Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Pflege der Monumentalmalerei in Preußen.

folger im Direktorate der Düsseldorfer Akademie, Wilhelm Schadow, trotz seiner
sonstigen Gegnerschaft gegen Cornelius unbedenklich übernommen hatte. Man
hat es heute in seiner allgemeinen Giltigkeit wohl überall als irrig erkannt.
Damals mag es ja seine Berechtigung gehabt haben, insofern nämlich, als es
von dem gewiß richtigen Grundsatze ausging, daß die Malerei sich bei Aus¬
schmückung von Wandflächen den architektonischen Grundbedingungen des Raumes
unterzuordnen habe, und als damals die eben zu neuem Leben erwachte Archi¬
tektur vornehmlich durch den Einfluß Schinkels und Leo von Klenzes noch nicht
zur Erkenntnis dessen gelangt war, was die Farbe der Architektur zu leisten
imstande ist. Eine vollkommene Gleichgültigkeit und Unempfindlichkeit gegen
die belebende Wirkung des Kolorits, welche sich bei den Schülern sogar zu einer
entschiedenen Abneigung und Feindseligkeit gegen die Farbe steigerte, war die
charakteristische Eigentümlichkeit jener Männer, an deren Namen sich die Wieder¬
geburt unsrer Baukunst aus dem Griechentum knüpft. Es ist bekannt, daß dieser
Irrtum auf falschen Voraussetzungen beruht, daß er sich aus mißverständlichen
Auffassungen und namentlich aus einer unvollkommenen Kenntnis der griechischen
Architektur erklärt. Die Forschungen der spätern Jahrzehnte bis herab zu den
Ausgrabungen in Olympia haben uns gelehrt, daß die alten Griechen keines¬
wegs zwischen langweiligen Säulen und Statuen von weißem Marmor umher¬
gelaufen find und ihren Farbensinn keineswegs bloß durch den Anblick des
"ewig blauen" Himmels befriedigt, sondern daß sie vielmehr emsig darnach ge¬
strebt haben, die tote Flüche des Marmors durch allerhand bunte Verzierungen
zu beleben und selbst den Marmorstatuen durch Einreibungen mit aufgelöstem
Wachs, durch Bemalung der Gewänder, durch leichtere Färbung der nackten
Teile, durch Einsetzung von Bronze und Edelsteinen in die Augen, durch Zusatz
von goldnen Schmuckgegenständen u. s. w. den Schein des Lebens zu geben.
Nachdem nun einmal die falschen Boraussetzungen gefallen sind, müssen auch
die Konsequenzen fallen, welche man aus ihnen gezogen hat. Die Cornelianer,
die Nazarener und ihr Anhang werden sich nun freilich auf die Neste alter Wand¬
malereien in romanischen und gothischen Kirchen berufen, aus welchen sie den
besten Teil ihrer Argumente für ihre matte Farbengebung geschöpft haben. Aber
sie vergessen dabei, daß ihnen diese Reste in einem völlig verderbten Zustande
zu Gesicht gekommen sind. Entweder haben die Fresken durch Nässe oder
Sonnenlicht gelitten, oder sie sind erst nach Jahrhunderte langer Verborgenheit
unter der deckenden Tünche hervorgezogen worden. Kann unter solchen Um¬
ständen von einer Erhaltung der ursprünglichen Farben die Rede sein? Weiß
jemand, wie diese Wandmalereien unmittelbar nach ihrer Vollendung ausgesehen
haben? Jetzt, wo sie nach langer Entwöhnung des Lichts wieder demselben
ausgesetzt werden, verbleichen sie schnell und nehmen daher ein ganz andres,
trübseligeres Ansehen an, als sie früher besessen haben, und aus dieser ihrer
jetzigen Beschaffenheit heraus haben sich jene Fanatiker der Farblosigkeit ihr


Die Pflege der Monumentalmalerei in Preußen.

folger im Direktorate der Düsseldorfer Akademie, Wilhelm Schadow, trotz seiner
sonstigen Gegnerschaft gegen Cornelius unbedenklich übernommen hatte. Man
hat es heute in seiner allgemeinen Giltigkeit wohl überall als irrig erkannt.
Damals mag es ja seine Berechtigung gehabt haben, insofern nämlich, als es
von dem gewiß richtigen Grundsatze ausging, daß die Malerei sich bei Aus¬
schmückung von Wandflächen den architektonischen Grundbedingungen des Raumes
unterzuordnen habe, und als damals die eben zu neuem Leben erwachte Archi¬
tektur vornehmlich durch den Einfluß Schinkels und Leo von Klenzes noch nicht
zur Erkenntnis dessen gelangt war, was die Farbe der Architektur zu leisten
imstande ist. Eine vollkommene Gleichgültigkeit und Unempfindlichkeit gegen
die belebende Wirkung des Kolorits, welche sich bei den Schülern sogar zu einer
entschiedenen Abneigung und Feindseligkeit gegen die Farbe steigerte, war die
charakteristische Eigentümlichkeit jener Männer, an deren Namen sich die Wieder¬
geburt unsrer Baukunst aus dem Griechentum knüpft. Es ist bekannt, daß dieser
Irrtum auf falschen Voraussetzungen beruht, daß er sich aus mißverständlichen
Auffassungen und namentlich aus einer unvollkommenen Kenntnis der griechischen
Architektur erklärt. Die Forschungen der spätern Jahrzehnte bis herab zu den
Ausgrabungen in Olympia haben uns gelehrt, daß die alten Griechen keines¬
wegs zwischen langweiligen Säulen und Statuen von weißem Marmor umher¬
gelaufen find und ihren Farbensinn keineswegs bloß durch den Anblick des
„ewig blauen" Himmels befriedigt, sondern daß sie vielmehr emsig darnach ge¬
strebt haben, die tote Flüche des Marmors durch allerhand bunte Verzierungen
zu beleben und selbst den Marmorstatuen durch Einreibungen mit aufgelöstem
Wachs, durch Bemalung der Gewänder, durch leichtere Färbung der nackten
Teile, durch Einsetzung von Bronze und Edelsteinen in die Augen, durch Zusatz
von goldnen Schmuckgegenständen u. s. w. den Schein des Lebens zu geben.
Nachdem nun einmal die falschen Boraussetzungen gefallen sind, müssen auch
die Konsequenzen fallen, welche man aus ihnen gezogen hat. Die Cornelianer,
die Nazarener und ihr Anhang werden sich nun freilich auf die Neste alter Wand¬
malereien in romanischen und gothischen Kirchen berufen, aus welchen sie den
besten Teil ihrer Argumente für ihre matte Farbengebung geschöpft haben. Aber
sie vergessen dabei, daß ihnen diese Reste in einem völlig verderbten Zustande
zu Gesicht gekommen sind. Entweder haben die Fresken durch Nässe oder
Sonnenlicht gelitten, oder sie sind erst nach Jahrhunderte langer Verborgenheit
unter der deckenden Tünche hervorgezogen worden. Kann unter solchen Um¬
ständen von einer Erhaltung der ursprünglichen Farben die Rede sein? Weiß
jemand, wie diese Wandmalereien unmittelbar nach ihrer Vollendung ausgesehen
haben? Jetzt, wo sie nach langer Entwöhnung des Lichts wieder demselben
ausgesetzt werden, verbleichen sie schnell und nehmen daher ein ganz andres,
trübseligeres Ansehen an, als sie früher besessen haben, und aus dieser ihrer
jetzigen Beschaffenheit heraus haben sich jene Fanatiker der Farblosigkeit ihr


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0208" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151726"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Pflege der Monumentalmalerei in Preußen.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_677" prev="#ID_676" next="#ID_678"> folger im Direktorate der Düsseldorfer Akademie, Wilhelm Schadow, trotz seiner<lb/>
sonstigen Gegnerschaft gegen Cornelius unbedenklich übernommen hatte. Man<lb/>
hat es heute in seiner allgemeinen Giltigkeit wohl überall als irrig erkannt.<lb/>
Damals mag es ja seine Berechtigung gehabt haben, insofern nämlich, als es<lb/>
von dem gewiß richtigen Grundsatze ausging, daß die Malerei sich bei Aus¬<lb/>
schmückung von Wandflächen den architektonischen Grundbedingungen des Raumes<lb/>
unterzuordnen habe, und als damals die eben zu neuem Leben erwachte Archi¬<lb/>
tektur vornehmlich durch den Einfluß Schinkels und Leo von Klenzes noch nicht<lb/>
zur Erkenntnis dessen gelangt war, was die Farbe der Architektur zu leisten<lb/>
imstande ist. Eine vollkommene Gleichgültigkeit und Unempfindlichkeit gegen<lb/>
die belebende Wirkung des Kolorits, welche sich bei den Schülern sogar zu einer<lb/>
entschiedenen Abneigung und Feindseligkeit gegen die Farbe steigerte, war die<lb/>
charakteristische Eigentümlichkeit jener Männer, an deren Namen sich die Wieder¬<lb/>
geburt unsrer Baukunst aus dem Griechentum knüpft. Es ist bekannt, daß dieser<lb/>
Irrtum auf falschen Voraussetzungen beruht, daß er sich aus mißverständlichen<lb/>
Auffassungen und namentlich aus einer unvollkommenen Kenntnis der griechischen<lb/>
Architektur erklärt. Die Forschungen der spätern Jahrzehnte bis herab zu den<lb/>
Ausgrabungen in Olympia haben uns gelehrt, daß die alten Griechen keines¬<lb/>
wegs zwischen langweiligen Säulen und Statuen von weißem Marmor umher¬<lb/>
gelaufen find und ihren Farbensinn keineswegs bloß durch den Anblick des<lb/>
&#x201E;ewig blauen" Himmels befriedigt, sondern daß sie vielmehr emsig darnach ge¬<lb/>
strebt haben, die tote Flüche des Marmors durch allerhand bunte Verzierungen<lb/>
zu beleben und selbst den Marmorstatuen durch Einreibungen mit aufgelöstem<lb/>
Wachs, durch Bemalung der Gewänder, durch leichtere Färbung der nackten<lb/>
Teile, durch Einsetzung von Bronze und Edelsteinen in die Augen, durch Zusatz<lb/>
von goldnen Schmuckgegenständen u. s. w. den Schein des Lebens zu geben.<lb/>
Nachdem nun einmal die falschen Boraussetzungen gefallen sind, müssen auch<lb/>
die Konsequenzen fallen, welche man aus ihnen gezogen hat. Die Cornelianer,<lb/>
die Nazarener und ihr Anhang werden sich nun freilich auf die Neste alter Wand¬<lb/>
malereien in romanischen und gothischen Kirchen berufen, aus welchen sie den<lb/>
besten Teil ihrer Argumente für ihre matte Farbengebung geschöpft haben. Aber<lb/>
sie vergessen dabei, daß ihnen diese Reste in einem völlig verderbten Zustande<lb/>
zu Gesicht gekommen sind. Entweder haben die Fresken durch Nässe oder<lb/>
Sonnenlicht gelitten, oder sie sind erst nach Jahrhunderte langer Verborgenheit<lb/>
unter der deckenden Tünche hervorgezogen worden. Kann unter solchen Um¬<lb/>
ständen von einer Erhaltung der ursprünglichen Farben die Rede sein? Weiß<lb/>
jemand, wie diese Wandmalereien unmittelbar nach ihrer Vollendung ausgesehen<lb/>
haben? Jetzt, wo sie nach langer Entwöhnung des Lichts wieder demselben<lb/>
ausgesetzt werden, verbleichen sie schnell und nehmen daher ein ganz andres,<lb/>
trübseligeres Ansehen an, als sie früher besessen haben, und aus dieser ihrer<lb/>
jetzigen Beschaffenheit heraus haben sich jene Fanatiker der Farblosigkeit ihr</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0208] Die Pflege der Monumentalmalerei in Preußen. folger im Direktorate der Düsseldorfer Akademie, Wilhelm Schadow, trotz seiner sonstigen Gegnerschaft gegen Cornelius unbedenklich übernommen hatte. Man hat es heute in seiner allgemeinen Giltigkeit wohl überall als irrig erkannt. Damals mag es ja seine Berechtigung gehabt haben, insofern nämlich, als es von dem gewiß richtigen Grundsatze ausging, daß die Malerei sich bei Aus¬ schmückung von Wandflächen den architektonischen Grundbedingungen des Raumes unterzuordnen habe, und als damals die eben zu neuem Leben erwachte Archi¬ tektur vornehmlich durch den Einfluß Schinkels und Leo von Klenzes noch nicht zur Erkenntnis dessen gelangt war, was die Farbe der Architektur zu leisten imstande ist. Eine vollkommene Gleichgültigkeit und Unempfindlichkeit gegen die belebende Wirkung des Kolorits, welche sich bei den Schülern sogar zu einer entschiedenen Abneigung und Feindseligkeit gegen die Farbe steigerte, war die charakteristische Eigentümlichkeit jener Männer, an deren Namen sich die Wieder¬ geburt unsrer Baukunst aus dem Griechentum knüpft. Es ist bekannt, daß dieser Irrtum auf falschen Voraussetzungen beruht, daß er sich aus mißverständlichen Auffassungen und namentlich aus einer unvollkommenen Kenntnis der griechischen Architektur erklärt. Die Forschungen der spätern Jahrzehnte bis herab zu den Ausgrabungen in Olympia haben uns gelehrt, daß die alten Griechen keines¬ wegs zwischen langweiligen Säulen und Statuen von weißem Marmor umher¬ gelaufen find und ihren Farbensinn keineswegs bloß durch den Anblick des „ewig blauen" Himmels befriedigt, sondern daß sie vielmehr emsig darnach ge¬ strebt haben, die tote Flüche des Marmors durch allerhand bunte Verzierungen zu beleben und selbst den Marmorstatuen durch Einreibungen mit aufgelöstem Wachs, durch Bemalung der Gewänder, durch leichtere Färbung der nackten Teile, durch Einsetzung von Bronze und Edelsteinen in die Augen, durch Zusatz von goldnen Schmuckgegenständen u. s. w. den Schein des Lebens zu geben. Nachdem nun einmal die falschen Boraussetzungen gefallen sind, müssen auch die Konsequenzen fallen, welche man aus ihnen gezogen hat. Die Cornelianer, die Nazarener und ihr Anhang werden sich nun freilich auf die Neste alter Wand¬ malereien in romanischen und gothischen Kirchen berufen, aus welchen sie den besten Teil ihrer Argumente für ihre matte Farbengebung geschöpft haben. Aber sie vergessen dabei, daß ihnen diese Reste in einem völlig verderbten Zustande zu Gesicht gekommen sind. Entweder haben die Fresken durch Nässe oder Sonnenlicht gelitten, oder sie sind erst nach Jahrhunderte langer Verborgenheit unter der deckenden Tünche hervorgezogen worden. Kann unter solchen Um¬ ständen von einer Erhaltung der ursprünglichen Farben die Rede sein? Weiß jemand, wie diese Wandmalereien unmittelbar nach ihrer Vollendung ausgesehen haben? Jetzt, wo sie nach langer Entwöhnung des Lichts wieder demselben ausgesetzt werden, verbleichen sie schnell und nehmen daher ein ganz andres, trübseligeres Ansehen an, als sie früher besessen haben, und aus dieser ihrer jetzigen Beschaffenheit heraus haben sich jene Fanatiker der Farblosigkeit ihr

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/208
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/208>, abgerufen am 23.07.2024.