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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt,

gefallen waren. Es war ein Raum, worin gediegene Esser behaglich ihre Arme
aufstützen mochten und wo ein Mann seine fünfte oder sechste Flasche noch mit
Ruhe zu schlürfen ermutigt wurde.

Ein dralles Banermädchen mit rundem Gesicht, das vom Küchenfeuer und
dem zur Verschönerung fleißig gebrauchten fettigen Wischtuch glühte und glänzte,
trug einen Korb voll großer, schwarzer Flaschen herbei, den sie neben dem Stuhle
des Hausherrn niedersetzte, und gleich darauf trat auch dieser selbst herein, ein
großer Manu mit weißem Bart und breitem, freundlichem Gesicht, in grauer
Joppe und mit sporeullirrendeu Stulpenstiefeln,

Herr Rudolf Schmidt setzte mit geteilten Gefühlen seine Füße unter den
Tisch seines Oheims, Er kam nicht oft aufs Laud hinaus, und nicht Mangel
an Zeit allein war es, was ihn fernhielt. Es bäumte sich in ihm etwas auf
gegen das im Boden festwurzelnde Wesen seiner Verwandten, die in starrer
Anhänglichkeit an die Herrschaft im Schlosse sich gegen das Wehen des Zeit¬
geistes ebenso trotzig verhielten, wie die dort draußen ihre starken Äste aus¬
streckenden Eichen gegen das Wehen des Windes. Aber wenn er die gutherzigen
Mienen der alte" Leute betrachtete, und wie er nun so die weißgedeckte Tafel
überschaute, in deren Mitte eine gewaltige Wildpastete, von einem ganzen
Schinken und einem dampfenden Rinderbraten flankirt, paradirte, da schmolz
sein Herz, und seine von Kapitalbildung erfüllte Seele ahnte den Segen der
festliegenden Scholle.

Ein ganz ungemein vollkommen ausgebildetes Rindvieh gedeiht hier bei
euch, sagte er sinnend, indem er zusah, wie die glänzende Klinge in des In¬
spektors Hand, tief eindringend, mächtige blutrote Scheiben aus dem Braten löste.

Das wird auch nicht mit Aktien vou Gewerbebaukeu gefüttert, erwiederte
der Inspektor schmunzelnd und mit pfiffigem Blick. Dann öffnete er die erste
der schwarzen Flaschen und füllte die Gläser mit dem perlenden dunkeln Bier,
welches in Eichhauscn selber gebraut wurde.

Rudolfs Widerspruchsgeist, schon im Begriff, eingeschläfert zu werden, er¬
wachte von neuem. So seid ihr nun, sagte er, indem er sein Glas gegen das
Licht hielt, Vieh könnt ihr mästen und Bier könnt ihr brauen, aber das könnt
ihr nicht einsehen, daß erst die gesellschaftliche Vereinigung rechten Nutzen aus
den Produkten des Landes zu ziehen vermag. Da seht dies Bier, es ist wahr¬
haftig besser als das bairische, das ich in Holzfurt mit zwanzig Pfennigen das
halbe Liter bezahlen muß. Gesetzt nun, ihr vergrößertet eure Brauerei auf
Kosten einer Gesellschaft und brächtet das Bier in den Handel, glaubt ihr, es
würde schlechter dadurch, daß die Aktien auf zweihundert stiegen? Wenn ihr
das so einrichtetet, wie ich es euch zeigen würde, so striche euer alter Baron
auf einem Brett soviel für die Brauerei ein, wie ihm die ganze Herrschaft in
einem Jahre einträgt, und du, Onkel, würdest Direktor mit einem Gehalt von
viertausend Thalern.


Die Grafen von Altenschwerdt,

gefallen waren. Es war ein Raum, worin gediegene Esser behaglich ihre Arme
aufstützen mochten und wo ein Mann seine fünfte oder sechste Flasche noch mit
Ruhe zu schlürfen ermutigt wurde.

Ein dralles Banermädchen mit rundem Gesicht, das vom Küchenfeuer und
dem zur Verschönerung fleißig gebrauchten fettigen Wischtuch glühte und glänzte,
trug einen Korb voll großer, schwarzer Flaschen herbei, den sie neben dem Stuhle
des Hausherrn niedersetzte, und gleich darauf trat auch dieser selbst herein, ein
großer Manu mit weißem Bart und breitem, freundlichem Gesicht, in grauer
Joppe und mit sporeullirrendeu Stulpenstiefeln,

Herr Rudolf Schmidt setzte mit geteilten Gefühlen seine Füße unter den
Tisch seines Oheims, Er kam nicht oft aufs Laud hinaus, und nicht Mangel
an Zeit allein war es, was ihn fernhielt. Es bäumte sich in ihm etwas auf
gegen das im Boden festwurzelnde Wesen seiner Verwandten, die in starrer
Anhänglichkeit an die Herrschaft im Schlosse sich gegen das Wehen des Zeit¬
geistes ebenso trotzig verhielten, wie die dort draußen ihre starken Äste aus¬
streckenden Eichen gegen das Wehen des Windes. Aber wenn er die gutherzigen
Mienen der alte» Leute betrachtete, und wie er nun so die weißgedeckte Tafel
überschaute, in deren Mitte eine gewaltige Wildpastete, von einem ganzen
Schinken und einem dampfenden Rinderbraten flankirt, paradirte, da schmolz
sein Herz, und seine von Kapitalbildung erfüllte Seele ahnte den Segen der
festliegenden Scholle.

Ein ganz ungemein vollkommen ausgebildetes Rindvieh gedeiht hier bei
euch, sagte er sinnend, indem er zusah, wie die glänzende Klinge in des In¬
spektors Hand, tief eindringend, mächtige blutrote Scheiben aus dem Braten löste.

Das wird auch nicht mit Aktien vou Gewerbebaukeu gefüttert, erwiederte
der Inspektor schmunzelnd und mit pfiffigem Blick. Dann öffnete er die erste
der schwarzen Flaschen und füllte die Gläser mit dem perlenden dunkeln Bier,
welches in Eichhauscn selber gebraut wurde.

Rudolfs Widerspruchsgeist, schon im Begriff, eingeschläfert zu werden, er¬
wachte von neuem. So seid ihr nun, sagte er, indem er sein Glas gegen das
Licht hielt, Vieh könnt ihr mästen und Bier könnt ihr brauen, aber das könnt
ihr nicht einsehen, daß erst die gesellschaftliche Vereinigung rechten Nutzen aus
den Produkten des Landes zu ziehen vermag. Da seht dies Bier, es ist wahr¬
haftig besser als das bairische, das ich in Holzfurt mit zwanzig Pfennigen das
halbe Liter bezahlen muß. Gesetzt nun, ihr vergrößertet eure Brauerei auf
Kosten einer Gesellschaft und brächtet das Bier in den Handel, glaubt ihr, es
würde schlechter dadurch, daß die Aktien auf zweihundert stiegen? Wenn ihr
das so einrichtetet, wie ich es euch zeigen würde, so striche euer alter Baron
auf einem Brett soviel für die Brauerei ein, wie ihm die ganze Herrschaft in
einem Jahre einträgt, und du, Onkel, würdest Direktor mit einem Gehalt von
viertausend Thalern.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/284>, abgerufen am 23.07.2024.