Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.Die Pflege der Monumentalmalerei in Preußen. wege. Den Schluß der ersten Reihe bildet die Demütigung Heinrichs des Löwen Welch ein ungeheurer Abstand zwischen diesen Bildern, in welche" sich der Die Pflege der Monumentalmalerei in Preußen. wege. Den Schluß der ersten Reihe bildet die Demütigung Heinrichs des Löwen Welch ein ungeheurer Abstand zwischen diesen Bildern, in welche» sich der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0213" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151736"/> <fw type="header" place="top"> Die Pflege der Monumentalmalerei in Preußen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_688" prev="#ID_687"> wege. Den Schluß der ersten Reihe bildet die Demütigung Heinrichs des Löwen<lb/> vor Kaiser Friedrich Barbarossa in der Peterskirche in Erfurt (1181). Das<lb/> erste Bild der Ostseite zeigt die in Siegesjubel aus einer Raubritterburg heim¬<lb/> wärts ziehenden Erfurter Bürger, welche dieselbe unter der Führung des ernst<lb/> und gebietend im Zuge einherreitenden Kaisers Rudolf von Habsburg erobert<lb/> und zerstört haben. Das Bild über der Thür erinnert durch die thronende Ge¬<lb/> stalt der Wissenschaft, der ^Jena mater, und durch die Vertreter der vier Fakul¬<lb/> täten, unter denen sich Luther und Eobanus Hesse befinden, an die kurze, aber<lb/> ruhmvolle Blütezeit der Universität, und durch die beiden Engel, welche mit<lb/> Schriftbändern in den Händen die Wissenschaft umschweben, an die ÜMMs<lb/> ovsouroruin. virorum, welche von Erfurt ausgegangen sind. Das folgende Bild<lb/> ruft in dramatischer Gestaltung das sogenannte „tolle Jahr" ins Gedächtnis,<lb/> jenen Aufruhr von 1509, wo der Pöbel in das Rathaus drang, sich der Stadt¬<lb/> räte bemächtigte und das Regiment an sich riß, welches er unter vielen Greuel-<lb/> .und Gewaltthaten ein Jahr lang behauptete. Der Einzug des Kurfürsten und<lb/> Erzbischofs Johann Philipp von Mainz und die Huldigung der Bürgerschaft<lb/> vor demselben, mit welcher die Bilderreihe der Südseite beginnt, führt uns in<lb/> eine trübe Zeit der Stadt, in welcher ihre Selbständigkeit aufhört. Mit der<lb/> Einverleibung Erfurts in die Monarchie Preußen (1803), deren das folgende<lb/> Thürbild durch die Huldigung der Stände vor König Friedrich Wilhelm III.<lb/> und Luise gedenkt, begann eine neue glückverheißende Ära. Sie wurde nur<lb/> durch die Franzosenherrschast unterbrochen, deren schimpflichstes Denkmal, der<lb/> auf dem Anger zu Ehren „Napoleons des Großen" errichtete hölzerne Obelisk,<lb/> am 6. Januar 1814 beim Einzuge der Preußen niedergerissen wurde. Diesen<lb/> Akt der Volksjustiz stellt das letzte Bild des Cyklus dar.</p><lb/> <p xml:id="ID_689" next="#ID_690"> Welch ein ungeheurer Abstand zwischen diesen Bildern, in welche» sich der<lb/> Realismus der Farbe und der Charakteristik mit einer stilvollen Gestaltung und<lb/> Gliederung der Komposition zu einem Zusammenklange von seltener Harmonie<lb/> vereinigt, und der fremdartig abstrakten, aller Weltlichkeit und Sinnlichkeit ab¬<lb/> gekehrten Formensprache eines Cornelius! Welcher Abstand aber anch in der<lb/> Charakteristik von den frostigen Wandmalereien, den schematischen, eines jeden<lb/> individuellen Lebens entbehrenden Gestalten der spätern Düsseldorfer, die mau<lb/> zu ihrer Zeit Realisten im Gegensatze zu Cornelius nannte! Es ist ein eigen¬<lb/> tümliches Spiel des Zufalls, daß die Reform der Monumentalmalerei — denn<lb/> als einen Reformator auf diesem Gebiete darf man Jenssen aus vielen und<lb/> guten Gründen bezeichnen — von Düsseldorf ausgegangen ist, und zwar von<lb/> der Akademie ausgegangen ist, an welcher Janssen seit 1877 als Professor und<lb/> gegenwärtig als Vorsitzender des Direktoriums wirkt. Das wäre ein Mann,<lb/> welchem getrost diese bedeutsame Stellung mit größerer Machtvollkommenheit<lb/> anvertraut werden könnte. In der Blüte der Jahre, in der Fülle der Kraft,<lb/> mit gerechtem Stolze auf eine Reihe hervorragender Thaten blickend und doch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0213]
Die Pflege der Monumentalmalerei in Preußen.
wege. Den Schluß der ersten Reihe bildet die Demütigung Heinrichs des Löwen
vor Kaiser Friedrich Barbarossa in der Peterskirche in Erfurt (1181). Das
erste Bild der Ostseite zeigt die in Siegesjubel aus einer Raubritterburg heim¬
wärts ziehenden Erfurter Bürger, welche dieselbe unter der Führung des ernst
und gebietend im Zuge einherreitenden Kaisers Rudolf von Habsburg erobert
und zerstört haben. Das Bild über der Thür erinnert durch die thronende Ge¬
stalt der Wissenschaft, der ^Jena mater, und durch die Vertreter der vier Fakul¬
täten, unter denen sich Luther und Eobanus Hesse befinden, an die kurze, aber
ruhmvolle Blütezeit der Universität, und durch die beiden Engel, welche mit
Schriftbändern in den Händen die Wissenschaft umschweben, an die ÜMMs
ovsouroruin. virorum, welche von Erfurt ausgegangen sind. Das folgende Bild
ruft in dramatischer Gestaltung das sogenannte „tolle Jahr" ins Gedächtnis,
jenen Aufruhr von 1509, wo der Pöbel in das Rathaus drang, sich der Stadt¬
räte bemächtigte und das Regiment an sich riß, welches er unter vielen Greuel-
.und Gewaltthaten ein Jahr lang behauptete. Der Einzug des Kurfürsten und
Erzbischofs Johann Philipp von Mainz und die Huldigung der Bürgerschaft
vor demselben, mit welcher die Bilderreihe der Südseite beginnt, führt uns in
eine trübe Zeit der Stadt, in welcher ihre Selbständigkeit aufhört. Mit der
Einverleibung Erfurts in die Monarchie Preußen (1803), deren das folgende
Thürbild durch die Huldigung der Stände vor König Friedrich Wilhelm III.
und Luise gedenkt, begann eine neue glückverheißende Ära. Sie wurde nur
durch die Franzosenherrschast unterbrochen, deren schimpflichstes Denkmal, der
auf dem Anger zu Ehren „Napoleons des Großen" errichtete hölzerne Obelisk,
am 6. Januar 1814 beim Einzuge der Preußen niedergerissen wurde. Diesen
Akt der Volksjustiz stellt das letzte Bild des Cyklus dar.
Welch ein ungeheurer Abstand zwischen diesen Bildern, in welche» sich der
Realismus der Farbe und der Charakteristik mit einer stilvollen Gestaltung und
Gliederung der Komposition zu einem Zusammenklange von seltener Harmonie
vereinigt, und der fremdartig abstrakten, aller Weltlichkeit und Sinnlichkeit ab¬
gekehrten Formensprache eines Cornelius! Welcher Abstand aber anch in der
Charakteristik von den frostigen Wandmalereien, den schematischen, eines jeden
individuellen Lebens entbehrenden Gestalten der spätern Düsseldorfer, die mau
zu ihrer Zeit Realisten im Gegensatze zu Cornelius nannte! Es ist ein eigen¬
tümliches Spiel des Zufalls, daß die Reform der Monumentalmalerei — denn
als einen Reformator auf diesem Gebiete darf man Jenssen aus vielen und
guten Gründen bezeichnen — von Düsseldorf ausgegangen ist, und zwar von
der Akademie ausgegangen ist, an welcher Janssen seit 1877 als Professor und
gegenwärtig als Vorsitzender des Direktoriums wirkt. Das wäre ein Mann,
welchem getrost diese bedeutsame Stellung mit größerer Machtvollkommenheit
anvertraut werden könnte. In der Blüte der Jahre, in der Fülle der Kraft,
mit gerechtem Stolze auf eine Reihe hervorragender Thaten blickend und doch
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