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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grase" von Altenschwerdt.

zierten anschaulich machen sollten: der Laden eines Wildhündlers, wo die bräun¬
lichen Leiber der Hirsche und Rehe mit dem glänzenden Gefieder jagdbaren
Geflügels kontrastirten, die Halle des südländischen Früchtehändlers mit ihren
Hügeln von saftigem Gemüse und schwellendem Obst, Tische, auf denen in zier¬
licher Anordnung Krüge und Gläser mit funkelndem Wein, rotglünzende Pfir¬
siche und Melonenschnitte sich präsentirten. Der in der Mitte des Zimmers
gedeckte Tisch aber schien gleichsam das Resultat der aus jenen Abbildungen
geschöpften Schlüsse zu sein und überbot an Reiz jene Darstellungen, Das
Silbergeschirr des Hauses Sextus, obwohl hier nur in einer bescheidnen Form,
der kleinen Abendtafel angemessen, auftretend, zeigte Reichtum und Geschmack,
das feine Porzellan, die geschliffenen Karaffen und Gläser waren von einer
geschickten Hand ans dem schimmernden Damasttuch geordnet, und die aufgesetzten
Speisen boten einen einladenden Anblick,

Dorothea nahm ihren Platz zwischen ihrem Vater und dem Grafen und
wies Eberhardt den Sitz ihr gegenüber an. Der Kellermeister nahm mit ge¬
wichtigen Ernst am Büffet Stellung, und ein gewandter Diner in der Livree
des Hauses trug die Schüsseln auf,

Eberhardt hatte für alle Einzelheiten, welche die Anordnung des Abend¬
essens betrafen, ein offnes Auge, denn er fühlte sich angenehm berührt von der
gediegenen Eleganz dieses Haushalts, und seine Künstlernatur fühlte sich wohl
in schöner Umgebung. Aber mehr als alle übrigen Erscheinungen fesselte ihn
sein Gegenüber, und es mochte wohl sein, daß es erst ein Abglanz von Dorv-
theens Schönheit war, der die übrigen Personen und Dinge des Schlosses ihm
erfreulich machte. Das helle Licht im Speisezimmer, welches Dorotheens Züge,
das belebte Spiel ihrer Bewegungen und den Ausdruck ihrer Augen vorteil¬
haft hob, schien den Eindruck des Spaziergangs im Park erst recht lebendig in
ihm zu machen und jeden einzelnen Schritt, jedes Wort des Gesprächs von
neuem in seiner Erinnerung hervorzurufen. Inmitten der allgemeinen Unter¬
haltung, die lebhaft und' ungezwungen war, da sie sich um solche Gegenstände
drehte, welche einen für alle gefälligen Gesprächsstoff bildeten, hörte er nur
den silberhellen Klang ihrer Stimme und wiederholte sich mit Hilfe dieses Tones
die Worte interessanteren Inhalts, die er vorhin von ihren Lippen gehört hatte.
Man sprach von den Eindrücken, welche Italien mache. Der Baron war mit
seiner Tochter zu derselben Zeit dort gewesen wie Eberhardt, und viele Punkte
waren ihnen gemeinsam bekannt. Auch der General hatte in frühern Jahren
einmal eine längere Reise durch die schöne Halbinsel gemacht und in Rom einen
Aufenthalt von mehreren Monaten genommen.

Für den deutschen Maler scheint das Studium Italiens ganz unerläßlich
zu sein, sagte er. Ich habe aber niemals den Grund davon recht einsehen
können. Es ist nur sogar oft so vorgekommen, als ob die individuelle Be¬
gabung des jungen Künstlers unter dem Einfluß der älteren Meister litte, da


Die Grase» von Altenschwerdt.

zierten anschaulich machen sollten: der Laden eines Wildhündlers, wo die bräun¬
lichen Leiber der Hirsche und Rehe mit dem glänzenden Gefieder jagdbaren
Geflügels kontrastirten, die Halle des südländischen Früchtehändlers mit ihren
Hügeln von saftigem Gemüse und schwellendem Obst, Tische, auf denen in zier¬
licher Anordnung Krüge und Gläser mit funkelndem Wein, rotglünzende Pfir¬
siche und Melonenschnitte sich präsentirten. Der in der Mitte des Zimmers
gedeckte Tisch aber schien gleichsam das Resultat der aus jenen Abbildungen
geschöpften Schlüsse zu sein und überbot an Reiz jene Darstellungen, Das
Silbergeschirr des Hauses Sextus, obwohl hier nur in einer bescheidnen Form,
der kleinen Abendtafel angemessen, auftretend, zeigte Reichtum und Geschmack,
das feine Porzellan, die geschliffenen Karaffen und Gläser waren von einer
geschickten Hand ans dem schimmernden Damasttuch geordnet, und die aufgesetzten
Speisen boten einen einladenden Anblick,

Dorothea nahm ihren Platz zwischen ihrem Vater und dem Grafen und
wies Eberhardt den Sitz ihr gegenüber an. Der Kellermeister nahm mit ge¬
wichtigen Ernst am Büffet Stellung, und ein gewandter Diner in der Livree
des Hauses trug die Schüsseln auf,

Eberhardt hatte für alle Einzelheiten, welche die Anordnung des Abend¬
essens betrafen, ein offnes Auge, denn er fühlte sich angenehm berührt von der
gediegenen Eleganz dieses Haushalts, und seine Künstlernatur fühlte sich wohl
in schöner Umgebung. Aber mehr als alle übrigen Erscheinungen fesselte ihn
sein Gegenüber, und es mochte wohl sein, daß es erst ein Abglanz von Dorv-
theens Schönheit war, der die übrigen Personen und Dinge des Schlosses ihm
erfreulich machte. Das helle Licht im Speisezimmer, welches Dorotheens Züge,
das belebte Spiel ihrer Bewegungen und den Ausdruck ihrer Augen vorteil¬
haft hob, schien den Eindruck des Spaziergangs im Park erst recht lebendig in
ihm zu machen und jeden einzelnen Schritt, jedes Wort des Gesprächs von
neuem in seiner Erinnerung hervorzurufen. Inmitten der allgemeinen Unter¬
haltung, die lebhaft und' ungezwungen war, da sie sich um solche Gegenstände
drehte, welche einen für alle gefälligen Gesprächsstoff bildeten, hörte er nur
den silberhellen Klang ihrer Stimme und wiederholte sich mit Hilfe dieses Tones
die Worte interessanteren Inhalts, die er vorhin von ihren Lippen gehört hatte.
Man sprach von den Eindrücken, welche Italien mache. Der Baron war mit
seiner Tochter zu derselben Zeit dort gewesen wie Eberhardt, und viele Punkte
waren ihnen gemeinsam bekannt. Auch der General hatte in frühern Jahren
einmal eine längere Reise durch die schöne Halbinsel gemacht und in Rom einen
Aufenthalt von mehreren Monaten genommen.

Für den deutschen Maler scheint das Studium Italiens ganz unerläßlich
zu sein, sagte er. Ich habe aber niemals den Grund davon recht einsehen
können. Es ist nur sogar oft so vorgekommen, als ob die individuelle Be¬
gabung des jungen Künstlers unter dem Einfluß der älteren Meister litte, da


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[0228] Die Grase» von Altenschwerdt. zierten anschaulich machen sollten: der Laden eines Wildhündlers, wo die bräun¬ lichen Leiber der Hirsche und Rehe mit dem glänzenden Gefieder jagdbaren Geflügels kontrastirten, die Halle des südländischen Früchtehändlers mit ihren Hügeln von saftigem Gemüse und schwellendem Obst, Tische, auf denen in zier¬ licher Anordnung Krüge und Gläser mit funkelndem Wein, rotglünzende Pfir¬ siche und Melonenschnitte sich präsentirten. Der in der Mitte des Zimmers gedeckte Tisch aber schien gleichsam das Resultat der aus jenen Abbildungen geschöpften Schlüsse zu sein und überbot an Reiz jene Darstellungen, Das Silbergeschirr des Hauses Sextus, obwohl hier nur in einer bescheidnen Form, der kleinen Abendtafel angemessen, auftretend, zeigte Reichtum und Geschmack, das feine Porzellan, die geschliffenen Karaffen und Gläser waren von einer geschickten Hand ans dem schimmernden Damasttuch geordnet, und die aufgesetzten Speisen boten einen einladenden Anblick, Dorothea nahm ihren Platz zwischen ihrem Vater und dem Grafen und wies Eberhardt den Sitz ihr gegenüber an. Der Kellermeister nahm mit ge¬ wichtigen Ernst am Büffet Stellung, und ein gewandter Diner in der Livree des Hauses trug die Schüsseln auf, Eberhardt hatte für alle Einzelheiten, welche die Anordnung des Abend¬ essens betrafen, ein offnes Auge, denn er fühlte sich angenehm berührt von der gediegenen Eleganz dieses Haushalts, und seine Künstlernatur fühlte sich wohl in schöner Umgebung. Aber mehr als alle übrigen Erscheinungen fesselte ihn sein Gegenüber, und es mochte wohl sein, daß es erst ein Abglanz von Dorv- theens Schönheit war, der die übrigen Personen und Dinge des Schlosses ihm erfreulich machte. Das helle Licht im Speisezimmer, welches Dorotheens Züge, das belebte Spiel ihrer Bewegungen und den Ausdruck ihrer Augen vorteil¬ haft hob, schien den Eindruck des Spaziergangs im Park erst recht lebendig in ihm zu machen und jeden einzelnen Schritt, jedes Wort des Gesprächs von neuem in seiner Erinnerung hervorzurufen. Inmitten der allgemeinen Unter¬ haltung, die lebhaft und' ungezwungen war, da sie sich um solche Gegenstände drehte, welche einen für alle gefälligen Gesprächsstoff bildeten, hörte er nur den silberhellen Klang ihrer Stimme und wiederholte sich mit Hilfe dieses Tones die Worte interessanteren Inhalts, die er vorhin von ihren Lippen gehört hatte. Man sprach von den Eindrücken, welche Italien mache. Der Baron war mit seiner Tochter zu derselben Zeit dort gewesen wie Eberhardt, und viele Punkte waren ihnen gemeinsam bekannt. Auch der General hatte in frühern Jahren einmal eine längere Reise durch die schöne Halbinsel gemacht und in Rom einen Aufenthalt von mehreren Monaten genommen. Für den deutschen Maler scheint das Studium Italiens ganz unerläßlich zu sein, sagte er. Ich habe aber niemals den Grund davon recht einsehen können. Es ist nur sogar oft so vorgekommen, als ob die individuelle Be¬ gabung des jungen Künstlers unter dem Einfluß der älteren Meister litte, da

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/228>, abgerufen am 25.08.2024.