Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.Rußland am Balkan. des russischen Kaisers befand sich, von Guirlanden umkränzt, wie zum Vorwurf So unsre Korrespondenz. Dieselbe läßt deutlich genug erkennen, in welcher Nachdem Herr Moltschanoff mit dem Fürsten in größerer Gesellschaft ge¬ Rußland am Balkan. des russischen Kaisers befand sich, von Guirlanden umkränzt, wie zum Vorwurf So unsre Korrespondenz. Dieselbe läßt deutlich genug erkennen, in welcher Nachdem Herr Moltschanoff mit dem Fürsten in größerer Gesellschaft ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0312" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151934"/> <fw type="header" place="top"> Rußland am Balkan.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1031" prev="#ID_1030"> des russischen Kaisers befand sich, von Guirlanden umkränzt, wie zum Vorwurf<lb/> stets vor den Augen des Königs, wann immer er sich zu Tisch setzte."</p><lb/> <p xml:id="ID_1032"> So unsre Korrespondenz. Dieselbe läßt deutlich genug erkennen, in welcher<lb/> Weise der Fürst seine Aufgabe auffaßt. Noch deutlicher aber geht das hervor<lb/> aus einer Audienz, welche der Fürst am Tage vor der Begegnung mit dem<lb/> Könige von Serbien dem russischen Journalisten Moltschanoff gewährte. Herr<lb/> Mvltschanoff war damals Reiseredakteur — wenn man so sagen darf — der<lb/> in Petersburg erscheinenden „Nowoje Wremja" (Neue Zeit). Die „Neue Zeit"<lb/> ist das den Deutschen feindlichste Blatt Rußlands. In den mit der Journa¬<lb/> listik vertrauten Kreisen genießt das Organ des Herrn Suworin nur ein sehr<lb/> geringes Ansehen, im großen Publikum aber ist sein Einfluß groß, denn dem<lb/> Herausgeber wie den Redakteuren ist jedes Mittel recht, um das Publikum an¬<lb/> zuziehen. Die Herren Feodoroff und Bnrenin scheuen in dieser Beziehung keinerlei<lb/> Verantwortung. Herr Moltschanoff befand sich im Auftrage seines Blattes ans<lb/> der Balkanhalbinsel und hatte um eine Audienz nachgesucht. Die Aufzeichnungen,<lb/> welche er über den Verlauf derselben machte, geben, seiner Versicherung nach,<lb/> mit stenographischer Treue die Worte des Fürsten wieder. Sie sind ferner am<lb/> 9./21. Oktober des vorigen Jahres in dem genannten Blatte veröffentlicht<lb/> worden, ohne Widerspruch zu erfahren; der Korrespondent soll endlich — Zei¬<lb/> tungsnachrichten zufolge ^- eben im Begriffe sein, die Redaktion eines offiziellen<lb/> bulgarischen Blattes zu übernehmen. Seine Mitteilungen erscheinen daher durchaus<lb/> zuverlässig.</p><lb/> <p xml:id="ID_1033" next="#ID_1034"> Nachdem Herr Moltschanoff mit dem Fürsten in größerer Gesellschaft ge¬<lb/> frühstückt hatte, nahm der Fürst ihn beiseite. Sie wollen während der ganzen<lb/> Zeit des bevorstehenden Besuches des Königs bei uns bleiben? — Ja, Hoheit,<lb/> erwiederte ich, dieses Fest ist für uns in doppelter Beziehung interessant, einmal<lb/> als die Begegnung zweier slavischen Herrscher und sodann als ein Besuch des¬<lb/> jenigen Königs in Bulgarien, von dem jetzt in Österreich und Rußland so viel<lb/> gesprochen wird. — Ich weiß das, aber ich glaube diesen Gerüchten nicht, ich<lb/> kann ihnen nicht glauben. Die Politik, um derentwillen man den König an¬<lb/> klagt, erscheint mir positiv unmöglich. — Wir nennen sie unnatürlich. — Ja.<lb/> Ich glaube, daß diese Gerüchte jeder Begründung entbehren. Werden doch auch<lb/> wir wegen Germanisirung, wegen der Erfolge der katholischen Propaganda an¬<lb/> gegriffen. Aber Sie werden natürlich selbst erkennen, daß das die reine Lüge<lb/> ist. — Verzeihen Ew. Hoheit, aber ich habe solche Anklagen gegen Bulgarien<lb/> nicht aussprechen hören. — Wie? Haben Sie denn nicht die „Ruß" des Herrn<lb/> Aksakoff gelesen? Dort wird versichert, daß man in den Straßen von Sofia<lb/> nur Deutsch reden höre, daß die Propaganda der Katholiken nicht gehindert<lb/> werde u. s. w. Ich versichere Ihnen, daß das alles nicht wahr ist. Es wundert<lb/> mich ungemein, daß die russische Presse so unwahren Nachrichten Raum giebt.<lb/> Ich bat Aksakoff, und ich bitte Sie — fragen Sie telegraphisch bei mir an</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0312]
Rußland am Balkan.
des russischen Kaisers befand sich, von Guirlanden umkränzt, wie zum Vorwurf
stets vor den Augen des Königs, wann immer er sich zu Tisch setzte."
So unsre Korrespondenz. Dieselbe läßt deutlich genug erkennen, in welcher
Weise der Fürst seine Aufgabe auffaßt. Noch deutlicher aber geht das hervor
aus einer Audienz, welche der Fürst am Tage vor der Begegnung mit dem
Könige von Serbien dem russischen Journalisten Moltschanoff gewährte. Herr
Mvltschanoff war damals Reiseredakteur — wenn man so sagen darf — der
in Petersburg erscheinenden „Nowoje Wremja" (Neue Zeit). Die „Neue Zeit"
ist das den Deutschen feindlichste Blatt Rußlands. In den mit der Journa¬
listik vertrauten Kreisen genießt das Organ des Herrn Suworin nur ein sehr
geringes Ansehen, im großen Publikum aber ist sein Einfluß groß, denn dem
Herausgeber wie den Redakteuren ist jedes Mittel recht, um das Publikum an¬
zuziehen. Die Herren Feodoroff und Bnrenin scheuen in dieser Beziehung keinerlei
Verantwortung. Herr Moltschanoff befand sich im Auftrage seines Blattes ans
der Balkanhalbinsel und hatte um eine Audienz nachgesucht. Die Aufzeichnungen,
welche er über den Verlauf derselben machte, geben, seiner Versicherung nach,
mit stenographischer Treue die Worte des Fürsten wieder. Sie sind ferner am
9./21. Oktober des vorigen Jahres in dem genannten Blatte veröffentlicht
worden, ohne Widerspruch zu erfahren; der Korrespondent soll endlich — Zei¬
tungsnachrichten zufolge ^- eben im Begriffe sein, die Redaktion eines offiziellen
bulgarischen Blattes zu übernehmen. Seine Mitteilungen erscheinen daher durchaus
zuverlässig.
Nachdem Herr Moltschanoff mit dem Fürsten in größerer Gesellschaft ge¬
frühstückt hatte, nahm der Fürst ihn beiseite. Sie wollen während der ganzen
Zeit des bevorstehenden Besuches des Königs bei uns bleiben? — Ja, Hoheit,
erwiederte ich, dieses Fest ist für uns in doppelter Beziehung interessant, einmal
als die Begegnung zweier slavischen Herrscher und sodann als ein Besuch des¬
jenigen Königs in Bulgarien, von dem jetzt in Österreich und Rußland so viel
gesprochen wird. — Ich weiß das, aber ich glaube diesen Gerüchten nicht, ich
kann ihnen nicht glauben. Die Politik, um derentwillen man den König an¬
klagt, erscheint mir positiv unmöglich. — Wir nennen sie unnatürlich. — Ja.
Ich glaube, daß diese Gerüchte jeder Begründung entbehren. Werden doch auch
wir wegen Germanisirung, wegen der Erfolge der katholischen Propaganda an¬
gegriffen. Aber Sie werden natürlich selbst erkennen, daß das die reine Lüge
ist. — Verzeihen Ew. Hoheit, aber ich habe solche Anklagen gegen Bulgarien
nicht aussprechen hören. — Wie? Haben Sie denn nicht die „Ruß" des Herrn
Aksakoff gelesen? Dort wird versichert, daß man in den Straßen von Sofia
nur Deutsch reden höre, daß die Propaganda der Katholiken nicht gehindert
werde u. s. w. Ich versichere Ihnen, daß das alles nicht wahr ist. Es wundert
mich ungemein, daß die russische Presse so unwahren Nachrichten Raum giebt.
Ich bat Aksakoff, und ich bitte Sie — fragen Sie telegraphisch bei mir an
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