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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Aber was sind denn das für Proben? Du sagtest doch, der Ofen wäre
beinahe fertig, da kann doch noch nichts gebrannt sein.

Wie Ihr schwerfällig seid! Die Proben hat ein sehr geschickter Töpfer
am Rhein gebrannt, aus ganz eben solchem Thon, wie er sich in meiner Grube
findet. Ich werde dir die Steine gelegentlich zeigen, ganz reizende Fliesen, die
sich zur Bekleidung von Küche und Flur und zu tausend andern Zwecken vor¬
züglich eignen. Ich habe den Mann als Werkführer engagirt.

Das ist doch eine unsichere Geschichte, sagte der Inspektor kopfschüttelnd.
Wenn nun Bestellungen auf dein Anerbieten hin gemacht werden und du noch
gar kein Fabrikat hast?

Ich werde es haben, ich werde es haben, mein lieber Onkel. Soll ich etwa
unnütz Zeit verlieren, daß mir ein Konkurrent zuvorkommt?

Und wenn dein Brand nicht gelingt? Wenn vielleicht gar der Ofen nicht
gerät? Oder wenn am Ende dein Thon nicht der passende ist?

Professor Werthmann, der erste jetzt lebende Chemiker, hat mir ein Gut¬
achten über meinen Thon ausgestellt, welches jetzt in allen Blättern veröffent¬
licht wird. Mein Thon eignet sich brillant zu meinem Zweck. Ich werde mit
den Fliesen anfangen und mit solchen Krügen und Vasen fortfahren, welche die
Damen lackiren und bekleben können. Nachher, wenn alles gehörig organisirt
ist, und wenn ich einen tüchtigen Modelleur gewonnen habe, werde ich Figuren
zum Schmuck von Dächern, Eingängen, Gärten, Gräbern und so weiter fa-
briziren.

Du unternimmst viel, mein Junge, sagte der Oheim. Unternimm nur nicht
zu viel! Du hast die Gewerbebauk, du hast die Zeitung, ich dächte, das wäre
genug für einen Mann.

Es kommt alles auf die Organisation an, entgegnete sein Neffe. Ein schöpfe¬
rischer Geist vermag viel. Die Arbeitsteilung, das ist es, worauf es ankommt.
Ich thue nichts, als daß ich, gleichsam als Zentrum der Intelligenz, in der
Mitte stehe, und um mich kreisen die Räder der Maschine. Ich arbeite nicht
selbst, wenigstens nicht im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Ich lasse arbeiten.
Ich gebe den Anstoß, ich überwache, und unzählige Werkzeuge meines Geistes
sichren dessen Ideen aus. So gut wie zwei Unternehmungen, kann ich deren
drei, deren zehn, deren hundert haben. Der Riese Briareus hatte hundert Arme,
ich habe sie auch.

Ach nein, sagte die Tante, das wäre nichts für mich. Ich glaube, wenn
ich das sollte, da würde ich verrückt. Mir füllt schon mein einziger Haushalt
den Kopf aus, wenn ich nur uoch einen dazu bekäme, wüßte ich nicht mehr,
wo mir die Gedanken stünden. Und ich glaube auch, wer seine Arbeit recht
gewissenhaft nimmt, der kann nicht mehrerlei nebeneinander thun. Niemand kann
zween Herren dienen, heißt es in der Bibel.


Die Grafen von Altenschwerdt.

Aber was sind denn das für Proben? Du sagtest doch, der Ofen wäre
beinahe fertig, da kann doch noch nichts gebrannt sein.

Wie Ihr schwerfällig seid! Die Proben hat ein sehr geschickter Töpfer
am Rhein gebrannt, aus ganz eben solchem Thon, wie er sich in meiner Grube
findet. Ich werde dir die Steine gelegentlich zeigen, ganz reizende Fliesen, die
sich zur Bekleidung von Küche und Flur und zu tausend andern Zwecken vor¬
züglich eignen. Ich habe den Mann als Werkführer engagirt.

Das ist doch eine unsichere Geschichte, sagte der Inspektor kopfschüttelnd.
Wenn nun Bestellungen auf dein Anerbieten hin gemacht werden und du noch
gar kein Fabrikat hast?

Ich werde es haben, ich werde es haben, mein lieber Onkel. Soll ich etwa
unnütz Zeit verlieren, daß mir ein Konkurrent zuvorkommt?

Und wenn dein Brand nicht gelingt? Wenn vielleicht gar der Ofen nicht
gerät? Oder wenn am Ende dein Thon nicht der passende ist?

Professor Werthmann, der erste jetzt lebende Chemiker, hat mir ein Gut¬
achten über meinen Thon ausgestellt, welches jetzt in allen Blättern veröffent¬
licht wird. Mein Thon eignet sich brillant zu meinem Zweck. Ich werde mit
den Fliesen anfangen und mit solchen Krügen und Vasen fortfahren, welche die
Damen lackiren und bekleben können. Nachher, wenn alles gehörig organisirt
ist, und wenn ich einen tüchtigen Modelleur gewonnen habe, werde ich Figuren
zum Schmuck von Dächern, Eingängen, Gärten, Gräbern und so weiter fa-
briziren.

Du unternimmst viel, mein Junge, sagte der Oheim. Unternimm nur nicht
zu viel! Du hast die Gewerbebauk, du hast die Zeitung, ich dächte, das wäre
genug für einen Mann.

Es kommt alles auf die Organisation an, entgegnete sein Neffe. Ein schöpfe¬
rischer Geist vermag viel. Die Arbeitsteilung, das ist es, worauf es ankommt.
Ich thue nichts, als daß ich, gleichsam als Zentrum der Intelligenz, in der
Mitte stehe, und um mich kreisen die Räder der Maschine. Ich arbeite nicht
selbst, wenigstens nicht im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Ich lasse arbeiten.
Ich gebe den Anstoß, ich überwache, und unzählige Werkzeuge meines Geistes
sichren dessen Ideen aus. So gut wie zwei Unternehmungen, kann ich deren
drei, deren zehn, deren hundert haben. Der Riese Briareus hatte hundert Arme,
ich habe sie auch.

Ach nein, sagte die Tante, das wäre nichts für mich. Ich glaube, wenn
ich das sollte, da würde ich verrückt. Mir füllt schon mein einziger Haushalt
den Kopf aus, wenn ich nur uoch einen dazu bekäme, wüßte ich nicht mehr,
wo mir die Gedanken stünden. Und ich glaube auch, wer seine Arbeit recht
gewissenhaft nimmt, der kann nicht mehrerlei nebeneinander thun. Niemand kann
zween Herren dienen, heißt es in der Bibel.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/326>, abgerufen am 25.08.2024.