Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.Der zweite pariser Krach. Vertretung der Journale nicht weniger als eine halbe Million Franks verlangt In früherer Zeit und bei Beginn der Korrnptiousbewegung war man Es liegt auf der Hemd, welche Wirkungen durch dieses ziemlich einfache Denn der Weg zur Hölle ist bekanntlich nicht nur mit guten Vorsätzen, Der zweite pariser Krach. Vertretung der Journale nicht weniger als eine halbe Million Franks verlangt In früherer Zeit und bei Beginn der Korrnptiousbewegung war man Es liegt auf der Hemd, welche Wirkungen durch dieses ziemlich einfache Denn der Weg zur Hölle ist bekanntlich nicht nur mit guten Vorsätzen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0301" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151912"/> <fw type="header" place="top"> Der zweite pariser Krach.</fw><lb/> <p xml:id="ID_996" prev="#ID_995"> Vertretung der Journale nicht weniger als eine halbe Million Franks verlangt<lb/> worden lediglich für die Aufgabe, die neue „Anleihe" dem Publikum heraus¬<lb/> zustreichen, man sich wohl allgemein über die „Unverschämtheit" der Forderung<lb/> Minderte, aber für den schmachvollen Charakter des ganzen Handels niemand<lb/> Gefühl zu haben schien.</p><lb/> <p xml:id="ID_997"> In früherer Zeit und bei Beginn der Korrnptiousbewegung war man<lb/> etwas „delikater." Da hätte selbst Rothschild nicht gewagt, irgend einem, den<lb/> er gewinnen wollte, eine nackte Summe anzubieten. Man machte dies feiner<lb/> dnrch Bcteilung am Gewinn des Unternehmens. Man „interessirte" den König,<lb/> Minister, Pairs, Kammermitglicder und Publizisten für die fraglichen Unter¬<lb/> nehmen, indem man ihnen einen gewissen Kvusortialanteil am Unternehmen zum<lb/> Überncchmcknrs oder wenigstens einen Aktienanteil zum Subskriptiousknrs zu¬<lb/> schrieb und weder Einzahlung noch Abnahme der Stücke von ihnen verlangte,<lb/> vielmehr die fraglichen Stücke ans Rechnung der Bedenken in der Agiotage um¬<lb/> schlug und ihnen bloß die Differenz gntbrachte und aufzählte.</p><lb/> <p xml:id="ID_998"> Es liegt auf der Hemd, welche Wirkungen durch dieses ziemlich einfache<lb/> Taschenspielermittel in einer Welt, wo Reichtum alles zu sein begann, erreicht<lb/> werden mußten. Selbst die „empfindliche Ehrenhaftigkeit" täuschte sich darüber<lb/> hinweg, daß es makelhaft sein könnte, eine derartige „Beteilnng" anzunehmen.<lb/> Man täuschte sich darüber hinweg durch die Selbstvorspiegelnng, daß man ja<lb/> selbst überzeugt sei vou der Vortrefflichkeit des Projekts, dem seiue guten Dienste<lb/> zu widmen man „interessirt" worden war. Man würde jn sehr gern die<lb/> Anteile, die man zugeteilt empfing, selbst thatsächlich übernehmen, machte man<lb/> sich weiß, wenn es nötig wäre, wenn nicht allzuviele sich um dieselben bewerben<lb/> würden; mau that ja den guten Leuten wirklich einen Gefallen, wenn man ihnen<lb/> die Einzahlung überließ und sich selbst mit dem Empfang des Gewinnes be¬<lb/> gnügte. Daß aber das „Interesse" am Gewinn etwa das Urteil und die Ab¬<lb/> stimmung in der Kammer oder die Haltung in deu Spalten des Journals be¬<lb/> einflussen könne, das wies man weit von sich, wo man sich ja von vornherein<lb/> klar gemacht hatte, daß man nur seiner Überzeugung folge, wenn man dem „ge¬<lb/> weckten Interesse" ein klein wenig Rechnung trage.</p><lb/> <p xml:id="ID_999" next="#ID_1000"> Denn der Weg zur Hölle ist bekanntlich nicht nur mit guten Vorsätzen,<lb/> sondern mehr »och mit bester Gesinnung gepflastert, und die „ehrlichen Leute"<lb/> sind nicht nur in Frankreich zu einer ganz besondern Kaste angewachsen, zu<lb/> einer Kaste, deren nähere Definition zu geben sich ein ganzes Heer von Roman¬<lb/> schreibern bisher vergebens bemüht hat. Darauf, daß zwischen der Vortreff¬<lb/> lichkeit einer Sache an sich und der Vortrefflichkeit der Durchführung ein Ab¬<lb/> grund der Niederträchtigkeit gähnen kann, darauf brauchte man bei der sophi¬<lb/> stischen Beschwichtigung des Gewissens, wenn eine solche nötig war, nicht zu<lb/> kommen, und die Differenz zwischen Differenz und Spekulation brauchte ein<lb/> simples Kammermitglied oder ein abgesetzter Publizist, dessen Beruf es war,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0301]
Der zweite pariser Krach.
Vertretung der Journale nicht weniger als eine halbe Million Franks verlangt
worden lediglich für die Aufgabe, die neue „Anleihe" dem Publikum heraus¬
zustreichen, man sich wohl allgemein über die „Unverschämtheit" der Forderung
Minderte, aber für den schmachvollen Charakter des ganzen Handels niemand
Gefühl zu haben schien.
In früherer Zeit und bei Beginn der Korrnptiousbewegung war man
etwas „delikater." Da hätte selbst Rothschild nicht gewagt, irgend einem, den
er gewinnen wollte, eine nackte Summe anzubieten. Man machte dies feiner
dnrch Bcteilung am Gewinn des Unternehmens. Man „interessirte" den König,
Minister, Pairs, Kammermitglicder und Publizisten für die fraglichen Unter¬
nehmen, indem man ihnen einen gewissen Kvusortialanteil am Unternehmen zum
Überncchmcknrs oder wenigstens einen Aktienanteil zum Subskriptiousknrs zu¬
schrieb und weder Einzahlung noch Abnahme der Stücke von ihnen verlangte,
vielmehr die fraglichen Stücke ans Rechnung der Bedenken in der Agiotage um¬
schlug und ihnen bloß die Differenz gntbrachte und aufzählte.
Es liegt auf der Hemd, welche Wirkungen durch dieses ziemlich einfache
Taschenspielermittel in einer Welt, wo Reichtum alles zu sein begann, erreicht
werden mußten. Selbst die „empfindliche Ehrenhaftigkeit" täuschte sich darüber
hinweg, daß es makelhaft sein könnte, eine derartige „Beteilnng" anzunehmen.
Man täuschte sich darüber hinweg durch die Selbstvorspiegelnng, daß man ja
selbst überzeugt sei vou der Vortrefflichkeit des Projekts, dem seiue guten Dienste
zu widmen man „interessirt" worden war. Man würde jn sehr gern die
Anteile, die man zugeteilt empfing, selbst thatsächlich übernehmen, machte man
sich weiß, wenn es nötig wäre, wenn nicht allzuviele sich um dieselben bewerben
würden; mau that ja den guten Leuten wirklich einen Gefallen, wenn man ihnen
die Einzahlung überließ und sich selbst mit dem Empfang des Gewinnes be¬
gnügte. Daß aber das „Interesse" am Gewinn etwa das Urteil und die Ab¬
stimmung in der Kammer oder die Haltung in deu Spalten des Journals be¬
einflussen könne, das wies man weit von sich, wo man sich ja von vornherein
klar gemacht hatte, daß man nur seiner Überzeugung folge, wenn man dem „ge¬
weckten Interesse" ein klein wenig Rechnung trage.
Denn der Weg zur Hölle ist bekanntlich nicht nur mit guten Vorsätzen,
sondern mehr »och mit bester Gesinnung gepflastert, und die „ehrlichen Leute"
sind nicht nur in Frankreich zu einer ganz besondern Kaste angewachsen, zu
einer Kaste, deren nähere Definition zu geben sich ein ganzes Heer von Roman¬
schreibern bisher vergebens bemüht hat. Darauf, daß zwischen der Vortreff¬
lichkeit einer Sache an sich und der Vortrefflichkeit der Durchführung ein Ab¬
grund der Niederträchtigkeit gähnen kann, darauf brauchte man bei der sophi¬
stischen Beschwichtigung des Gewissens, wenn eine solche nötig war, nicht zu
kommen, und die Differenz zwischen Differenz und Spekulation brauchte ein
simples Kammermitglied oder ein abgesetzter Publizist, dessen Beruf es war,
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