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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerot.

Vielleicht nicht schnell genug unter die Leute kommen möchten. Diese alte
Dame hatte ganz vor kurzem eine Geschichte von einer Fischerin und einem
Gärtner aufgebracht, welche mir nicht gefiel, und ich habe mir deshalb vor¬
genommen, ein ernstes Wörtchen mit dir zu sprechen. Die Stellung, in der
du dich befindest, paßt mir nicht, und deine Aufführung --

Millieent war sehr rot geworden unter diesen Worten, und ihre Augen
blitzten vor Entrüstung, Was hast du gegen meine Stellung und meine Auf¬
führung zu sagen? rief sie. Wie kannst du als ein Mann dich dazu hergeben,
den Klatsch von alten Basen aufzulesen? Was fällt dir ein, mir --

Ihr Bruder kam durch diesen heftigen Ausbruch nicht aus der Fassung.
Er winkte ihr mit der Hand, zu schweigen und fuhr fort: Höre mich bis zu
Ende an und überzeuge dich davon, daß ich nur dein Bestes will. Du bist
hier in einer Stellung, die deiner nicht würdig ist. Du bist nicht mehr als
eine Dienerin, obwohl du dir Schmeichelst, der stolzen Baronesse Freundin zu
sein. Nur von ihrer Lanne hängt es ab, ob du so oder so behandelt wirst,
und schon allein der Umstand, daß dn im Schlosse nicht mit an der Tafel
speisest, beweist zur Genüge, daß du nichts weiter bist als eine Kammerjungfer,
die durch die Gnade der Herrschaft ausgezeichnet wird. Daher ist es auch
gekommen, daß dein Streben keine höhern Ziele hat, sondern daß du darauf
verfallen konntest, mit dem Enkel des gräflichen Haushofmeisters, das heißt
eines Bettlers, der bei einem andern Bettler die Faxen eines vornehmen
Dieners treibt, eine Liebelei anzufangen. Schweig nur still, es ist doch so.
Etwas ist immer daran, wenn die Leute ihre Mäuler aufsperren. Mir aber
paßt so etwas nicht in den Kram. Ich bin ein Mann in bedeutender und
einflußreicher Stellung, ich werde binnen wenigen Jahren ein sehr wohlhabender
Mann sein, und ich will umsoweniger mit meiner Familie Schande einlegen,
als ich jetzt die Tochter eines Geheimen Rats heirate.

Bist dn nun fertig? fragte Millieent.

Ja, nun bin ich vorläufig fertig, und dn kannst sprechen, antwortete er.

Dann möchte ich dir bemerken, sagte sie, daß meine Stellung sicherer und
angenehmer ist als deine eigene. Du hast immer etwas an der Familie Sextus
auszusetzen, hast auch immer deine Geschwister regieren und verbessern wollen,
es wäre aber klüger, du sähest vor deine eigenen Füße und lehrtest vor deiner
eigenen Thür. Du räsonnirst aus die vornehmen Leute, und du selbst ließest
dir den kleinen Finger abhacken, oder sogar den ganzen Arm, wenn du selbst
es nur erreichen könntest, daß die Leute in Hvlzfurt dich halb so höflich grüßten
wie einen von den Männern, auf die du schiltst und über die du dich aufhältst.
Du meinst, du wärest bedeutend und einflußreich, weil du eine Zeitung besitzest
und Direktor der Gewerbebank bist, aber nimm dich in Acht mit deinen Pro¬
jekten, die alle Tage neu find. Du könntest sonst eines Tages ans der Nase
liegen. Du wirst in einigen Jahren ein sehr wohlhabender Mann sein? Ich


Die Grafen von Altenschwerot.

Vielleicht nicht schnell genug unter die Leute kommen möchten. Diese alte
Dame hatte ganz vor kurzem eine Geschichte von einer Fischerin und einem
Gärtner aufgebracht, welche mir nicht gefiel, und ich habe mir deshalb vor¬
genommen, ein ernstes Wörtchen mit dir zu sprechen. Die Stellung, in der
du dich befindest, paßt mir nicht, und deine Aufführung —

Millieent war sehr rot geworden unter diesen Worten, und ihre Augen
blitzten vor Entrüstung, Was hast du gegen meine Stellung und meine Auf¬
führung zu sagen? rief sie. Wie kannst du als ein Mann dich dazu hergeben,
den Klatsch von alten Basen aufzulesen? Was fällt dir ein, mir —

Ihr Bruder kam durch diesen heftigen Ausbruch nicht aus der Fassung.
Er winkte ihr mit der Hand, zu schweigen und fuhr fort: Höre mich bis zu
Ende an und überzeuge dich davon, daß ich nur dein Bestes will. Du bist
hier in einer Stellung, die deiner nicht würdig ist. Du bist nicht mehr als
eine Dienerin, obwohl du dir Schmeichelst, der stolzen Baronesse Freundin zu
sein. Nur von ihrer Lanne hängt es ab, ob du so oder so behandelt wirst,
und schon allein der Umstand, daß dn im Schlosse nicht mit an der Tafel
speisest, beweist zur Genüge, daß du nichts weiter bist als eine Kammerjungfer,
die durch die Gnade der Herrschaft ausgezeichnet wird. Daher ist es auch
gekommen, daß dein Streben keine höhern Ziele hat, sondern daß du darauf
verfallen konntest, mit dem Enkel des gräflichen Haushofmeisters, das heißt
eines Bettlers, der bei einem andern Bettler die Faxen eines vornehmen
Dieners treibt, eine Liebelei anzufangen. Schweig nur still, es ist doch so.
Etwas ist immer daran, wenn die Leute ihre Mäuler aufsperren. Mir aber
paßt so etwas nicht in den Kram. Ich bin ein Mann in bedeutender und
einflußreicher Stellung, ich werde binnen wenigen Jahren ein sehr wohlhabender
Mann sein, und ich will umsoweniger mit meiner Familie Schande einlegen,
als ich jetzt die Tochter eines Geheimen Rats heirate.

Bist dn nun fertig? fragte Millieent.

Ja, nun bin ich vorläufig fertig, und dn kannst sprechen, antwortete er.

Dann möchte ich dir bemerken, sagte sie, daß meine Stellung sicherer und
angenehmer ist als deine eigene. Du hast immer etwas an der Familie Sextus
auszusetzen, hast auch immer deine Geschwister regieren und verbessern wollen,
es wäre aber klüger, du sähest vor deine eigenen Füße und lehrtest vor deiner
eigenen Thür. Du räsonnirst aus die vornehmen Leute, und du selbst ließest
dir den kleinen Finger abhacken, oder sogar den ganzen Arm, wenn du selbst
es nur erreichen könntest, daß die Leute in Hvlzfurt dich halb so höflich grüßten
wie einen von den Männern, auf die du schiltst und über die du dich aufhältst.
Du meinst, du wärest bedeutend und einflußreich, weil du eine Zeitung besitzest
und Direktor der Gewerbebank bist, aber nimm dich in Acht mit deinen Pro¬
jekten, die alle Tage neu find. Du könntest sonst eines Tages ans der Nase
liegen. Du wirst in einigen Jahren ein sehr wohlhabender Mann sein? Ich


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[0279] Die Grafen von Altenschwerot. Vielleicht nicht schnell genug unter die Leute kommen möchten. Diese alte Dame hatte ganz vor kurzem eine Geschichte von einer Fischerin und einem Gärtner aufgebracht, welche mir nicht gefiel, und ich habe mir deshalb vor¬ genommen, ein ernstes Wörtchen mit dir zu sprechen. Die Stellung, in der du dich befindest, paßt mir nicht, und deine Aufführung — Millieent war sehr rot geworden unter diesen Worten, und ihre Augen blitzten vor Entrüstung, Was hast du gegen meine Stellung und meine Auf¬ führung zu sagen? rief sie. Wie kannst du als ein Mann dich dazu hergeben, den Klatsch von alten Basen aufzulesen? Was fällt dir ein, mir — Ihr Bruder kam durch diesen heftigen Ausbruch nicht aus der Fassung. Er winkte ihr mit der Hand, zu schweigen und fuhr fort: Höre mich bis zu Ende an und überzeuge dich davon, daß ich nur dein Bestes will. Du bist hier in einer Stellung, die deiner nicht würdig ist. Du bist nicht mehr als eine Dienerin, obwohl du dir Schmeichelst, der stolzen Baronesse Freundin zu sein. Nur von ihrer Lanne hängt es ab, ob du so oder so behandelt wirst, und schon allein der Umstand, daß dn im Schlosse nicht mit an der Tafel speisest, beweist zur Genüge, daß du nichts weiter bist als eine Kammerjungfer, die durch die Gnade der Herrschaft ausgezeichnet wird. Daher ist es auch gekommen, daß dein Streben keine höhern Ziele hat, sondern daß du darauf verfallen konntest, mit dem Enkel des gräflichen Haushofmeisters, das heißt eines Bettlers, der bei einem andern Bettler die Faxen eines vornehmen Dieners treibt, eine Liebelei anzufangen. Schweig nur still, es ist doch so. Etwas ist immer daran, wenn die Leute ihre Mäuler aufsperren. Mir aber paßt so etwas nicht in den Kram. Ich bin ein Mann in bedeutender und einflußreicher Stellung, ich werde binnen wenigen Jahren ein sehr wohlhabender Mann sein, und ich will umsoweniger mit meiner Familie Schande einlegen, als ich jetzt die Tochter eines Geheimen Rats heirate. Bist dn nun fertig? fragte Millieent. Ja, nun bin ich vorläufig fertig, und dn kannst sprechen, antwortete er. Dann möchte ich dir bemerken, sagte sie, daß meine Stellung sicherer und angenehmer ist als deine eigene. Du hast immer etwas an der Familie Sextus auszusetzen, hast auch immer deine Geschwister regieren und verbessern wollen, es wäre aber klüger, du sähest vor deine eigenen Füße und lehrtest vor deiner eigenen Thür. Du räsonnirst aus die vornehmen Leute, und du selbst ließest dir den kleinen Finger abhacken, oder sogar den ganzen Arm, wenn du selbst es nur erreichen könntest, daß die Leute in Hvlzfurt dich halb so höflich grüßten wie einen von den Männern, auf die du schiltst und über die du dich aufhältst. Du meinst, du wärest bedeutend und einflußreich, weil du eine Zeitung besitzest und Direktor der Gewerbebank bist, aber nimm dich in Acht mit deinen Pro¬ jekten, die alle Tage neu find. Du könntest sonst eines Tages ans der Nase liegen. Du wirst in einigen Jahren ein sehr wohlhabender Mann sein? Ich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/279>, abgerufen am 23.07.2024.