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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

meinem zweiundvicrzigsten Jahre und habe mich seiner Zeit um nichts als meine
Schwadron und die Verwaltung meiner Güter bekümmert. Ich bin einigermaßen
gespannt darauf, den jungen Grafen kennen zu lernen, Gräfin Sibylle hat nur ge¬
schrieben, daß sie mit ihrem Sohne Bad Fischbeck besuchen und von dort aus
eine Anknüpfung bewirken würde, welche in Dorotheas Augen dem Zufall zu¬
zuschreiben wäre. Auch die Nachfolge des Hauses Altenschwerdt ist gegenwärtig
auf zwei Augen gestellt. Eine eigentümliche Fügung der Vorsehung, daß so
viele der ältesten und reinsten Geschlechter erlöschen oder zu erlöschen drohen!

Die beiden Herren waren während dieses Gesprächs in dem Blumengarten
vor der Halle langsam auf- und abgeschritten, und der Baron stand jetzt still
und sah mit einem nachdenklichen Blick zum Himmel auf, als wollte er dort
oben um Rat fragen wegen der befremdlichen Ereignisse auf Erden. Der Ge¬
neral dachte an die Meinung der Philosophen, daß es die Entfernung von der Natur
sei, welche die reichen Stände aussterben lasse, sodaß sie nur aus den armen
Klassen rin neuem Blut erhalten werden könnten. Aber er sprach seine Ge¬
danken nicht aus, weil er wußte, daß sie den Freund nur ärgern würden.

In diesen: Augenblicke kehrte das junge Paar von seinein Gange durch den
Park zurück und trat durch das Thor in den Garten. Ihre Züge waren be-
< lebt durch den Austausch von Meinungen, in denen sie sich beide einander geistig
verwandt gefunden hatten, und als der Graf diese beiden schönen und vornehmen
Gestalten neben einander daherkommen sah, durchzuckte ihn das Gefühl, daß der
Plan seines Freundes, die Herrschaft Eichhausen zu retten, auf einen Wider¬
stand stoßen könne, der keine geringere Macht als Gott Amor selber zum Rück¬
halt haben würde.

Der Abend war vorgerückt und ein tiefer, bläulicher Schatten lag auf der
hohen Mauer und den starken Pfeilern mit ihrem dichten SchlinM'wachs, dunkel
blickte der Park durch das weite Thor herein. Als das jugendliche Paar er¬
schien und einen Augenblick stillstand, indem es die alten Herren erblickte, hob
es sich in der Thoröffnung wie auf einem Gemälde mit dunkelm Hintergrunde
ab. Dorothea sah unter dem Strohhute mit kirschroten Bändern auf dem
schwarzen Haar und in ihrem hellen Sommerkleide mit roten Schleifen hell und
lieblich aus, neben ihr stand Eberhardt ernst und männlich, und das blonde,
lockige Haar glänzte auf dem unbedeckten Haupte.

Nun, mein Herr Maler, rief der Baron, haben Sie genug alte Bäume
gesehen? Ich dächte, Sie müßten einigen Appetit bekommen, und ich will hoffen,
Dorothea, daß man uns den Tisch gedeckt hat.

Die kleine Gesellschaft trat in die Halle ein und schritt durch sie hindurch
in ein Gemach, welches durch einen Kronleuchter mit zahlreichen Wachskerzen
erleuchtet war. Es war ein hohes, dunkel getäfeltes Zimmer, an dessen Wänden
Stillleben niederländischer Schule hingen, Abbildungen solcher Gegenstände,
welche die Eßlust reizen, oder Darstellungen, welche den Ursprung der Tafel-


Die Grafen von Altenschwerdt.

meinem zweiundvicrzigsten Jahre und habe mich seiner Zeit um nichts als meine
Schwadron und die Verwaltung meiner Güter bekümmert. Ich bin einigermaßen
gespannt darauf, den jungen Grafen kennen zu lernen, Gräfin Sibylle hat nur ge¬
schrieben, daß sie mit ihrem Sohne Bad Fischbeck besuchen und von dort aus
eine Anknüpfung bewirken würde, welche in Dorotheas Augen dem Zufall zu¬
zuschreiben wäre. Auch die Nachfolge des Hauses Altenschwerdt ist gegenwärtig
auf zwei Augen gestellt. Eine eigentümliche Fügung der Vorsehung, daß so
viele der ältesten und reinsten Geschlechter erlöschen oder zu erlöschen drohen!

Die beiden Herren waren während dieses Gesprächs in dem Blumengarten
vor der Halle langsam auf- und abgeschritten, und der Baron stand jetzt still
und sah mit einem nachdenklichen Blick zum Himmel auf, als wollte er dort
oben um Rat fragen wegen der befremdlichen Ereignisse auf Erden. Der Ge¬
neral dachte an die Meinung der Philosophen, daß es die Entfernung von der Natur
sei, welche die reichen Stände aussterben lasse, sodaß sie nur aus den armen
Klassen rin neuem Blut erhalten werden könnten. Aber er sprach seine Ge¬
danken nicht aus, weil er wußte, daß sie den Freund nur ärgern würden.

In diesen: Augenblicke kehrte das junge Paar von seinein Gange durch den
Park zurück und trat durch das Thor in den Garten. Ihre Züge waren be-
< lebt durch den Austausch von Meinungen, in denen sie sich beide einander geistig
verwandt gefunden hatten, und als der Graf diese beiden schönen und vornehmen
Gestalten neben einander daherkommen sah, durchzuckte ihn das Gefühl, daß der
Plan seines Freundes, die Herrschaft Eichhausen zu retten, auf einen Wider¬
stand stoßen könne, der keine geringere Macht als Gott Amor selber zum Rück¬
halt haben würde.

Der Abend war vorgerückt und ein tiefer, bläulicher Schatten lag auf der
hohen Mauer und den starken Pfeilern mit ihrem dichten SchlinM'wachs, dunkel
blickte der Park durch das weite Thor herein. Als das jugendliche Paar er¬
schien und einen Augenblick stillstand, indem es die alten Herren erblickte, hob
es sich in der Thoröffnung wie auf einem Gemälde mit dunkelm Hintergrunde
ab. Dorothea sah unter dem Strohhute mit kirschroten Bändern auf dem
schwarzen Haar und in ihrem hellen Sommerkleide mit roten Schleifen hell und
lieblich aus, neben ihr stand Eberhardt ernst und männlich, und das blonde,
lockige Haar glänzte auf dem unbedeckten Haupte.

Nun, mein Herr Maler, rief der Baron, haben Sie genug alte Bäume
gesehen? Ich dächte, Sie müßten einigen Appetit bekommen, und ich will hoffen,
Dorothea, daß man uns den Tisch gedeckt hat.

Die kleine Gesellschaft trat in die Halle ein und schritt durch sie hindurch
in ein Gemach, welches durch einen Kronleuchter mit zahlreichen Wachskerzen
erleuchtet war. Es war ein hohes, dunkel getäfeltes Zimmer, an dessen Wänden
Stillleben niederländischer Schule hingen, Abbildungen solcher Gegenstände,
welche die Eßlust reizen, oder Darstellungen, welche den Ursprung der Tafel-


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[0227] Die Grafen von Altenschwerdt. meinem zweiundvicrzigsten Jahre und habe mich seiner Zeit um nichts als meine Schwadron und die Verwaltung meiner Güter bekümmert. Ich bin einigermaßen gespannt darauf, den jungen Grafen kennen zu lernen, Gräfin Sibylle hat nur ge¬ schrieben, daß sie mit ihrem Sohne Bad Fischbeck besuchen und von dort aus eine Anknüpfung bewirken würde, welche in Dorotheas Augen dem Zufall zu¬ zuschreiben wäre. Auch die Nachfolge des Hauses Altenschwerdt ist gegenwärtig auf zwei Augen gestellt. Eine eigentümliche Fügung der Vorsehung, daß so viele der ältesten und reinsten Geschlechter erlöschen oder zu erlöschen drohen! Die beiden Herren waren während dieses Gesprächs in dem Blumengarten vor der Halle langsam auf- und abgeschritten, und der Baron stand jetzt still und sah mit einem nachdenklichen Blick zum Himmel auf, als wollte er dort oben um Rat fragen wegen der befremdlichen Ereignisse auf Erden. Der Ge¬ neral dachte an die Meinung der Philosophen, daß es die Entfernung von der Natur sei, welche die reichen Stände aussterben lasse, sodaß sie nur aus den armen Klassen rin neuem Blut erhalten werden könnten. Aber er sprach seine Ge¬ danken nicht aus, weil er wußte, daß sie den Freund nur ärgern würden. In diesen: Augenblicke kehrte das junge Paar von seinein Gange durch den Park zurück und trat durch das Thor in den Garten. Ihre Züge waren be- < lebt durch den Austausch von Meinungen, in denen sie sich beide einander geistig verwandt gefunden hatten, und als der Graf diese beiden schönen und vornehmen Gestalten neben einander daherkommen sah, durchzuckte ihn das Gefühl, daß der Plan seines Freundes, die Herrschaft Eichhausen zu retten, auf einen Wider¬ stand stoßen könne, der keine geringere Macht als Gott Amor selber zum Rück¬ halt haben würde. Der Abend war vorgerückt und ein tiefer, bläulicher Schatten lag auf der hohen Mauer und den starken Pfeilern mit ihrem dichten SchlinM'wachs, dunkel blickte der Park durch das weite Thor herein. Als das jugendliche Paar er¬ schien und einen Augenblick stillstand, indem es die alten Herren erblickte, hob es sich in der Thoröffnung wie auf einem Gemälde mit dunkelm Hintergrunde ab. Dorothea sah unter dem Strohhute mit kirschroten Bändern auf dem schwarzen Haar und in ihrem hellen Sommerkleide mit roten Schleifen hell und lieblich aus, neben ihr stand Eberhardt ernst und männlich, und das blonde, lockige Haar glänzte auf dem unbedeckten Haupte. Nun, mein Herr Maler, rief der Baron, haben Sie genug alte Bäume gesehen? Ich dächte, Sie müßten einigen Appetit bekommen, und ich will hoffen, Dorothea, daß man uns den Tisch gedeckt hat. Die kleine Gesellschaft trat in die Halle ein und schritt durch sie hindurch in ein Gemach, welches durch einen Kronleuchter mit zahlreichen Wachskerzen erleuchtet war. Es war ein hohes, dunkel getäfeltes Zimmer, an dessen Wänden Stillleben niederländischer Schule hingen, Abbildungen solcher Gegenstände, welche die Eßlust reizen, oder Darstellungen, welche den Ursprung der Tafel-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/227>, abgerufen am 25.08.2024.