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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die deutschen Anegervereiuc,

Inzwischen scheint auch an allerhöchster Stelle eine Veränderung in den
Anschauungen bezüglich des Zusammenschlusses aller deutschen Kriegervereine
Platz gegriffen zu haben. Wenigstens machte vor wenigen Monaten unwider¬
sprochen eine Notiz die Runde durch die Tagesblätter, der zufolge der Kaiser
sich dahin ausgesprochen habe, daß eine Vereinigung von Kriegerverbünden ver-
schiedner Staaten nur unter wesentlicher Beteiligung der betreffenden Staats¬
regierungen anzustreben sein würde. Damit wäre den gesamten Einigungsbe-
strcbungen geradezu der Boden unter den Füßen entzogen, namentlich wäre das
kaiserliche Protektorat, dieses letzte und höchste Ziel der alten Krieger, vorläufig
unerreichbar.

Unsre Zeit krankt augenscheinlich an der Sucht, Vereine für alle möglichen
und unmöglichen Zwecke zu begründe". Wenn trotz solcher unleugbar vorhandnen
Überproduktion das Kriegervereinswesen in seiner Entwicklung und Ausdehnung
stetig fortschreitet, so liegt darin das beste Zeichen, daß die Sache einen gesunden
und kräftigen Kern birgt. Die Gegner eines allgemeinen Kricgerverbcmdes meinen
nun, daß jeder einzelne Verein seine hohen Ziele in der ihm angewiesenen räum¬
lichen Begrenzung ebensogut und besser verfolgen könne, als wenn er durch An¬
schluß an einen größer" Verband einen Teil seiner Selbständigkeit dahingäbe.
Dem außerhalb stehenden vorurteilsfreien Beobachter will es denn aber doch
scheinen, als ob das virious unitis auch hier imstande wäre, noch mehr und
besseres zu leisten als partielle Bemühungen, Dies ist aber nicht der Kardinal¬
punkt der Frage, denn in der That verfolgen ja die einzelnen Vereine und Ver¬
bände ihre Zwecke mit großer Umsicht und gutem Erfolge, Vielmehr gewinnt
die Zersplitterung von Tendenzen, bei denen die Notwendigkeit eines innigen
Zusammenwirkens recht eigentlich ans der Hand zu liegen scheint, ihre nicht zu
unterschätzende Bedeutung als Zeichen der Zeit, Mag der Freund des Krieger-
vercinswesens den Mißklang der Trennung bedauern, der politische Schwarz¬
seher ist imstande, Schlüsse aus derartig anscheinend geringfügigen Momenten
zu ziehen, auf eine immer größere Verhältnisse annehmende Zerrissenheit inner¬
halb des nach außen glücklich geeigneten Reiches, für den Patrioten aber er¬
giebt sich aus dem Erkennen von scharf ausgeprägte" Sonderbestrebunge" a"f
einem verhältnismäßig jenigen Gebiete die erneute eriiste Mahnung, mit allen
Kräften an seiner Stelle einzustehen für die stete innere Kräftigung unsers Vater¬
landes, Diese allein gewährleistet die Machtstellung des deutschen Reiches
nach außen, und nur die letztere wiederum ist imstande, uns den Frieden zu
erhalten, den wir ausnahmslos von Gott erflehen.




Die deutschen Anegervereiuc,

Inzwischen scheint auch an allerhöchster Stelle eine Veränderung in den
Anschauungen bezüglich des Zusammenschlusses aller deutschen Kriegervereine
Platz gegriffen zu haben. Wenigstens machte vor wenigen Monaten unwider¬
sprochen eine Notiz die Runde durch die Tagesblätter, der zufolge der Kaiser
sich dahin ausgesprochen habe, daß eine Vereinigung von Kriegerverbünden ver-
schiedner Staaten nur unter wesentlicher Beteiligung der betreffenden Staats¬
regierungen anzustreben sein würde. Damit wäre den gesamten Einigungsbe-
strcbungen geradezu der Boden unter den Füßen entzogen, namentlich wäre das
kaiserliche Protektorat, dieses letzte und höchste Ziel der alten Krieger, vorläufig
unerreichbar.

Unsre Zeit krankt augenscheinlich an der Sucht, Vereine für alle möglichen
und unmöglichen Zwecke zu begründe». Wenn trotz solcher unleugbar vorhandnen
Überproduktion das Kriegervereinswesen in seiner Entwicklung und Ausdehnung
stetig fortschreitet, so liegt darin das beste Zeichen, daß die Sache einen gesunden
und kräftigen Kern birgt. Die Gegner eines allgemeinen Kricgerverbcmdes meinen
nun, daß jeder einzelne Verein seine hohen Ziele in der ihm angewiesenen räum¬
lichen Begrenzung ebensogut und besser verfolgen könne, als wenn er durch An¬
schluß an einen größer« Verband einen Teil seiner Selbständigkeit dahingäbe.
Dem außerhalb stehenden vorurteilsfreien Beobachter will es denn aber doch
scheinen, als ob das virious unitis auch hier imstande wäre, noch mehr und
besseres zu leisten als partielle Bemühungen, Dies ist aber nicht der Kardinal¬
punkt der Frage, denn in der That verfolgen ja die einzelnen Vereine und Ver¬
bände ihre Zwecke mit großer Umsicht und gutem Erfolge, Vielmehr gewinnt
die Zersplitterung von Tendenzen, bei denen die Notwendigkeit eines innigen
Zusammenwirkens recht eigentlich ans der Hand zu liegen scheint, ihre nicht zu
unterschätzende Bedeutung als Zeichen der Zeit, Mag der Freund des Krieger-
vercinswesens den Mißklang der Trennung bedauern, der politische Schwarz¬
seher ist imstande, Schlüsse aus derartig anscheinend geringfügigen Momenten
zu ziehen, auf eine immer größere Verhältnisse annehmende Zerrissenheit inner¬
halb des nach außen glücklich geeigneten Reiches, für den Patrioten aber er¬
giebt sich aus dem Erkennen von scharf ausgeprägte» Sonderbestrebunge» a»f
einem verhältnismäßig jenigen Gebiete die erneute eriiste Mahnung, mit allen
Kräften an seiner Stelle einzustehen für die stete innere Kräftigung unsers Vater¬
landes, Diese allein gewährleistet die Machtstellung des deutschen Reiches
nach außen, und nur die letztere wiederum ist imstande, uns den Frieden zu
erhalten, den wir ausnahmslos von Gott erflehen.




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[0206] Die deutschen Anegervereiuc, Inzwischen scheint auch an allerhöchster Stelle eine Veränderung in den Anschauungen bezüglich des Zusammenschlusses aller deutschen Kriegervereine Platz gegriffen zu haben. Wenigstens machte vor wenigen Monaten unwider¬ sprochen eine Notiz die Runde durch die Tagesblätter, der zufolge der Kaiser sich dahin ausgesprochen habe, daß eine Vereinigung von Kriegerverbünden ver- schiedner Staaten nur unter wesentlicher Beteiligung der betreffenden Staats¬ regierungen anzustreben sein würde. Damit wäre den gesamten Einigungsbe- strcbungen geradezu der Boden unter den Füßen entzogen, namentlich wäre das kaiserliche Protektorat, dieses letzte und höchste Ziel der alten Krieger, vorläufig unerreichbar. Unsre Zeit krankt augenscheinlich an der Sucht, Vereine für alle möglichen und unmöglichen Zwecke zu begründe». Wenn trotz solcher unleugbar vorhandnen Überproduktion das Kriegervereinswesen in seiner Entwicklung und Ausdehnung stetig fortschreitet, so liegt darin das beste Zeichen, daß die Sache einen gesunden und kräftigen Kern birgt. Die Gegner eines allgemeinen Kricgerverbcmdes meinen nun, daß jeder einzelne Verein seine hohen Ziele in der ihm angewiesenen räum¬ lichen Begrenzung ebensogut und besser verfolgen könne, als wenn er durch An¬ schluß an einen größer« Verband einen Teil seiner Selbständigkeit dahingäbe. Dem außerhalb stehenden vorurteilsfreien Beobachter will es denn aber doch scheinen, als ob das virious unitis auch hier imstande wäre, noch mehr und besseres zu leisten als partielle Bemühungen, Dies ist aber nicht der Kardinal¬ punkt der Frage, denn in der That verfolgen ja die einzelnen Vereine und Ver¬ bände ihre Zwecke mit großer Umsicht und gutem Erfolge, Vielmehr gewinnt die Zersplitterung von Tendenzen, bei denen die Notwendigkeit eines innigen Zusammenwirkens recht eigentlich ans der Hand zu liegen scheint, ihre nicht zu unterschätzende Bedeutung als Zeichen der Zeit, Mag der Freund des Krieger- vercinswesens den Mißklang der Trennung bedauern, der politische Schwarz¬ seher ist imstande, Schlüsse aus derartig anscheinend geringfügigen Momenten zu ziehen, auf eine immer größere Verhältnisse annehmende Zerrissenheit inner¬ halb des nach außen glücklich geeigneten Reiches, für den Patrioten aber er¬ giebt sich aus dem Erkennen von scharf ausgeprägte» Sonderbestrebunge» a»f einem verhältnismäßig jenigen Gebiete die erneute eriiste Mahnung, mit allen Kräften an seiner Stelle einzustehen für die stete innere Kräftigung unsers Vater¬ landes, Diese allein gewährleistet die Machtstellung des deutschen Reiches nach außen, und nur die letztere wiederum ist imstande, uns den Frieden zu erhalten, den wir ausnahmslos von Gott erflehen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/206>, abgerufen am 23.07.2024.