Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Grafen von Mensch werde.

steiler von glänzender Begabung und ehrlichen! Wahrheitsdraug, Solch einer
möchten Sie wohl sein?

Gewiß, solch einer möchte ich sein, erwiederte der Jüngling mit freu¬
digen! Blick.

Es ist nur fatal, sagte Herr Rudolf Schmidt, daß diese Herren wenig zu
beißen und zu brechen haben.

Der Jüngling blickte ihn verwundert an.

Dagegen giebt es allerdings auch einige hundert fleißige Leute, die für den
täglichen Bedarf des Publikums sorgen, fuhr Herr Schmidt fort, Leute, die
sozusagen dem Publikum die literarischen Krippen und Raufen regelmäßig füllen.
Und die stehen sich recht gut, haben oft brillante Einnahmen,

Der Jüngling sah noch erstaunter in Herrn Schmidts schlau blickendes
Gesicht,

Können Sie wohl über einen Gegenstand, von dem Sie nichts wissen, ein
Buch oder doch wenigstens einen belehrenden Aufsatz schreiben?

Nein, sagte der Jüngling zögernd.

Dann werden Sie es in der Literatur nicht weit bringen. Können Sie
denn aber wenigstens eine Kritik über ein Buch schreiben, das Sie nicht gelesen
haben?

Auch das kann ich nicht.

Dann werden Sie es in der Literatur nicht weit bringen. Können Sie
denn aber, wenn die Partei es verlangt, beweisen, daß das Weiße schwarz ist?

Das kann ich nicht und möchte es auch nicht können, sagte der Jüngling
entrüstet.

Dann ist es ganz unmöglich, daß Sie es in der Literatur weit bringen,
sagte Herr Schmidt lachend.

Verzeihen Sie, daß ich Sie belästigt habe, sagte der Jüngling stolz, indem
er das Glas, von dein er nur genippi hatte, auf den Tisch stellte. Er machte
eine Verbeugung und wollte sich entfernen.

Warten Sie noch einen Augenblick, sagte Herr Schmidt, dem die Miene
der Enttäuschung bei dem armen jungen Manne leid that. Ich will Ihnen
sagen, es giebt viel Andrang in der Literatur, und ich kann Ihnen dazu kaum
raten. Aber ich wüßte einen andern Platz, für den Sie sich vielleicht eignen
möchten. Ich brauche einen Kassirer für meine Tcrraeottafabrik, Überlegen Sie
sich, ob Sie dazu Lust haben und sagen Sie mir über vier Wochen Bescheid,
wenn ich von meiner Reise zurückgekehrt bin.

Der Jüngling zog sich in einiger Verwirrung zurück, Herr Rudolf Schmidt
aber unterhielt seine Verwandten noch lange mit deu Einfällen seines lebhaften
Geistes und erregte noch mehrmals die Mißbilligung und Verwunderung des
würdigen Oheims, bevor er anspannen ließ, um nach Holzfurt, dem Mittel-
Punkte seiner Thätigkeit, zurückzufahren,


Nu-nzl'vteii I, 1883. 41
Die Grafen von Mensch werde.

steiler von glänzender Begabung und ehrlichen! Wahrheitsdraug, Solch einer
möchten Sie wohl sein?

Gewiß, solch einer möchte ich sein, erwiederte der Jüngling mit freu¬
digen! Blick.

Es ist nur fatal, sagte Herr Rudolf Schmidt, daß diese Herren wenig zu
beißen und zu brechen haben.

Der Jüngling blickte ihn verwundert an.

Dagegen giebt es allerdings auch einige hundert fleißige Leute, die für den
täglichen Bedarf des Publikums sorgen, fuhr Herr Schmidt fort, Leute, die
sozusagen dem Publikum die literarischen Krippen und Raufen regelmäßig füllen.
Und die stehen sich recht gut, haben oft brillante Einnahmen,

Der Jüngling sah noch erstaunter in Herrn Schmidts schlau blickendes
Gesicht,

Können Sie wohl über einen Gegenstand, von dem Sie nichts wissen, ein
Buch oder doch wenigstens einen belehrenden Aufsatz schreiben?

Nein, sagte der Jüngling zögernd.

Dann werden Sie es in der Literatur nicht weit bringen. Können Sie
denn aber wenigstens eine Kritik über ein Buch schreiben, das Sie nicht gelesen
haben?

Auch das kann ich nicht.

Dann werden Sie es in der Literatur nicht weit bringen. Können Sie
denn aber, wenn die Partei es verlangt, beweisen, daß das Weiße schwarz ist?

Das kann ich nicht und möchte es auch nicht können, sagte der Jüngling
entrüstet.

Dann ist es ganz unmöglich, daß Sie es in der Literatur weit bringen,
sagte Herr Schmidt lachend.

Verzeihen Sie, daß ich Sie belästigt habe, sagte der Jüngling stolz, indem
er das Glas, von dein er nur genippi hatte, auf den Tisch stellte. Er machte
eine Verbeugung und wollte sich entfernen.

Warten Sie noch einen Augenblick, sagte Herr Schmidt, dem die Miene
der Enttäuschung bei dem armen jungen Manne leid that. Ich will Ihnen
sagen, es giebt viel Andrang in der Literatur, und ich kann Ihnen dazu kaum
raten. Aber ich wüßte einen andern Platz, für den Sie sich vielleicht eignen
möchten. Ich brauche einen Kassirer für meine Tcrraeottafabrik, Überlegen Sie
sich, ob Sie dazu Lust haben und sagen Sie mir über vier Wochen Bescheid,
wenn ich von meiner Reise zurückgekehrt bin.

Der Jüngling zog sich in einiger Verwirrung zurück, Herr Rudolf Schmidt
aber unterhielt seine Verwandten noch lange mit deu Einfällen seines lebhaften
Geistes und erregte noch mehrmals die Mißbilligung und Verwunderung des
würdigen Oheims, bevor er anspannen ließ, um nach Holzfurt, dem Mittel-
Punkte seiner Thätigkeit, zurückzufahren,


Nu-nzl'vteii I, 1883. 41
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0329" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151968"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Grafen von Mensch werde.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1111" prev="#ID_1110"> steiler von glänzender Begabung und ehrlichen! Wahrheitsdraug, Solch einer<lb/>
möchten Sie wohl sein?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1112"> Gewiß, solch einer möchte ich sein, erwiederte der Jüngling mit freu¬<lb/>
digen! Blick.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1113"> Es ist nur fatal, sagte Herr Rudolf Schmidt, daß diese Herren wenig zu<lb/>
beißen und zu brechen haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1114"> Der Jüngling blickte ihn verwundert an.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1115"> Dagegen giebt es allerdings auch einige hundert fleißige Leute, die für den<lb/>
täglichen Bedarf des Publikums sorgen, fuhr Herr Schmidt fort, Leute, die<lb/>
sozusagen dem Publikum die literarischen Krippen und Raufen regelmäßig füllen.<lb/>
Und die stehen sich recht gut, haben oft brillante Einnahmen,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1116"> Der Jüngling sah noch erstaunter in Herrn Schmidts schlau blickendes<lb/>
Gesicht,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1117"> Können Sie wohl über einen Gegenstand, von dem Sie nichts wissen, ein<lb/>
Buch oder doch wenigstens einen belehrenden Aufsatz schreiben?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1118"> Nein, sagte der Jüngling zögernd.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1119"> Dann werden Sie es in der Literatur nicht weit bringen. Können Sie<lb/>
denn aber wenigstens eine Kritik über ein Buch schreiben, das Sie nicht gelesen<lb/>
haben?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1120"> Auch das kann ich nicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1121"> Dann werden Sie es in der Literatur nicht weit bringen. Können Sie<lb/>
denn aber, wenn die Partei es verlangt, beweisen, daß das Weiße schwarz ist?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1122"> Das kann ich nicht und möchte es auch nicht können, sagte der Jüngling<lb/>
entrüstet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1123"> Dann ist es ganz unmöglich, daß Sie es in der Literatur weit bringen,<lb/>
sagte Herr Schmidt lachend.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1124"> Verzeihen Sie, daß ich Sie belästigt habe, sagte der Jüngling stolz, indem<lb/>
er das Glas, von dein er nur genippi hatte, auf den Tisch stellte. Er machte<lb/>
eine Verbeugung und wollte sich entfernen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1125"> Warten Sie noch einen Augenblick, sagte Herr Schmidt, dem die Miene<lb/>
der Enttäuschung bei dem armen jungen Manne leid that. Ich will Ihnen<lb/>
sagen, es giebt viel Andrang in der Literatur, und ich kann Ihnen dazu kaum<lb/>
raten. Aber ich wüßte einen andern Platz, für den Sie sich vielleicht eignen<lb/>
möchten. Ich brauche einen Kassirer für meine Tcrraeottafabrik, Überlegen Sie<lb/>
sich, ob Sie dazu Lust haben und sagen Sie mir über vier Wochen Bescheid,<lb/>
wenn ich von meiner Reise zurückgekehrt bin.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1126"> Der Jüngling zog sich in einiger Verwirrung zurück, Herr Rudolf Schmidt<lb/>
aber unterhielt seine Verwandten noch lange mit deu Einfällen seines lebhaften<lb/>
Geistes und erregte noch mehrmals die Mißbilligung und Verwunderung des<lb/>
würdigen Oheims, bevor er anspannen ließ, um nach Holzfurt, dem Mittel-<lb/>
Punkte seiner Thätigkeit, zurückzufahren,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Nu-nzl'vteii I, 1883. 41</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0329] Die Grafen von Mensch werde. steiler von glänzender Begabung und ehrlichen! Wahrheitsdraug, Solch einer möchten Sie wohl sein? Gewiß, solch einer möchte ich sein, erwiederte der Jüngling mit freu¬ digen! Blick. Es ist nur fatal, sagte Herr Rudolf Schmidt, daß diese Herren wenig zu beißen und zu brechen haben. Der Jüngling blickte ihn verwundert an. Dagegen giebt es allerdings auch einige hundert fleißige Leute, die für den täglichen Bedarf des Publikums sorgen, fuhr Herr Schmidt fort, Leute, die sozusagen dem Publikum die literarischen Krippen und Raufen regelmäßig füllen. Und die stehen sich recht gut, haben oft brillante Einnahmen, Der Jüngling sah noch erstaunter in Herrn Schmidts schlau blickendes Gesicht, Können Sie wohl über einen Gegenstand, von dem Sie nichts wissen, ein Buch oder doch wenigstens einen belehrenden Aufsatz schreiben? Nein, sagte der Jüngling zögernd. Dann werden Sie es in der Literatur nicht weit bringen. Können Sie denn aber wenigstens eine Kritik über ein Buch schreiben, das Sie nicht gelesen haben? Auch das kann ich nicht. Dann werden Sie es in der Literatur nicht weit bringen. Können Sie denn aber, wenn die Partei es verlangt, beweisen, daß das Weiße schwarz ist? Das kann ich nicht und möchte es auch nicht können, sagte der Jüngling entrüstet. Dann ist es ganz unmöglich, daß Sie es in der Literatur weit bringen, sagte Herr Schmidt lachend. Verzeihen Sie, daß ich Sie belästigt habe, sagte der Jüngling stolz, indem er das Glas, von dein er nur genippi hatte, auf den Tisch stellte. Er machte eine Verbeugung und wollte sich entfernen. Warten Sie noch einen Augenblick, sagte Herr Schmidt, dem die Miene der Enttäuschung bei dem armen jungen Manne leid that. Ich will Ihnen sagen, es giebt viel Andrang in der Literatur, und ich kann Ihnen dazu kaum raten. Aber ich wüßte einen andern Platz, für den Sie sich vielleicht eignen möchten. Ich brauche einen Kassirer für meine Tcrraeottafabrik, Überlegen Sie sich, ob Sie dazu Lust haben und sagen Sie mir über vier Wochen Bescheid, wenn ich von meiner Reise zurückgekehrt bin. Der Jüngling zog sich in einiger Verwirrung zurück, Herr Rudolf Schmidt aber unterhielt seine Verwandten noch lange mit deu Einfällen seines lebhaften Geistes und erregte noch mehrmals die Mißbilligung und Verwunderung des würdigen Oheims, bevor er anspannen ließ, um nach Holzfurt, dem Mittel- Punkte seiner Thätigkeit, zurückzufahren, Nu-nzl'vteii I, 1883. 41

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/329
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/329>, abgerufen am 23.07.2024.