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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Harmonie der Farben und der Töne,

nur ein Kontrast herrscht, der durch Rot, den Herrscher im Farbenreich, ver¬
mittelt und durch dessen Komplement Grün insofern bestätigt wird, als dies
aus der Mischung von Gelb und Blau entsteht, während polarisch entgegen¬
gesetzte, d. h. komplementäre Farben, wenn sie gemischt werden, stets einander
zur Farblosigkeit neutralisiren, d. h. entweder bei stofflicher Mischung Schwarz,
bei prismatischer Deckung Weiß geben.

Die Ursache, aus welcher die Helligkeitsintensität mit der Wärmcintensitcit
bei den Farben nicht zusammenfällt, kann hier ohne ausführlichere Erörterung
nicht erklärt werden; ich muß mich auf folgende Andeutung beschränken, deren
Inhalt, beiläufig gesagt, meines Wissens durchaus neu ist. Das an sich absolut
kalte Licht der Sonne (daher gerade auf deu höchsten Bergen der Schnee niemals
schmilzt)*) erleidet dnrch das trübende Element der Erdatmosphäre eine zweifache
Modifikation, nämlich einmal eine quantitative Schwächung, welche der Grund
der Verschiedenheit der Helligkeitsgrade ist, sodann eine Hemmung seiner Be¬
wegung, welche sich nicht uur in der Form der Strahlenbrechung, wie man
bisher annahm, sondern auch als Verlangsamung seiner Geschwindigkeit äußert
und die wahre Ursache der Verschiedenheit der Wärmeintensitüt ist. Daß Licht
dnrch materiellen Widerstand in Wärme sich verwandelt, ist eine bekannte
Physikalische Thatsache; und was die Farbe" betrifft, so hat man durch Versuche
herausgebracht, daß sogar im prismatischen Spektrum die dunklern Farben¬
streifen mehr Wärme enthalte" als die Hellem. Diese durch die Hemmung
bewirkte Verlangsamung, bez. Erwärmung des Lichts -- mag man den Aus-
druck "Erwärmung" im materiellen oder im ästhetischen Sinne verstehen --
nenne ich, im Unterschied von seiner quantitativen, seine qualitative Modifikation.
Nun aber liegt es auf der Hand, daß eine nur geringe, dnrch das trübende
Element hervorgebrachte Schwächung zwar die hellste Farbe (Gelb) hervorbringt,
daß aber hier die Hemmung noch zu schwach ist, um schon den größten Wärme¬
grad zu erzeugen. Dieser wird daher, bei sich verstärkender Trübung, erst in
Orange erreicht. Ferner ist einleuchtend, daß, wenn die Hemmung einen solchen
Grad erreicht, daß das Licht bis auf die Hälfte seiner Wirkung überhaupt als
Helligkeits- und Wärmequelle reduzirt wird, nicht bloß die erstere, sondern auch
die zweite wieder konstant abnehmen müssen, und zwar zunächst bis zu ihren
respektiven Ausgleichpunkten, d. h. bis zu denjenigen Punkten der Skala, in
welcher einerseits Helligkeit und Dunkelheit, andrerseits Wärme und Kälte
einander die Waage halten. Bis zu diesen Punkten, die aber -- wie bemerkt --
für Helligkeit "ud Wärme nicht zusammenfallen, kann man von positiven (d. h.
von hellen wie warmen), darüber hinaus von negativen (d. h. von dunkeln und



*) Der Verfasser hat hier Wohl die Gletscherliildnnsi außer Augen aelassc", die doch
D. Red. durch den schmelzenden Schnee einsieht.
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Die Harmonie der Farben und der Töne,

nur ein Kontrast herrscht, der durch Rot, den Herrscher im Farbenreich, ver¬
mittelt und durch dessen Komplement Grün insofern bestätigt wird, als dies
aus der Mischung von Gelb und Blau entsteht, während polarisch entgegen¬
gesetzte, d. h. komplementäre Farben, wenn sie gemischt werden, stets einander
zur Farblosigkeit neutralisiren, d. h. entweder bei stofflicher Mischung Schwarz,
bei prismatischer Deckung Weiß geben.

Die Ursache, aus welcher die Helligkeitsintensität mit der Wärmcintensitcit
bei den Farben nicht zusammenfällt, kann hier ohne ausführlichere Erörterung
nicht erklärt werden; ich muß mich auf folgende Andeutung beschränken, deren
Inhalt, beiläufig gesagt, meines Wissens durchaus neu ist. Das an sich absolut
kalte Licht der Sonne (daher gerade auf deu höchsten Bergen der Schnee niemals
schmilzt)*) erleidet dnrch das trübende Element der Erdatmosphäre eine zweifache
Modifikation, nämlich einmal eine quantitative Schwächung, welche der Grund
der Verschiedenheit der Helligkeitsgrade ist, sodann eine Hemmung seiner Be¬
wegung, welche sich nicht uur in der Form der Strahlenbrechung, wie man
bisher annahm, sondern auch als Verlangsamung seiner Geschwindigkeit äußert
und die wahre Ursache der Verschiedenheit der Wärmeintensitüt ist. Daß Licht
dnrch materiellen Widerstand in Wärme sich verwandelt, ist eine bekannte
Physikalische Thatsache; und was die Farbe» betrifft, so hat man durch Versuche
herausgebracht, daß sogar im prismatischen Spektrum die dunklern Farben¬
streifen mehr Wärme enthalte» als die Hellem. Diese durch die Hemmung
bewirkte Verlangsamung, bez. Erwärmung des Lichts — mag man den Aus-
druck „Erwärmung" im materiellen oder im ästhetischen Sinne verstehen —
nenne ich, im Unterschied von seiner quantitativen, seine qualitative Modifikation.
Nun aber liegt es auf der Hand, daß eine nur geringe, dnrch das trübende
Element hervorgebrachte Schwächung zwar die hellste Farbe (Gelb) hervorbringt,
daß aber hier die Hemmung noch zu schwach ist, um schon den größten Wärme¬
grad zu erzeugen. Dieser wird daher, bei sich verstärkender Trübung, erst in
Orange erreicht. Ferner ist einleuchtend, daß, wenn die Hemmung einen solchen
Grad erreicht, daß das Licht bis auf die Hälfte seiner Wirkung überhaupt als
Helligkeits- und Wärmequelle reduzirt wird, nicht bloß die erstere, sondern auch
die zweite wieder konstant abnehmen müssen, und zwar zunächst bis zu ihren
respektiven Ausgleichpunkten, d. h. bis zu denjenigen Punkten der Skala, in
welcher einerseits Helligkeit und Dunkelheit, andrerseits Wärme und Kälte
einander die Waage halten. Bis zu diesen Punkten, die aber — wie bemerkt —
für Helligkeit »ud Wärme nicht zusammenfallen, kann man von positiven (d. h.
von hellen wie warmen), darüber hinaus von negativen (d. h. von dunkeln und



*) Der Verfasser hat hier Wohl die Gletscherliildnnsi außer Augen aelassc», die doch
D. Red. durch den schmelzenden Schnee einsieht.
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[0273] Die Harmonie der Farben und der Töne, nur ein Kontrast herrscht, der durch Rot, den Herrscher im Farbenreich, ver¬ mittelt und durch dessen Komplement Grün insofern bestätigt wird, als dies aus der Mischung von Gelb und Blau entsteht, während polarisch entgegen¬ gesetzte, d. h. komplementäre Farben, wenn sie gemischt werden, stets einander zur Farblosigkeit neutralisiren, d. h. entweder bei stofflicher Mischung Schwarz, bei prismatischer Deckung Weiß geben. Die Ursache, aus welcher die Helligkeitsintensität mit der Wärmcintensitcit bei den Farben nicht zusammenfällt, kann hier ohne ausführlichere Erörterung nicht erklärt werden; ich muß mich auf folgende Andeutung beschränken, deren Inhalt, beiläufig gesagt, meines Wissens durchaus neu ist. Das an sich absolut kalte Licht der Sonne (daher gerade auf deu höchsten Bergen der Schnee niemals schmilzt)*) erleidet dnrch das trübende Element der Erdatmosphäre eine zweifache Modifikation, nämlich einmal eine quantitative Schwächung, welche der Grund der Verschiedenheit der Helligkeitsgrade ist, sodann eine Hemmung seiner Be¬ wegung, welche sich nicht uur in der Form der Strahlenbrechung, wie man bisher annahm, sondern auch als Verlangsamung seiner Geschwindigkeit äußert und die wahre Ursache der Verschiedenheit der Wärmeintensitüt ist. Daß Licht dnrch materiellen Widerstand in Wärme sich verwandelt, ist eine bekannte Physikalische Thatsache; und was die Farbe» betrifft, so hat man durch Versuche herausgebracht, daß sogar im prismatischen Spektrum die dunklern Farben¬ streifen mehr Wärme enthalte» als die Hellem. Diese durch die Hemmung bewirkte Verlangsamung, bez. Erwärmung des Lichts — mag man den Aus- druck „Erwärmung" im materiellen oder im ästhetischen Sinne verstehen — nenne ich, im Unterschied von seiner quantitativen, seine qualitative Modifikation. Nun aber liegt es auf der Hand, daß eine nur geringe, dnrch das trübende Element hervorgebrachte Schwächung zwar die hellste Farbe (Gelb) hervorbringt, daß aber hier die Hemmung noch zu schwach ist, um schon den größten Wärme¬ grad zu erzeugen. Dieser wird daher, bei sich verstärkender Trübung, erst in Orange erreicht. Ferner ist einleuchtend, daß, wenn die Hemmung einen solchen Grad erreicht, daß das Licht bis auf die Hälfte seiner Wirkung überhaupt als Helligkeits- und Wärmequelle reduzirt wird, nicht bloß die erstere, sondern auch die zweite wieder konstant abnehmen müssen, und zwar zunächst bis zu ihren respektiven Ausgleichpunkten, d. h. bis zu denjenigen Punkten der Skala, in welcher einerseits Helligkeit und Dunkelheit, andrerseits Wärme und Kälte einander die Waage halten. Bis zu diesen Punkten, die aber — wie bemerkt — für Helligkeit »ud Wärme nicht zusammenfallen, kann man von positiven (d. h. von hellen wie warmen), darüber hinaus von negativen (d. h. von dunkeln und *) Der Verfasser hat hier Wohl die Gletscherliildnnsi außer Augen aelassc», die doch D. Red. durch den schmelzenden Schnee einsieht. GrenMe» I. 1W, ?>4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/273>, abgerufen am 23.07.2024.