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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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vor einiger Zeit erzählt haben, und der, weit mehr in: englischen als im fran¬
zösischen Interesse abgeschlossen und nach seinem Ablaufe uicht wieder er¬
neuert, erst eines der Bindemittel der beiden Völker war und dann zum ersten
Anlaß wurde, sie einander bis zu einem gewissen Grade zu entfremde". Auch
die Klage, daß die französischen Interessen jenseits der Meere fast überall von
England bedroht seien, wobei auf Ägypten, Tonkin, Madagaskar und das Kongv-
laud hingewiesen wird, ist nicht ganz ohne Grund, wenn anch Frankreich hier,
wo die Wettbewerbung ja frei ist, selbst die Schuld trägt, wenn es mit seine"
Kolonien uoch uicht besser steht. Ganz richtig aber scheint nus, obwohl es
allen andern Staaten, die sich dem Freihandelsprinzipe zuwendeten, ebenso ging,
der Satz: "Wo Frankreich sich auch ein Feld für seine Handelsthätigkeit er¬
öffnete, überall trat ihm England, welches ein allgemeines Monopol erstrebt,
mit offner oder geheimer Feindseligkeit entgegen." Daraufhin verlangt die Liga:
Aufrechterhaltung des Statusquo in Ägypten, energische Verteidigung der fran¬
zösischen Interessen in den obengenannten afrikanischen und ostasiatischen Län¬
dern, Schöpfung einer vom Staate subventionirten Handelsflotte, deren Schiffe
sich nach Bedürfnis in Kreuzer verwandeln könnten, Differenzialhafenzölle und
eine Abänderung der Klauseln des Pariser Vertrages, welche die Ladung neu¬
traler Fahrzeuge vor der Wegnahme sicher stellen und die Ausgabe von Kaper¬
briefen verbieten -- Klausel", denen bekanntlich die Vereinigten Staaten von
Amerika ihren Beitritt versagt haben.

Wir betrachten von diesen Forderungen nur die eine, ans welche die fran¬
zösische Regierung in gewisser Beschränkung eingehen wird, und auf welche sie
zum Teil, wenn auch bis jetzt nicht in großem Stile, bereits eingegangen ist,
die Ausdehnung des überseeischen französischen Besitzes und die Entwicklung des¬
selben zu Kolonien, wobei wir vorzüglich aus englischen Quellen und nament¬
lich ans einer Übersicht über die Kolonialpolitik Frankreichs schöpfen, die sich
vor einigen Wochen im van^ lölöAmxn fand.

Wir haben schon einmal kurz darauf hingewiesen, daß in der letzten Hälfte
des vorigen Jahres unter den französischen Politikern das schon vor einigen
Jahren wiedererwachte Streben nach Gründung neuer überseeischer Niederlassungen
und besondrer Lebhaftigkeit hervorgetreten ist. Wir sagten, wiedererwacht; denn
dieselbe Bewegung hat sich in den letzten zweihundert Jahren von Zeit zu Zeit
nicht minder energisch geregt, und zwar kann man die Erscheinung nicht gerade
sehr auffallend nennen, wenn man bedenkt, daß in den Adern der Franzosen
neben gallischem Blute auch nord- und südgermanisches strömt, die Engländer,
Deutschen und Skandinavier aber vor allen andern Völkern den Trieb besitzen,
sich über das Meer auszudehnen, und das Geschick, Kolonien zu gründen. Das
Wiedererwachen jenes Triebes unter den Franzosen bezeichnet einen Wendepunkt
in der Geschichte ihrer dritten Republik, die nunmehr eine unternehmungslustige
Kolonialpolitik wieder aufnimmt, welche in gleicher Weise von der Regierung der


vor einiger Zeit erzählt haben, und der, weit mehr in: englischen als im fran¬
zösischen Interesse abgeschlossen und nach seinem Ablaufe uicht wieder er¬
neuert, erst eines der Bindemittel der beiden Völker war und dann zum ersten
Anlaß wurde, sie einander bis zu einem gewissen Grade zu entfremde». Auch
die Klage, daß die französischen Interessen jenseits der Meere fast überall von
England bedroht seien, wobei auf Ägypten, Tonkin, Madagaskar und das Kongv-
laud hingewiesen wird, ist nicht ganz ohne Grund, wenn anch Frankreich hier,
wo die Wettbewerbung ja frei ist, selbst die Schuld trägt, wenn es mit seine»
Kolonien uoch uicht besser steht. Ganz richtig aber scheint nus, obwohl es
allen andern Staaten, die sich dem Freihandelsprinzipe zuwendeten, ebenso ging,
der Satz: „Wo Frankreich sich auch ein Feld für seine Handelsthätigkeit er¬
öffnete, überall trat ihm England, welches ein allgemeines Monopol erstrebt,
mit offner oder geheimer Feindseligkeit entgegen." Daraufhin verlangt die Liga:
Aufrechterhaltung des Statusquo in Ägypten, energische Verteidigung der fran¬
zösischen Interessen in den obengenannten afrikanischen und ostasiatischen Län¬
dern, Schöpfung einer vom Staate subventionirten Handelsflotte, deren Schiffe
sich nach Bedürfnis in Kreuzer verwandeln könnten, Differenzialhafenzölle und
eine Abänderung der Klauseln des Pariser Vertrages, welche die Ladung neu¬
traler Fahrzeuge vor der Wegnahme sicher stellen und die Ausgabe von Kaper¬
briefen verbieten — Klausel», denen bekanntlich die Vereinigten Staaten von
Amerika ihren Beitritt versagt haben.

Wir betrachten von diesen Forderungen nur die eine, ans welche die fran¬
zösische Regierung in gewisser Beschränkung eingehen wird, und auf welche sie
zum Teil, wenn auch bis jetzt nicht in großem Stile, bereits eingegangen ist,
die Ausdehnung des überseeischen französischen Besitzes und die Entwicklung des¬
selben zu Kolonien, wobei wir vorzüglich aus englischen Quellen und nament¬
lich ans einer Übersicht über die Kolonialpolitik Frankreichs schöpfen, die sich
vor einigen Wochen im van^ lölöAmxn fand.

Wir haben schon einmal kurz darauf hingewiesen, daß in der letzten Hälfte
des vorigen Jahres unter den französischen Politikern das schon vor einigen
Jahren wiedererwachte Streben nach Gründung neuer überseeischer Niederlassungen
und besondrer Lebhaftigkeit hervorgetreten ist. Wir sagten, wiedererwacht; denn
dieselbe Bewegung hat sich in den letzten zweihundert Jahren von Zeit zu Zeit
nicht minder energisch geregt, und zwar kann man die Erscheinung nicht gerade
sehr auffallend nennen, wenn man bedenkt, daß in den Adern der Franzosen
neben gallischem Blute auch nord- und südgermanisches strömt, die Engländer,
Deutschen und Skandinavier aber vor allen andern Völkern den Trieb besitzen,
sich über das Meer auszudehnen, und das Geschick, Kolonien zu gründen. Das
Wiedererwachen jenes Triebes unter den Franzosen bezeichnet einen Wendepunkt
in der Geschichte ihrer dritten Republik, die nunmehr eine unternehmungslustige
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/290>, abgerufen am 23.07.2024.