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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Zchntz der nationalen Arbeit,

selbst giebt es Stimmen, welche meinen, die Republik habe im Herzen des Volkes
tiefe Wurzel geschlagen, die 1789 eroberte Gleichheit aller Stände gelte ihm
als Kleinod, und das Königtum werde niemals wieder aufgerichtet werden.
Und doch finden wir unter diesem wankelmütigen Volke eine Partei, welche hart¬
näckig an der Sache der Legitimität festhält, und das kleine Wort "Fürst" setzt
seine jetzigen Regenten, die Abgeordneten, so in Schrecken, daß sie den "Götzen"
über die Grenze bringen zu müssen glauben, damit kein Götzendienst getrieben
werde. In der Sagenwelt giebt es Länder, Städte und Inseln, wo die Menschen
nur altern, aber nicht sterben können. In Frankreich scheinen die monarchischen
Parteien gleicher Unsterblichkeit teilhaftig zu sein. Unter den Völkern germa¬
nischer Abkunft begegnen wir dieser Erscheinung nicht. In Deutschland schwand
das Welfentum, das Augustenlmrgertum und die Partei des Kurfürsten von
Hessen rasch zusammen. Wer denkt in Schweden noch an die Rückkehr der
Wasas auf den Thron? In England giebt es schon längst keine Jatobiten
mehr. Bei den Kelten verhält sichs anders, hier haben "Verlorne Sachen" immer
noch einen weiten und eifrigen Kreis von Freunden, In Irland findet Brian
Born noch seine Verehrer, in Frankreich, besonders in der Bretagne und andern
Provinzen mit starkem keltischen Element, das Bvnrbonentum, und in andern
Gegenden der Bonapartismus.

Ist also Frankreich im Herzen monarchisch oder republikanisch gesinnt?
Nehmen wir das Wort etymologisch, so sind wir geneigt, zu glauben, daß das
am tiefsten eingewurzelte und dauerhafteste Verlangen des französischen Volkes
die Regierung oder doch die moralische Herrschaft eines Einzige" ist, heiße er
nnn Napoleon oder Gambetta oder sonstwie. An Jerome wird dabei freilich
nicht gedacht.




Schutz der nationalen Arbeit.
von George Roth.

eini alle Völker der Erde unter sich einen Freihandelsvertrag ab¬
schließen,^) sodaß jeder überall taufen und überall hi" frei
von allen Beschränkungen verkaufen kann, so ist dasein
Freihandel, der vernünftig ist. Ob er auch möglich ist - das
ist eine andre Frage.



*) Der hier abgedruckte Aufsatz ging uns in Gestalt einer Broschüre ans dein Verlage
von Carl Gießel in Baureuth zu. Das Titelblatt enthält die Bemerkung: "Nachdruck ge¬
stattet," Wir machen von dieser Erlaubnis Gebrauch,
Zchntz der nationalen Arbeit,

selbst giebt es Stimmen, welche meinen, die Republik habe im Herzen des Volkes
tiefe Wurzel geschlagen, die 1789 eroberte Gleichheit aller Stände gelte ihm
als Kleinod, und das Königtum werde niemals wieder aufgerichtet werden.
Und doch finden wir unter diesem wankelmütigen Volke eine Partei, welche hart¬
näckig an der Sache der Legitimität festhält, und das kleine Wort „Fürst" setzt
seine jetzigen Regenten, die Abgeordneten, so in Schrecken, daß sie den „Götzen"
über die Grenze bringen zu müssen glauben, damit kein Götzendienst getrieben
werde. In der Sagenwelt giebt es Länder, Städte und Inseln, wo die Menschen
nur altern, aber nicht sterben können. In Frankreich scheinen die monarchischen
Parteien gleicher Unsterblichkeit teilhaftig zu sein. Unter den Völkern germa¬
nischer Abkunft begegnen wir dieser Erscheinung nicht. In Deutschland schwand
das Welfentum, das Augustenlmrgertum und die Partei des Kurfürsten von
Hessen rasch zusammen. Wer denkt in Schweden noch an die Rückkehr der
Wasas auf den Thron? In England giebt es schon längst keine Jatobiten
mehr. Bei den Kelten verhält sichs anders, hier haben „Verlorne Sachen" immer
noch einen weiten und eifrigen Kreis von Freunden, In Irland findet Brian
Born noch seine Verehrer, in Frankreich, besonders in der Bretagne und andern
Provinzen mit starkem keltischen Element, das Bvnrbonentum, und in andern
Gegenden der Bonapartismus.

Ist also Frankreich im Herzen monarchisch oder republikanisch gesinnt?
Nehmen wir das Wort etymologisch, so sind wir geneigt, zu glauben, daß das
am tiefsten eingewurzelte und dauerhafteste Verlangen des französischen Volkes
die Regierung oder doch die moralische Herrschaft eines Einzige» ist, heiße er
nnn Napoleon oder Gambetta oder sonstwie. An Jerome wird dabei freilich
nicht gedacht.




Schutz der nationalen Arbeit.
von George Roth.

eini alle Völker der Erde unter sich einen Freihandelsvertrag ab¬
schließen,^) sodaß jeder überall taufen und überall hi» frei
von allen Beschränkungen verkaufen kann, so ist dasein
Freihandel, der vernünftig ist. Ob er auch möglich ist - das
ist eine andre Frage.



*) Der hier abgedruckte Aufsatz ging uns in Gestalt einer Broschüre ans dein Verlage
von Carl Gießel in Baureuth zu. Das Titelblatt enthält die Bemerkung: „Nachdruck ge¬
stattet," Wir machen von dieser Erlaubnis Gebrauch,
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[0346] Zchntz der nationalen Arbeit, selbst giebt es Stimmen, welche meinen, die Republik habe im Herzen des Volkes tiefe Wurzel geschlagen, die 1789 eroberte Gleichheit aller Stände gelte ihm als Kleinod, und das Königtum werde niemals wieder aufgerichtet werden. Und doch finden wir unter diesem wankelmütigen Volke eine Partei, welche hart¬ näckig an der Sache der Legitimität festhält, und das kleine Wort „Fürst" setzt seine jetzigen Regenten, die Abgeordneten, so in Schrecken, daß sie den „Götzen" über die Grenze bringen zu müssen glauben, damit kein Götzendienst getrieben werde. In der Sagenwelt giebt es Länder, Städte und Inseln, wo die Menschen nur altern, aber nicht sterben können. In Frankreich scheinen die monarchischen Parteien gleicher Unsterblichkeit teilhaftig zu sein. Unter den Völkern germa¬ nischer Abkunft begegnen wir dieser Erscheinung nicht. In Deutschland schwand das Welfentum, das Augustenlmrgertum und die Partei des Kurfürsten von Hessen rasch zusammen. Wer denkt in Schweden noch an die Rückkehr der Wasas auf den Thron? In England giebt es schon längst keine Jatobiten mehr. Bei den Kelten verhält sichs anders, hier haben „Verlorne Sachen" immer noch einen weiten und eifrigen Kreis von Freunden, In Irland findet Brian Born noch seine Verehrer, in Frankreich, besonders in der Bretagne und andern Provinzen mit starkem keltischen Element, das Bvnrbonentum, und in andern Gegenden der Bonapartismus. Ist also Frankreich im Herzen monarchisch oder republikanisch gesinnt? Nehmen wir das Wort etymologisch, so sind wir geneigt, zu glauben, daß das am tiefsten eingewurzelte und dauerhafteste Verlangen des französischen Volkes die Regierung oder doch die moralische Herrschaft eines Einzige» ist, heiße er nnn Napoleon oder Gambetta oder sonstwie. An Jerome wird dabei freilich nicht gedacht. Schutz der nationalen Arbeit. von George Roth. eini alle Völker der Erde unter sich einen Freihandelsvertrag ab¬ schließen,^) sodaß jeder überall taufen und überall hi» frei von allen Beschränkungen verkaufen kann, so ist dasein Freihandel, der vernünftig ist. Ob er auch möglich ist - das ist eine andre Frage. *) Der hier abgedruckte Aufsatz ging uns in Gestalt einer Broschüre ans dein Verlage von Carl Gießel in Baureuth zu. Das Titelblatt enthält die Bemerkung: „Nachdruck ge¬ stattet," Wir machen von dieser Erlaubnis Gebrauch,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/346>, abgerufen am 03.07.2024.