Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Der zweite Pariser Krach,

geben müßten, voraus. In einem anonym erschienenen, allerdings sachlich
vielfach unzulänglichen, hinsichtlich der sozialpolitischen Einsicht in finanzielle
Dinge aber vortrefflichen Buche jener Zeit^) heißt es wahrhaft prophetisch: "Wehe
aber allen frivolen und leichtsinnig betriebenen Spekulationen, wenn die eigent¬
lichen Wehen eintreten und ihnen die Nachwehen folgen,"

Dem Eisenbahnschwindel, dessen erste und zweite Krisis mit der politischen
Krisis von 1848 in nächster Verbindung standen, folgte der Bankenschwindel, dnrch
den die Unsicherheit des Eigentums ans die Spitze getrieben wurde. Hier waren
die Verhältnisse noch ärger als bei den Eisenbahnen, Bei letztern handelte es
sich doch immer noch um Einrichtungen produktiver Art, die nur durch den
frevelhaftesten Finanzschwindel eines Teiles dieser Produktivität beraubt wurden.
Bei den Banken handelt sichs aber lediglich um bloße Geldschöpfapparate, die
auf der einen Seite voll in das volle greifen und ans der andern einige Tropfen
des Überflusses in die durch sie geschaffene künstliche Leere tröpfeln lassen. Durch
sie wird eine wahrhaft peinliche Überreizung des finnnzwirtschaftlichen Zustandes
geschaffen. Die fast permanent gewordne "Geldklemme" ist ihr Werk, obgleich
sie sogar Scheingeld in Massen fabrizirt haben. Denn sie legten das wirkliche
Geld, in dem sich der Umschlag des ledigen Kapitals vollzieht, sest zur "Fun-
dativn" ihres Scheingeldes und ihrer spekulativen Manöver, während eben jenes
Scheingeld die Zahl der schwankenden Werte nur noch vergrößerte, also auch
die Schwankungen nur vermehrte und verschärfte. Alle Schwankungen wirt¬
schaftspolitischer Art sind Quellen von "Differenzen" und daher der Ilg-nec-liimnes
und den Börsenspielern überhaupt so nützlich, wie sie für die Sicherheit einer
stetigen Wirtschaftsgcstaltung und insbesondre für die Fundation eines weit¬
verzweigten Völkerwohlstandes gefährlich sind.

Durch die Banken schuf sich die UMtö-lmMLö Apparate der Agiotage,
deren ungeheuerliche Brauchbarkeit zu diesem Zwecke die Faiseurs immer besser
zu benutzen verstanden. Die erste Periode des Bankengründnngsschwindels 6n ^roh
bietet in dieser Hinsicht schon erstaunliches. Schon im Jahre 1856 berechnete
man die im Umlauf befindliche" Bankpapierc auf drei Milliarden. Der Schnitt
ins Fleisch des allgemeinen Wohlstandes, der dnrch sie gemacht wurde, wird
scharf genug angedeutet durch die Thatsache, daß die meisten dieser Papiere mit
mehr als fünfzig Prozent Agio ins Publikum geschleudert wurden, daß dann
plötzlich ein Krach eintrat und ein Sinken fast aller dieser Papiere bis auf
etwa fünfzig Prozent des Nominalwertes mit sich brachte.

Gleichwohl war der erste Bankkrach, der damit herbeigeführt wurde, noch
ein Kinderspiel gegen die Zustünde, welche die Schwindelperivde schuf, die sich zehn
Jahre später auf diesem Gebiete zu entwickeln begann. Nicht mir wurden die



*) Das Haus Rothschild. Prag, 1857.
Der zweite Pariser Krach,

geben müßten, voraus. In einem anonym erschienenen, allerdings sachlich
vielfach unzulänglichen, hinsichtlich der sozialpolitischen Einsicht in finanzielle
Dinge aber vortrefflichen Buche jener Zeit^) heißt es wahrhaft prophetisch: „Wehe
aber allen frivolen und leichtsinnig betriebenen Spekulationen, wenn die eigent¬
lichen Wehen eintreten und ihnen die Nachwehen folgen,"

Dem Eisenbahnschwindel, dessen erste und zweite Krisis mit der politischen
Krisis von 1848 in nächster Verbindung standen, folgte der Bankenschwindel, dnrch
den die Unsicherheit des Eigentums ans die Spitze getrieben wurde. Hier waren
die Verhältnisse noch ärger als bei den Eisenbahnen, Bei letztern handelte es
sich doch immer noch um Einrichtungen produktiver Art, die nur durch den
frevelhaftesten Finanzschwindel eines Teiles dieser Produktivität beraubt wurden.
Bei den Banken handelt sichs aber lediglich um bloße Geldschöpfapparate, die
auf der einen Seite voll in das volle greifen und ans der andern einige Tropfen
des Überflusses in die durch sie geschaffene künstliche Leere tröpfeln lassen. Durch
sie wird eine wahrhaft peinliche Überreizung des finnnzwirtschaftlichen Zustandes
geschaffen. Die fast permanent gewordne „Geldklemme" ist ihr Werk, obgleich
sie sogar Scheingeld in Massen fabrizirt haben. Denn sie legten das wirkliche
Geld, in dem sich der Umschlag des ledigen Kapitals vollzieht, sest zur „Fun-
dativn" ihres Scheingeldes und ihrer spekulativen Manöver, während eben jenes
Scheingeld die Zahl der schwankenden Werte nur noch vergrößerte, also auch
die Schwankungen nur vermehrte und verschärfte. Alle Schwankungen wirt¬
schaftspolitischer Art sind Quellen von „Differenzen" und daher der Ilg-nec-liimnes
und den Börsenspielern überhaupt so nützlich, wie sie für die Sicherheit einer
stetigen Wirtschaftsgcstaltung und insbesondre für die Fundation eines weit¬
verzweigten Völkerwohlstandes gefährlich sind.

Durch die Banken schuf sich die UMtö-lmMLö Apparate der Agiotage,
deren ungeheuerliche Brauchbarkeit zu diesem Zwecke die Faiseurs immer besser
zu benutzen verstanden. Die erste Periode des Bankengründnngsschwindels 6n ^roh
bietet in dieser Hinsicht schon erstaunliches. Schon im Jahre 1856 berechnete
man die im Umlauf befindliche» Bankpapierc auf drei Milliarden. Der Schnitt
ins Fleisch des allgemeinen Wohlstandes, der dnrch sie gemacht wurde, wird
scharf genug angedeutet durch die Thatsache, daß die meisten dieser Papiere mit
mehr als fünfzig Prozent Agio ins Publikum geschleudert wurden, daß dann
plötzlich ein Krach eintrat und ein Sinken fast aller dieser Papiere bis auf
etwa fünfzig Prozent des Nominalwertes mit sich brachte.

Gleichwohl war der erste Bankkrach, der damit herbeigeführt wurde, noch
ein Kinderspiel gegen die Zustünde, welche die Schwindelperivde schuf, die sich zehn
Jahre später auf diesem Gebiete zu entwickeln begann. Nicht mir wurden die



*) Das Haus Rothschild. Prag, 1857.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0304" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151918"/>
          <fw type="header" place="top"> Der zweite Pariser Krach,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1005" prev="#ID_1004"> geben müßten, voraus. In einem anonym erschienenen, allerdings sachlich<lb/>
vielfach unzulänglichen, hinsichtlich der sozialpolitischen Einsicht in finanzielle<lb/>
Dinge aber vortrefflichen Buche jener Zeit^) heißt es wahrhaft prophetisch: &#x201E;Wehe<lb/>
aber allen frivolen und leichtsinnig betriebenen Spekulationen, wenn die eigent¬<lb/>
lichen Wehen eintreten und ihnen die Nachwehen folgen,"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1006"> Dem Eisenbahnschwindel, dessen erste und zweite Krisis mit der politischen<lb/>
Krisis von 1848 in nächster Verbindung standen, folgte der Bankenschwindel, dnrch<lb/>
den die Unsicherheit des Eigentums ans die Spitze getrieben wurde. Hier waren<lb/>
die Verhältnisse noch ärger als bei den Eisenbahnen, Bei letztern handelte es<lb/>
sich doch immer noch um Einrichtungen produktiver Art, die nur durch den<lb/>
frevelhaftesten Finanzschwindel eines Teiles dieser Produktivität beraubt wurden.<lb/>
Bei den Banken handelt sichs aber lediglich um bloße Geldschöpfapparate, die<lb/>
auf der einen Seite voll in das volle greifen und ans der andern einige Tropfen<lb/>
des Überflusses in die durch sie geschaffene künstliche Leere tröpfeln lassen. Durch<lb/>
sie wird eine wahrhaft peinliche Überreizung des finnnzwirtschaftlichen Zustandes<lb/>
geschaffen. Die fast permanent gewordne &#x201E;Geldklemme" ist ihr Werk, obgleich<lb/>
sie sogar Scheingeld in Massen fabrizirt haben. Denn sie legten das wirkliche<lb/>
Geld, in dem sich der Umschlag des ledigen Kapitals vollzieht, sest zur &#x201E;Fun-<lb/>
dativn" ihres Scheingeldes und ihrer spekulativen Manöver, während eben jenes<lb/>
Scheingeld die Zahl der schwankenden Werte nur noch vergrößerte, also auch<lb/>
die Schwankungen nur vermehrte und verschärfte. Alle Schwankungen wirt¬<lb/>
schaftspolitischer Art sind Quellen von &#x201E;Differenzen" und daher der Ilg-nec-liimnes<lb/>
und den Börsenspielern überhaupt so nützlich, wie sie für die Sicherheit einer<lb/>
stetigen Wirtschaftsgcstaltung und insbesondre für die Fundation eines weit¬<lb/>
verzweigten Völkerwohlstandes gefährlich sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1007"> Durch die Banken schuf sich die UMtö-lmMLö Apparate der Agiotage,<lb/>
deren ungeheuerliche Brauchbarkeit zu diesem Zwecke die Faiseurs immer besser<lb/>
zu benutzen verstanden. Die erste Periode des Bankengründnngsschwindels 6n ^roh<lb/>
bietet in dieser Hinsicht schon erstaunliches. Schon im Jahre 1856 berechnete<lb/>
man die im Umlauf befindliche» Bankpapierc auf drei Milliarden. Der Schnitt<lb/>
ins Fleisch des allgemeinen Wohlstandes, der dnrch sie gemacht wurde, wird<lb/>
scharf genug angedeutet durch die Thatsache, daß die meisten dieser Papiere mit<lb/>
mehr als fünfzig Prozent Agio ins Publikum geschleudert wurden, daß dann<lb/>
plötzlich ein Krach eintrat und ein Sinken fast aller dieser Papiere bis auf<lb/>
etwa fünfzig Prozent des Nominalwertes mit sich brachte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1008" next="#ID_1009"> Gleichwohl war der erste Bankkrach, der damit herbeigeführt wurde, noch<lb/>
ein Kinderspiel gegen die Zustünde, welche die Schwindelperivde schuf, die sich zehn<lb/>
Jahre später auf diesem Gebiete zu entwickeln begann. Nicht mir wurden die</p><lb/>
          <note xml:id="FID_40" place="foot"> *) Das Haus Rothschild. Prag, 1857.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0304] Der zweite Pariser Krach, geben müßten, voraus. In einem anonym erschienenen, allerdings sachlich vielfach unzulänglichen, hinsichtlich der sozialpolitischen Einsicht in finanzielle Dinge aber vortrefflichen Buche jener Zeit^) heißt es wahrhaft prophetisch: „Wehe aber allen frivolen und leichtsinnig betriebenen Spekulationen, wenn die eigent¬ lichen Wehen eintreten und ihnen die Nachwehen folgen," Dem Eisenbahnschwindel, dessen erste und zweite Krisis mit der politischen Krisis von 1848 in nächster Verbindung standen, folgte der Bankenschwindel, dnrch den die Unsicherheit des Eigentums ans die Spitze getrieben wurde. Hier waren die Verhältnisse noch ärger als bei den Eisenbahnen, Bei letztern handelte es sich doch immer noch um Einrichtungen produktiver Art, die nur durch den frevelhaftesten Finanzschwindel eines Teiles dieser Produktivität beraubt wurden. Bei den Banken handelt sichs aber lediglich um bloße Geldschöpfapparate, die auf der einen Seite voll in das volle greifen und ans der andern einige Tropfen des Überflusses in die durch sie geschaffene künstliche Leere tröpfeln lassen. Durch sie wird eine wahrhaft peinliche Überreizung des finnnzwirtschaftlichen Zustandes geschaffen. Die fast permanent gewordne „Geldklemme" ist ihr Werk, obgleich sie sogar Scheingeld in Massen fabrizirt haben. Denn sie legten das wirkliche Geld, in dem sich der Umschlag des ledigen Kapitals vollzieht, sest zur „Fun- dativn" ihres Scheingeldes und ihrer spekulativen Manöver, während eben jenes Scheingeld die Zahl der schwankenden Werte nur noch vergrößerte, also auch die Schwankungen nur vermehrte und verschärfte. Alle Schwankungen wirt¬ schaftspolitischer Art sind Quellen von „Differenzen" und daher der Ilg-nec-liimnes und den Börsenspielern überhaupt so nützlich, wie sie für die Sicherheit einer stetigen Wirtschaftsgcstaltung und insbesondre für die Fundation eines weit¬ verzweigten Völkerwohlstandes gefährlich sind. Durch die Banken schuf sich die UMtö-lmMLö Apparate der Agiotage, deren ungeheuerliche Brauchbarkeit zu diesem Zwecke die Faiseurs immer besser zu benutzen verstanden. Die erste Periode des Bankengründnngsschwindels 6n ^roh bietet in dieser Hinsicht schon erstaunliches. Schon im Jahre 1856 berechnete man die im Umlauf befindliche» Bankpapierc auf drei Milliarden. Der Schnitt ins Fleisch des allgemeinen Wohlstandes, der dnrch sie gemacht wurde, wird scharf genug angedeutet durch die Thatsache, daß die meisten dieser Papiere mit mehr als fünfzig Prozent Agio ins Publikum geschleudert wurden, daß dann plötzlich ein Krach eintrat und ein Sinken fast aller dieser Papiere bis auf etwa fünfzig Prozent des Nominalwertes mit sich brachte. Gleichwohl war der erste Bankkrach, der damit herbeigeführt wurde, noch ein Kinderspiel gegen die Zustünde, welche die Schwindelperivde schuf, die sich zehn Jahre später auf diesem Gebiete zu entwickeln begann. Nicht mir wurden die *) Das Haus Rothschild. Prag, 1857.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/304
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/304>, abgerufen am 23.07.2024.