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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

die sich darauf so verstehen wie ich. Und deshalb sind meine Projekte ge¬
sund, Sie schwimmen mit der Zeitströmung, deshalb müssen sie Erfolg haben.
Sei ein vernünftiges Mädchen, Millieent, thu mir den Gefallen und komme zu
mir nach Holzfurt, Ich werde für dich sorge", und ich werde dir eine glänzende
Partie auswählen, Ich weiß schon jemand, der für dich Paßte, einen sehr
ansehnlichen hübschen Mann, auch gebildet, einen Juristen, den ich zum Beirat
bei meinen Unternehmungen machen will. Ich statte dich reichlich aus, und
für ein gutes Einkommen für dich und deinen Mann will ich schon sorgen. Er
soll den Titel Direktor und einen Gehalt von zwanzigtausend Mark, dazu noch
Tantieme haben. Laß den Gärtner laufen, Millieent. Heiraten und versorgt
sein ist besser. Ich habe nicht den geringsten Begriff davon, wie es überhaupt
möglich ist, daß man sich liebt um nichts und wieder nichts, und ich ärgere
mich, wenn ich nur daran denke, daß ein vernünftiges Mädchen wie du solche
Albernheiten mitmacht.

Einen Beirat willst dn nehmen? fragte Millieent mit leichtem Tone und
in der Absicht, die Unterhaltung von diesen: ihr fatalen Punkte abzulenken. Wozu
brauchst du denn nur einen Beirat, da dn doch selbst so klug bist?

Das will ich dir sagen. Alle Banken haben gern einen gelernten Juristen
in der Direktion, damit sie nicht in Kollision mit den Gesetzen kommen.

Wie sollen sie denn mit den Gesetzen in Kollision kommen?

Ja, das hängt damit zusammen, daß sie Geschäfte machen, kaufmännische
Geschäfte, Geldoperationen und so weiter, und daß man sich in Acht nehmen
muß, dabei innerhalb der gesetzlichen Schranken zu bleiben.

Ich sollte meinen, wenn man nur immer ehrliche Geschäfte triebe, wäre
keine Gefahr vorhanden, die gesetzlichen Schranken zu überschreiten.

Das verstehst du nicht, Millieent, die Sache liegt tiefer. Von Ehrlich¬
keit oder Unehrlichkeit ist garnicht die Rede, Jedes Geschäft besteht einfach
darin, daß ich möglichst billig einlaufe und möglichst teuer verkaufe. Die Grenze
aber zwischen dem Geschäft, bei welchem das Gesetz verletzt wird, und dem Ge¬
schäft, bei welchem es nicht verletzt wird, ist oft nur für einen erfahrenen Ju¬
risten zu erkennen, und selbst für ihn nicht in jedem Falle.

Millieent schüttelte den Kopf, Das scheinen mir doch unsaubere Geschäfte
zu sein, von denen du sprichst, und ich will nicht hoffen, daß dn auch der¬
gleichen treibst.

Ihr Bruder lachte. Du bist gerade so naiv, sagte er, wie mein unglück¬
licher Redakteur, der Dr. Glock, Der meinte neulich auch, es wäre Betrug,
wenn ich eine Waare, welche zehn Thaler wert ist, unter dem Vorgeben, sie
sei zwanzig wert, an den Mann brächte.

Das scheint mir allerdings auch Betrug zu sein, sagte Millieent.

Ja, dir. Dir und dem or. Glock, sagte ihr Bruder. Wenn ihr beiden
Recht hättet, so hätten die Gerichte viel zu thun. Die Sache ist aber nicht so,


Grenzbote" I- 1S8S. den
Die Grafen von Altenschwerdt.

die sich darauf so verstehen wie ich. Und deshalb sind meine Projekte ge¬
sund, Sie schwimmen mit der Zeitströmung, deshalb müssen sie Erfolg haben.
Sei ein vernünftiges Mädchen, Millieent, thu mir den Gefallen und komme zu
mir nach Holzfurt, Ich werde für dich sorge», und ich werde dir eine glänzende
Partie auswählen, Ich weiß schon jemand, der für dich Paßte, einen sehr
ansehnlichen hübschen Mann, auch gebildet, einen Juristen, den ich zum Beirat
bei meinen Unternehmungen machen will. Ich statte dich reichlich aus, und
für ein gutes Einkommen für dich und deinen Mann will ich schon sorgen. Er
soll den Titel Direktor und einen Gehalt von zwanzigtausend Mark, dazu noch
Tantieme haben. Laß den Gärtner laufen, Millieent. Heiraten und versorgt
sein ist besser. Ich habe nicht den geringsten Begriff davon, wie es überhaupt
möglich ist, daß man sich liebt um nichts und wieder nichts, und ich ärgere
mich, wenn ich nur daran denke, daß ein vernünftiges Mädchen wie du solche
Albernheiten mitmacht.

Einen Beirat willst dn nehmen? fragte Millieent mit leichtem Tone und
in der Absicht, die Unterhaltung von diesen: ihr fatalen Punkte abzulenken. Wozu
brauchst du denn nur einen Beirat, da dn doch selbst so klug bist?

Das will ich dir sagen. Alle Banken haben gern einen gelernten Juristen
in der Direktion, damit sie nicht in Kollision mit den Gesetzen kommen.

Wie sollen sie denn mit den Gesetzen in Kollision kommen?

Ja, das hängt damit zusammen, daß sie Geschäfte machen, kaufmännische
Geschäfte, Geldoperationen und so weiter, und daß man sich in Acht nehmen
muß, dabei innerhalb der gesetzlichen Schranken zu bleiben.

Ich sollte meinen, wenn man nur immer ehrliche Geschäfte triebe, wäre
keine Gefahr vorhanden, die gesetzlichen Schranken zu überschreiten.

Das verstehst du nicht, Millieent, die Sache liegt tiefer. Von Ehrlich¬
keit oder Unehrlichkeit ist garnicht die Rede, Jedes Geschäft besteht einfach
darin, daß ich möglichst billig einlaufe und möglichst teuer verkaufe. Die Grenze
aber zwischen dem Geschäft, bei welchem das Gesetz verletzt wird, und dem Ge¬
schäft, bei welchem es nicht verletzt wird, ist oft nur für einen erfahrenen Ju¬
risten zu erkennen, und selbst für ihn nicht in jedem Falle.

Millieent schüttelte den Kopf, Das scheinen mir doch unsaubere Geschäfte
zu sein, von denen du sprichst, und ich will nicht hoffen, daß dn auch der¬
gleichen treibst.

Ihr Bruder lachte. Du bist gerade so naiv, sagte er, wie mein unglück¬
licher Redakteur, der Dr. Glock, Der meinte neulich auch, es wäre Betrug,
wenn ich eine Waare, welche zehn Thaler wert ist, unter dem Vorgeben, sie
sei zwanzig wert, an den Mann brächte.

Das scheint mir allerdings auch Betrug zu sein, sagte Millieent.

Ja, dir. Dir und dem or. Glock, sagte ihr Bruder. Wenn ihr beiden
Recht hättet, so hätten die Gerichte viel zu thun. Die Sache ist aber nicht so,


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[0281] Die Grafen von Altenschwerdt. die sich darauf so verstehen wie ich. Und deshalb sind meine Projekte ge¬ sund, Sie schwimmen mit der Zeitströmung, deshalb müssen sie Erfolg haben. Sei ein vernünftiges Mädchen, Millieent, thu mir den Gefallen und komme zu mir nach Holzfurt, Ich werde für dich sorge», und ich werde dir eine glänzende Partie auswählen, Ich weiß schon jemand, der für dich Paßte, einen sehr ansehnlichen hübschen Mann, auch gebildet, einen Juristen, den ich zum Beirat bei meinen Unternehmungen machen will. Ich statte dich reichlich aus, und für ein gutes Einkommen für dich und deinen Mann will ich schon sorgen. Er soll den Titel Direktor und einen Gehalt von zwanzigtausend Mark, dazu noch Tantieme haben. Laß den Gärtner laufen, Millieent. Heiraten und versorgt sein ist besser. Ich habe nicht den geringsten Begriff davon, wie es überhaupt möglich ist, daß man sich liebt um nichts und wieder nichts, und ich ärgere mich, wenn ich nur daran denke, daß ein vernünftiges Mädchen wie du solche Albernheiten mitmacht. Einen Beirat willst dn nehmen? fragte Millieent mit leichtem Tone und in der Absicht, die Unterhaltung von diesen: ihr fatalen Punkte abzulenken. Wozu brauchst du denn nur einen Beirat, da dn doch selbst so klug bist? Das will ich dir sagen. Alle Banken haben gern einen gelernten Juristen in der Direktion, damit sie nicht in Kollision mit den Gesetzen kommen. Wie sollen sie denn mit den Gesetzen in Kollision kommen? Ja, das hängt damit zusammen, daß sie Geschäfte machen, kaufmännische Geschäfte, Geldoperationen und so weiter, und daß man sich in Acht nehmen muß, dabei innerhalb der gesetzlichen Schranken zu bleiben. Ich sollte meinen, wenn man nur immer ehrliche Geschäfte triebe, wäre keine Gefahr vorhanden, die gesetzlichen Schranken zu überschreiten. Das verstehst du nicht, Millieent, die Sache liegt tiefer. Von Ehrlich¬ keit oder Unehrlichkeit ist garnicht die Rede, Jedes Geschäft besteht einfach darin, daß ich möglichst billig einlaufe und möglichst teuer verkaufe. Die Grenze aber zwischen dem Geschäft, bei welchem das Gesetz verletzt wird, und dem Ge¬ schäft, bei welchem es nicht verletzt wird, ist oft nur für einen erfahrenen Ju¬ risten zu erkennen, und selbst für ihn nicht in jedem Falle. Millieent schüttelte den Kopf, Das scheinen mir doch unsaubere Geschäfte zu sein, von denen du sprichst, und ich will nicht hoffen, daß dn auch der¬ gleichen treibst. Ihr Bruder lachte. Du bist gerade so naiv, sagte er, wie mein unglück¬ licher Redakteur, der Dr. Glock, Der meinte neulich auch, es wäre Betrug, wenn ich eine Waare, welche zehn Thaler wert ist, unter dem Vorgeben, sie sei zwanzig wert, an den Mann brächte. Das scheint mir allerdings auch Betrug zu sein, sagte Millieent. Ja, dir. Dir und dem or. Glock, sagte ihr Bruder. Wenn ihr beiden Recht hättet, so hätten die Gerichte viel zu thun. Die Sache ist aber nicht so, Grenzbote« I- 1S8S. den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/281>, abgerufen am 23.07.2024.