Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
i>cis Marsche des Prinzen Üapolecm,

strationen und wurde trotzdem im Laufe der Zeit Kaiser Napoleon III. und bald der
einflußreichste Herrscher seiner Tage. Er sank und fiel zuletzt und starb in der
Verbannung, Aber der Glanz des Sterns der napoleoniden war durch Sedan
nur verdunkelt, nicht erloschen. Über der Gruft von Chiselhurst schien er fort,
umgeben von neuen Hoffnungen, neuen ehrgeizigen Bestrebungen und neuen
Intriguen. Sie schienen verweht in alle Winde, als das Grabgewölbe der
kleinen katholische" Kapelle in jener stillen kentischen Stadt sich wieder öffnete,
um die Gebeine seines Sohnes aufzunehmen, und die Statue, die am 13. Januar
zu Woolwich enthüllt wurde, hätte, so konnte man meinen, auf ihrem Fußgestell
die Inschrift tragen können, daß die Trilogie in der That nun ausgespielt habe.

Es war eine Täuschung, aber eine verzeihliche. Es sollte noch ein Nach¬
spiel geben, aber dasselbe hatte einen sast komischen Anstrich. Am 16. Januar
fand sich Paris mit einem Manifeste des Prinzen Napoleon überrascht, das,
an die Straßenecken angeschlagen und zu gleicher Zeit im "Figaro" abgedruckt,
eine heftige Anklage gegen die Republik enthielt und sich wie eine Art Vor¬
schatten des herannahenden Kaiserreiches geberdete. Offenbar durch den Tod
Gambettas angeregt und von dem Wunsche beseelt, dem "Roh" in Frohsdorf
zuvorzukommen, dessen Anhänger sich in den letzten Tagen gleichfalls neu er¬
mutigt gerührt hatten, trat der "rote Prinz" darin ganz ausdrücklich als Erbe
des Kaiserthrones und mit der einfachen Unterschrift "Napoleon" als bereits
Kaiser von Rechts wegen auf, und zugleich verkündete er mit energischen Worten
das Evangelium des allein entscheidenden und Frankreich allein seligmachenden
Plebiscits, der Grundlage des napoleonischen Cäsarismus.

Es war ein Ereignis. Zunächst wurden sehr verschiedne Urteile darüber
laut. Die einen fanden die Sache ganz in der Ordnung, andre, zahlreicher,
nannten sie einen großen Mißgriff, wieder andern erschien sie geradezu abgeschmackt.
Man erörterte das Manifest noch, als der ersten Überraschung eine zweite auf
dem Fuße folgte: der Prinz sah sich, von einer Morgenspazierfahrt in seine
Wohnung zurückgekehrt, auf Befehl der Regierung von dem Polizeikommissar
Element empfangen, der ihn schon 18?2 unter Thiers verhaftet hatte, und der
ihm jetzt ankündigte, er sei beauftragt, ihn "wegen einer Handlung, die auf Umsturz
der Regierungsform abziele," vor Gericht zu bringen. Bald nachher erschien
der Staatsanwalt, und nach kurzem Verhöre und einer erfolglosen Haussuchung
führte eine Droschke den Gefangenen nach der Conciergerie ab. In der Depu-
tirtenkammer gab das Manifest und die Verhaftung seines Urhebers Anlaß zu
heftigen Szenen. Die Bonapartisten erhoben gegen die letztere als eine Ge-
setzesverletzung ungestümen Einspruch, wofür ihr erster Wortführer d'Ornanv
zur Ordnung gerufen wurde. Sie machten geltend, daß jeder Franzose das
Recht habe, sich mit einer Ansprache an seine Mitbürger zu wenden, und daß
das Manifest nicht gegen den Staat, sondern nur gegen die Republik gerichtet
sei. Der Minister der Justiz erklärte, die volle Verantwortlichkeit für das Ver-


i>cis Marsche des Prinzen Üapolecm,

strationen und wurde trotzdem im Laufe der Zeit Kaiser Napoleon III. und bald der
einflußreichste Herrscher seiner Tage. Er sank und fiel zuletzt und starb in der
Verbannung, Aber der Glanz des Sterns der napoleoniden war durch Sedan
nur verdunkelt, nicht erloschen. Über der Gruft von Chiselhurst schien er fort,
umgeben von neuen Hoffnungen, neuen ehrgeizigen Bestrebungen und neuen
Intriguen. Sie schienen verweht in alle Winde, als das Grabgewölbe der
kleinen katholische» Kapelle in jener stillen kentischen Stadt sich wieder öffnete,
um die Gebeine seines Sohnes aufzunehmen, und die Statue, die am 13. Januar
zu Woolwich enthüllt wurde, hätte, so konnte man meinen, auf ihrem Fußgestell
die Inschrift tragen können, daß die Trilogie in der That nun ausgespielt habe.

Es war eine Täuschung, aber eine verzeihliche. Es sollte noch ein Nach¬
spiel geben, aber dasselbe hatte einen sast komischen Anstrich. Am 16. Januar
fand sich Paris mit einem Manifeste des Prinzen Napoleon überrascht, das,
an die Straßenecken angeschlagen und zu gleicher Zeit im „Figaro" abgedruckt,
eine heftige Anklage gegen die Republik enthielt und sich wie eine Art Vor¬
schatten des herannahenden Kaiserreiches geberdete. Offenbar durch den Tod
Gambettas angeregt und von dem Wunsche beseelt, dem „Roh" in Frohsdorf
zuvorzukommen, dessen Anhänger sich in den letzten Tagen gleichfalls neu er¬
mutigt gerührt hatten, trat der „rote Prinz" darin ganz ausdrücklich als Erbe
des Kaiserthrones und mit der einfachen Unterschrift „Napoleon" als bereits
Kaiser von Rechts wegen auf, und zugleich verkündete er mit energischen Worten
das Evangelium des allein entscheidenden und Frankreich allein seligmachenden
Plebiscits, der Grundlage des napoleonischen Cäsarismus.

Es war ein Ereignis. Zunächst wurden sehr verschiedne Urteile darüber
laut. Die einen fanden die Sache ganz in der Ordnung, andre, zahlreicher,
nannten sie einen großen Mißgriff, wieder andern erschien sie geradezu abgeschmackt.
Man erörterte das Manifest noch, als der ersten Überraschung eine zweite auf
dem Fuße folgte: der Prinz sah sich, von einer Morgenspazierfahrt in seine
Wohnung zurückgekehrt, auf Befehl der Regierung von dem Polizeikommissar
Element empfangen, der ihn schon 18?2 unter Thiers verhaftet hatte, und der
ihm jetzt ankündigte, er sei beauftragt, ihn „wegen einer Handlung, die auf Umsturz
der Regierungsform abziele," vor Gericht zu bringen. Bald nachher erschien
der Staatsanwalt, und nach kurzem Verhöre und einer erfolglosen Haussuchung
führte eine Droschke den Gefangenen nach der Conciergerie ab. In der Depu-
tirtenkammer gab das Manifest und die Verhaftung seines Urhebers Anlaß zu
heftigen Szenen. Die Bonapartisten erhoben gegen die letztere als eine Ge-
setzesverletzung ungestümen Einspruch, wofür ihr erster Wortführer d'Ornanv
zur Ordnung gerufen wurde. Sie machten geltend, daß jeder Franzose das
Recht habe, sich mit einer Ansprache an seine Mitbürger zu wenden, und daß
das Manifest nicht gegen den Staat, sondern nur gegen die Republik gerichtet
sei. Der Minister der Justiz erklärte, die volle Verantwortlichkeit für das Ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151778"/>
          <fw type="header" place="top"> i&gt;cis Marsche des Prinzen Üapolecm,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_772" prev="#ID_771"> strationen und wurde trotzdem im Laufe der Zeit Kaiser Napoleon III. und bald der<lb/>
einflußreichste Herrscher seiner Tage. Er sank und fiel zuletzt und starb in der<lb/>
Verbannung, Aber der Glanz des Sterns der napoleoniden war durch Sedan<lb/>
nur verdunkelt, nicht erloschen. Über der Gruft von Chiselhurst schien er fort,<lb/>
umgeben von neuen Hoffnungen, neuen ehrgeizigen Bestrebungen und neuen<lb/>
Intriguen. Sie schienen verweht in alle Winde, als das Grabgewölbe der<lb/>
kleinen katholische» Kapelle in jener stillen kentischen Stadt sich wieder öffnete,<lb/>
um die Gebeine seines Sohnes aufzunehmen, und die Statue, die am 13. Januar<lb/>
zu Woolwich enthüllt wurde, hätte, so konnte man meinen, auf ihrem Fußgestell<lb/>
die Inschrift tragen können, daß die Trilogie in der That nun ausgespielt habe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_773"> Es war eine Täuschung, aber eine verzeihliche. Es sollte noch ein Nach¬<lb/>
spiel geben, aber dasselbe hatte einen sast komischen Anstrich. Am 16. Januar<lb/>
fand sich Paris mit einem Manifeste des Prinzen Napoleon überrascht, das,<lb/>
an die Straßenecken angeschlagen und zu gleicher Zeit im &#x201E;Figaro" abgedruckt,<lb/>
eine heftige Anklage gegen die Republik enthielt und sich wie eine Art Vor¬<lb/>
schatten des herannahenden Kaiserreiches geberdete. Offenbar durch den Tod<lb/>
Gambettas angeregt und von dem Wunsche beseelt, dem &#x201E;Roh" in Frohsdorf<lb/>
zuvorzukommen, dessen Anhänger sich in den letzten Tagen gleichfalls neu er¬<lb/>
mutigt gerührt hatten, trat der &#x201E;rote Prinz" darin ganz ausdrücklich als Erbe<lb/>
des Kaiserthrones und mit der einfachen Unterschrift &#x201E;Napoleon" als bereits<lb/>
Kaiser von Rechts wegen auf, und zugleich verkündete er mit energischen Worten<lb/>
das Evangelium des allein entscheidenden und Frankreich allein seligmachenden<lb/>
Plebiscits, der Grundlage des napoleonischen Cäsarismus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_774" next="#ID_775"> Es war ein Ereignis. Zunächst wurden sehr verschiedne Urteile darüber<lb/>
laut. Die einen fanden die Sache ganz in der Ordnung, andre, zahlreicher,<lb/>
nannten sie einen großen Mißgriff, wieder andern erschien sie geradezu abgeschmackt.<lb/>
Man erörterte das Manifest noch, als der ersten Überraschung eine zweite auf<lb/>
dem Fuße folgte: der Prinz sah sich, von einer Morgenspazierfahrt in seine<lb/>
Wohnung zurückgekehrt, auf Befehl der Regierung von dem Polizeikommissar<lb/>
Element empfangen, der ihn schon 18?2 unter Thiers verhaftet hatte, und der<lb/>
ihm jetzt ankündigte, er sei beauftragt, ihn &#x201E;wegen einer Handlung, die auf Umsturz<lb/>
der Regierungsform abziele," vor Gericht zu bringen. Bald nachher erschien<lb/>
der Staatsanwalt, und nach kurzem Verhöre und einer erfolglosen Haussuchung<lb/>
führte eine Droschke den Gefangenen nach der Conciergerie ab. In der Depu-<lb/>
tirtenkammer gab das Manifest und die Verhaftung seines Urhebers Anlaß zu<lb/>
heftigen Szenen. Die Bonapartisten erhoben gegen die letztere als eine Ge-<lb/>
setzesverletzung ungestümen Einspruch, wofür ihr erster Wortführer d'Ornanv<lb/>
zur Ordnung gerufen wurde. Sie machten geltend, daß jeder Franzose das<lb/>
Recht habe, sich mit einer Ansprache an seine Mitbürger zu wenden, und daß<lb/>
das Manifest nicht gegen den Staat, sondern nur gegen die Republik gerichtet<lb/>
sei. Der Minister der Justiz erklärte, die volle Verantwortlichkeit für das Ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0234] i>cis Marsche des Prinzen Üapolecm, strationen und wurde trotzdem im Laufe der Zeit Kaiser Napoleon III. und bald der einflußreichste Herrscher seiner Tage. Er sank und fiel zuletzt und starb in der Verbannung, Aber der Glanz des Sterns der napoleoniden war durch Sedan nur verdunkelt, nicht erloschen. Über der Gruft von Chiselhurst schien er fort, umgeben von neuen Hoffnungen, neuen ehrgeizigen Bestrebungen und neuen Intriguen. Sie schienen verweht in alle Winde, als das Grabgewölbe der kleinen katholische» Kapelle in jener stillen kentischen Stadt sich wieder öffnete, um die Gebeine seines Sohnes aufzunehmen, und die Statue, die am 13. Januar zu Woolwich enthüllt wurde, hätte, so konnte man meinen, auf ihrem Fußgestell die Inschrift tragen können, daß die Trilogie in der That nun ausgespielt habe. Es war eine Täuschung, aber eine verzeihliche. Es sollte noch ein Nach¬ spiel geben, aber dasselbe hatte einen sast komischen Anstrich. Am 16. Januar fand sich Paris mit einem Manifeste des Prinzen Napoleon überrascht, das, an die Straßenecken angeschlagen und zu gleicher Zeit im „Figaro" abgedruckt, eine heftige Anklage gegen die Republik enthielt und sich wie eine Art Vor¬ schatten des herannahenden Kaiserreiches geberdete. Offenbar durch den Tod Gambettas angeregt und von dem Wunsche beseelt, dem „Roh" in Frohsdorf zuvorzukommen, dessen Anhänger sich in den letzten Tagen gleichfalls neu er¬ mutigt gerührt hatten, trat der „rote Prinz" darin ganz ausdrücklich als Erbe des Kaiserthrones und mit der einfachen Unterschrift „Napoleon" als bereits Kaiser von Rechts wegen auf, und zugleich verkündete er mit energischen Worten das Evangelium des allein entscheidenden und Frankreich allein seligmachenden Plebiscits, der Grundlage des napoleonischen Cäsarismus. Es war ein Ereignis. Zunächst wurden sehr verschiedne Urteile darüber laut. Die einen fanden die Sache ganz in der Ordnung, andre, zahlreicher, nannten sie einen großen Mißgriff, wieder andern erschien sie geradezu abgeschmackt. Man erörterte das Manifest noch, als der ersten Überraschung eine zweite auf dem Fuße folgte: der Prinz sah sich, von einer Morgenspazierfahrt in seine Wohnung zurückgekehrt, auf Befehl der Regierung von dem Polizeikommissar Element empfangen, der ihn schon 18?2 unter Thiers verhaftet hatte, und der ihm jetzt ankündigte, er sei beauftragt, ihn „wegen einer Handlung, die auf Umsturz der Regierungsform abziele," vor Gericht zu bringen. Bald nachher erschien der Staatsanwalt, und nach kurzem Verhöre und einer erfolglosen Haussuchung führte eine Droschke den Gefangenen nach der Conciergerie ab. In der Depu- tirtenkammer gab das Manifest und die Verhaftung seines Urhebers Anlaß zu heftigen Szenen. Die Bonapartisten erhoben gegen die letztere als eine Ge- setzesverletzung ungestümen Einspruch, wofür ihr erster Wortführer d'Ornanv zur Ordnung gerufen wurde. Sie machten geltend, daß jeder Franzose das Recht habe, sich mit einer Ansprache an seine Mitbürger zu wenden, und daß das Manifest nicht gegen den Staat, sondern nur gegen die Republik gerichtet sei. Der Minister der Justiz erklärte, die volle Verantwortlichkeit für das Ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/234
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/234>, abgerufen am 25.08.2024.