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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

will es dir wünschen, aber ich für meine Person freue mich immer erst über
das Geld, das ich wirklich in der Tasche habe. Was deine Verheiratung be¬
trifft, so fragst du ebensowenig nach deiner Braut wie sie nach dir, und so wie
ich dich kenne, hast du den alten einfältigen Geheimen Rat, wie du ihn nennst, der aber
in Wirklichkeit ein Geheimer Kanzleirat ist, mit deinen zukünftigen Reichtümern
beschwatzt, sonst würde er die Verlobung garnicht erlaubt haben. Aber meinet¬
wegen! Ich bekümmere mich nicht darum, nur bitte ich mir aus, daß du dich
auch nicht um meine Angelegenheiten bekümmerst!

Herr Rudolf Schmidt lachte laut, konnte aber doch eine Bewegung und
Miene des Ärgers nicht unterdrücken. Denn einige von Millicents Bemerkungen
hatten ihn, weil sie die Wahrheit enthielten, empfindlich getroffen. Herr Rudolf
Schmidt redete sehr demokratisch, und wer ihm glaubte, der mußte denken, es
stecke der echte Volkstribun in ihm und er sei voll Verachtung alles Glanzes
und aller Ehren der vornehmen Stände, Aber heinilich erging es Herrn Rudolf
Schmidt darin ähnlich wie jenem ängstlichen Schneider, der nichts lieber hörte
und las als entsetzliche Kriegsgräuel und heldenhaften Sturm und Kampf, oder
wie jenem Buckligen, der nichts so hoch verehrte als schöne Gestalten, oder wie
dem Lahmen, den: nichts entzückender däuchte als zierlicher Tanz, oder wie
jenem Lügenbolde, dem nichts mehr Respekt einflößte als ein Mann, der die
Wahrheit sprach. Wenn Herr Rudolf Schmidt in seinen besten Stunden sich
ein schönes Zukunftsbild phantastisch ausmalte, so hatte dies gar keine Ähn¬
lichkeit mit der Stellung eines Bolkstribuncn, Denn dann stellte er sich vor,
er sei Kommerziellrat und mit Orden geschmückt, mache ein großes Haus in
Holzfurt und lade die Offiziere der Garnison zu Bällen und Diners ein, werde
von den angesehensten Firmen der Stadt mit Hochachtung behandelt und von
den Leuten, die ihn jetzt nicht kennen wollte", beneidet. Es gab eine ganze Reihe
von Männern in Hvlzfnrt, die er gar zu gern gedemütigt hätte. Das waren
die patrizischen Kaufleute, die von seiner Gewerbebank wie von einer unsolider
Neuerung dachten, und er hätte viel darum gegeben, sie tüchtig zu ärgern und
ihnen zu zeigen, daß er mehr vermöge als sie. Stets bewegten sich seine Ge¬
danken um Spekulationen, die eines überlegenen Geistes würdig wären, nämlich
so beschaffen, daß sie unter Verachtung des langsamen pedantischen Weges der
Kleinigkeitskrämer in wenigen großen Schlägen ein Kapital zusammenbrächten,
welches den Besitzer hoch über die Häupter der jetzigen Matadore in Holz¬
furt emporhöbe- Du bist ein verwettertes Mädchen, sagte er, und ich wollte,
ich hätte einen Prokuristen, der deine Schlagfertigkeit besäße. Aber Unrecht
hast du doch. Es giebt Verhältnisse, die du nicht beurteilen kannst. Du bist
ja ganz gebildet, hast wenigstens eine Menge von unnützen: Kram in deinem
Kopfe, aber du bist in dieser aristokratischen Gesellschaft von veralteten Ideen
angesteckt und deshalb auch hinter der Neuzeit zurückgeblieben. Du verstehst
nichts von Nationalökononne. Ich sage dir, Millieent, es giebt wenig Leute,


Die Grafen von Altenschwerdt.

will es dir wünschen, aber ich für meine Person freue mich immer erst über
das Geld, das ich wirklich in der Tasche habe. Was deine Verheiratung be¬
trifft, so fragst du ebensowenig nach deiner Braut wie sie nach dir, und so wie
ich dich kenne, hast du den alten einfältigen Geheimen Rat, wie du ihn nennst, der aber
in Wirklichkeit ein Geheimer Kanzleirat ist, mit deinen zukünftigen Reichtümern
beschwatzt, sonst würde er die Verlobung garnicht erlaubt haben. Aber meinet¬
wegen! Ich bekümmere mich nicht darum, nur bitte ich mir aus, daß du dich
auch nicht um meine Angelegenheiten bekümmerst!

Herr Rudolf Schmidt lachte laut, konnte aber doch eine Bewegung und
Miene des Ärgers nicht unterdrücken. Denn einige von Millicents Bemerkungen
hatten ihn, weil sie die Wahrheit enthielten, empfindlich getroffen. Herr Rudolf
Schmidt redete sehr demokratisch, und wer ihm glaubte, der mußte denken, es
stecke der echte Volkstribun in ihm und er sei voll Verachtung alles Glanzes
und aller Ehren der vornehmen Stände, Aber heinilich erging es Herrn Rudolf
Schmidt darin ähnlich wie jenem ängstlichen Schneider, der nichts lieber hörte
und las als entsetzliche Kriegsgräuel und heldenhaften Sturm und Kampf, oder
wie jenem Buckligen, der nichts so hoch verehrte als schöne Gestalten, oder wie
dem Lahmen, den: nichts entzückender däuchte als zierlicher Tanz, oder wie
jenem Lügenbolde, dem nichts mehr Respekt einflößte als ein Mann, der die
Wahrheit sprach. Wenn Herr Rudolf Schmidt in seinen besten Stunden sich
ein schönes Zukunftsbild phantastisch ausmalte, so hatte dies gar keine Ähn¬
lichkeit mit der Stellung eines Bolkstribuncn, Denn dann stellte er sich vor,
er sei Kommerziellrat und mit Orden geschmückt, mache ein großes Haus in
Holzfurt und lade die Offiziere der Garnison zu Bällen und Diners ein, werde
von den angesehensten Firmen der Stadt mit Hochachtung behandelt und von
den Leuten, die ihn jetzt nicht kennen wollte», beneidet. Es gab eine ganze Reihe
von Männern in Hvlzfnrt, die er gar zu gern gedemütigt hätte. Das waren
die patrizischen Kaufleute, die von seiner Gewerbebank wie von einer unsolider
Neuerung dachten, und er hätte viel darum gegeben, sie tüchtig zu ärgern und
ihnen zu zeigen, daß er mehr vermöge als sie. Stets bewegten sich seine Ge¬
danken um Spekulationen, die eines überlegenen Geistes würdig wären, nämlich
so beschaffen, daß sie unter Verachtung des langsamen pedantischen Weges der
Kleinigkeitskrämer in wenigen großen Schlägen ein Kapital zusammenbrächten,
welches den Besitzer hoch über die Häupter der jetzigen Matadore in Holz¬
furt emporhöbe- Du bist ein verwettertes Mädchen, sagte er, und ich wollte,
ich hätte einen Prokuristen, der deine Schlagfertigkeit besäße. Aber Unrecht
hast du doch. Es giebt Verhältnisse, die du nicht beurteilen kannst. Du bist
ja ganz gebildet, hast wenigstens eine Menge von unnützen: Kram in deinem
Kopfe, aber du bist in dieser aristokratischen Gesellschaft von veralteten Ideen
angesteckt und deshalb auch hinter der Neuzeit zurückgeblieben. Du verstehst
nichts von Nationalökononne. Ich sage dir, Millieent, es giebt wenig Leute,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/280>, abgerufen am 25.08.2024.