslande geliefert wird, so muß man einen Schutzzoll darauf legen,
damit sie hergestellt werde, denn entweder das Anstand ist dem Inlande
durch langjährige Erfahrung überlegen (England), oder die Arbeitslöhne sind
im Auslande billiger (Belgien, Österreich), das Ausland hat Überproduktion
und verkauft mit Verlust:e. In allen diesen Fällen, oder wenn ein Artikel
aus irgend einem Grunde im Inlande nicht gemacht wird, muß er durch einen
Zoll geschützt werden, damit er gemacht werde.

Im amerikanischen Zolltarif vom Jahre 1871 sieht man dieses Prinzip
durchgeführt, Jeder Artikel, an welchem irgend Arbeit haftet, ist mit hohen


Schutz der nationalen Arbeit.

Ist er aber in dieser Ausdehnung nicht möglich, so bleibt doch immerhin
die Frage: Wo? Sagen wir beispielsweise, innerhalb Enropa und Amerika.
Obwohl das schon eine sehr bedeutende und bei unsern heutigen Verkehrsver-
lMtnissc» überaus fühlbare Beschränkung wäre, so wollen wir es gleichwohl als
Freihandel gelte» lassen, wenn innerhalb Europas und Amerikas jeder dieser beiden
Staaten alles ohne jede Beschränkung überall kaufe» und überall hin verkaufen
kann. Wen» wir aber jeden in Deutschland ohne Beschränkung verkaufen
lassen, während unsre Produkte nicht nur in Amerika, sondern schon in Eng¬
land, Frankreich, Rußland und Österreich Schutzzöllen begegnen, so ist das eben
nicht Freihandel, sondern es ist eine großartige Dummheit, die zur Ver¬
armung führt.

Die Auswanderung hat in Deutschland in erschreckender Weise zugenommen
und namentlich, seit Amerika hohe Schutzzölle etablirt hat. Während in
Deutschland die jungen Gewerbsleute ohne Arbeit umherirren, ist in Amerika
vollauf Arbeit zu hohen Löhnen. Unsre Arbeiter wandern dahin ans, und wir
senden ihnen bereits für Produkte aller Art deu Arbeitslohn in ihre neue Heimat,
den sie besser in der alten verzehrt hätten.

Man sagt, durch Schutzzölle werde nur die Indolenz gefördert. Das ist
nicht wahr. Der Arbeiter will den höchstmöglichen Lohn, und er steht mit
diesem natürlichen berechtigten Verlangen auf gleicher Stufe mit dem Kapita¬
listen, der sein Kapital möglichst hoch verzinsen will. Wenn der Kapitalist sein
Vermögen in einem industriellen Unternehmen anlegen will, so fragt er sich ganz
selbstverständlich: Welches Unternehmen verspricht mir den meisten Gewinn?
Er wird doch sicher sein Kapital nicht in einem Unternehmen anlegen, von
welchem er schon im voraus weiß, daß nichts dabei verdient wird. Selbst wenn
er weiß, daß nur die landesüblichen Zinsen verdient werden, so wird er lieber
sein Geld auf Hypotheken anlegen oder sich sichere Staatspapiere kaufe» und
nicht ein Risiko tragen, welches immer, selbst mit dem besten industriellen Unter¬
nehmen, verbunden ist.

Daß aber das Kapital sich auf Industrien wirft, das bewirkt der Schutz¬
zoll. Der Schutzzoll verteuert die Waare, das ist richtig, aber das soll er
auch. Kann man im Lande eine Waare nicht zu demselben Preise herstellen,
wie sie vom Auslande geliefert wird, so muß man einen Schutzzoll darauf legen,
damit sie hergestellt werde, denn entweder das Anstand ist dem Inlande
durch langjährige Erfahrung überlegen (England), oder die Arbeitslöhne sind
im Auslande billiger (Belgien, Österreich), das Ausland hat Überproduktion
und verkauft mit Verlust:e. In allen diesen Fällen, oder wenn ein Artikel
aus irgend einem Grunde im Inlande nicht gemacht wird, muß er durch einen
Zoll geschützt werden, damit er gemacht werde.

Im amerikanischen Zolltarif vom Jahre 1871 sieht man dieses Prinzip
durchgeführt, Jeder Artikel, an welchem irgend Arbeit haftet, ist mit hohen


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[0347] Schutz der nationalen Arbeit. Ist er aber in dieser Ausdehnung nicht möglich, so bleibt doch immerhin die Frage: Wo? Sagen wir beispielsweise, innerhalb Enropa und Amerika. Obwohl das schon eine sehr bedeutende und bei unsern heutigen Verkehrsver- lMtnissc» überaus fühlbare Beschränkung wäre, so wollen wir es gleichwohl als Freihandel gelte» lassen, wenn innerhalb Europas und Amerikas jeder dieser beiden Staaten alles ohne jede Beschränkung überall kaufe» und überall hin verkaufen kann. Wen» wir aber jeden in Deutschland ohne Beschränkung verkaufen lassen, während unsre Produkte nicht nur in Amerika, sondern schon in Eng¬ land, Frankreich, Rußland und Österreich Schutzzöllen begegnen, so ist das eben nicht Freihandel, sondern es ist eine großartige Dummheit, die zur Ver¬ armung führt. Die Auswanderung hat in Deutschland in erschreckender Weise zugenommen und namentlich, seit Amerika hohe Schutzzölle etablirt hat. Während in Deutschland die jungen Gewerbsleute ohne Arbeit umherirren, ist in Amerika vollauf Arbeit zu hohen Löhnen. Unsre Arbeiter wandern dahin ans, und wir senden ihnen bereits für Produkte aller Art deu Arbeitslohn in ihre neue Heimat, den sie besser in der alten verzehrt hätten. Man sagt, durch Schutzzölle werde nur die Indolenz gefördert. Das ist nicht wahr. Der Arbeiter will den höchstmöglichen Lohn, und er steht mit diesem natürlichen berechtigten Verlangen auf gleicher Stufe mit dem Kapita¬ listen, der sein Kapital möglichst hoch verzinsen will. Wenn der Kapitalist sein Vermögen in einem industriellen Unternehmen anlegen will, so fragt er sich ganz selbstverständlich: Welches Unternehmen verspricht mir den meisten Gewinn? Er wird doch sicher sein Kapital nicht in einem Unternehmen anlegen, von welchem er schon im voraus weiß, daß nichts dabei verdient wird. Selbst wenn er weiß, daß nur die landesüblichen Zinsen verdient werden, so wird er lieber sein Geld auf Hypotheken anlegen oder sich sichere Staatspapiere kaufe» und nicht ein Risiko tragen, welches immer, selbst mit dem besten industriellen Unter¬ nehmen, verbunden ist. Daß aber das Kapital sich auf Industrien wirft, das bewirkt der Schutz¬ zoll. Der Schutzzoll verteuert die Waare, das ist richtig, aber das soll er auch. Kann man im Lande eine Waare nicht zu demselben Preise herstellen, wie sie vom Auslande geliefert wird, so muß man einen Schutzzoll darauf legen, damit sie hergestellt werde, denn entweder das Anstand ist dem Inlande durch langjährige Erfahrung überlegen (England), oder die Arbeitslöhne sind im Auslande billiger (Belgien, Österreich), das Ausland hat Überproduktion und verkauft mit Verlust:e. In allen diesen Fällen, oder wenn ein Artikel aus irgend einem Grunde im Inlande nicht gemacht wird, muß er durch einen Zoll geschützt werden, damit er gemacht werde. Im amerikanischen Zolltarif vom Jahre 1871 sieht man dieses Prinzip durchgeführt, Jeder Artikel, an welchem irgend Arbeit haftet, ist mit hohen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/347>, abgerufen am 03.07.2024.