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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die antiken Lhristenverfolgungen und der Kulturkampf.

Wie ein kluger Vater seinen ungestümen Sohn, und die beiden Cnsaren Galerius
und Konstantins, die ernannt worden waren, als Diocletian schon lange Jahre
den Purpur getragen, sahen ehrfurchtsvoll zu ihn: auf und richteten sich nach
seinen Winken. Dazu war Constantius, der Beherrscher von Gallien und Bri¬
tannien, dem Christentum geneigt. Aber Diocletian lernte am Abend seines
thatenreichen Lebens anders denken, und derjenige, welcher ans seine Umstimmung
einen bedeutenden Einfluß ausübte, war Galerius, ein ernster, wenn nicht
finsterer Charakter. Diocletian behandelte ihn seines festen und zuverlässigen
Wesens wegen mit Auszeichnung. So wurde Galerius' Haß gegen die Christen
für diese verhängnisvoll. Im Winter 302 auf 303, nach siegreicher Beendigung
eines Feldzuges gegen die Perser, hielt er sich in Nicomedia bei Diocletian ans,
drang mit seiner Ansicht vollständig durch, und es erfolgte nun der Anfang
einer systematischen Verfolgung mit der Niederreißung der Hauptkirche in Nico¬
media, wie oben bereits erwähnt ist.

Am Tage darauf erfolgte ein Edikt -- dessen Wortlaut wir nicht kennen --,
in dem aber verordnet wurde, daß die Kirchen in allen Gegenden des Reiches
von Grund aus zerstört werden sollten; es wurde Todesstrafe gegen jeden aus¬
gesprochen, der irgendeine geheime Versammlung behufs religiöser Verehrung
abhalten werde. Die christlichen Schriften sollten an die Magistratspersonen
ausgeliefert und öffentlich verbrannt werden. Das Eigentum der Kirchen,
welches durch fromme Schenkungen angewachsen war, wurde eingezogen. Christ¬
liche Personen von anständiger Geburt wurden für unfähig erklärt, irgendwelche
Ehrenstellen oder Dienste zu bekleiden, Sklaven für immer der Freiheit beraubt
und dem großen Haufen des Volks aller Schutz und alle Vorteile des Gesetzes
entzogen. Die Richter sollten alle und jede Klage gegen die Christen annehmen.

Dem ersten Edikt folgte nach etwa einem Jahre ein zweites, welches die
Verhaftung aller Geistlichen befahl, diesem ein drittes, wonach die Gefangenen,
wenn sie opferten, freigelassen, sonst aber auf jede Weise zum Opfern gezwungen
werden sollten; im Jahre 304 endlich dehnte ein viertes Edikt das Gebot aus
alle Christen aus und begriff faktisch ein Todesurteil in sich. In aller Strenge
dauerte die Verfolgung im Osten etwa vier Jahre und dann noch weitere fünf
Jahre unter Schwankungen fort; im Westen, wo sie nicht allgemein gewesen
war, hörte sie früher auf.

Nach unsern Begriffen von Regierung hätte das Gesetz, welches die Ver¬
folgung anordnete, an einem einzigen Tage im ganzen Reiche bekannt gemacht
werden müssen; hier ließ man fünfzig Tage vergehen, ehe es in Syrien, beinahe
vier Monate, ehe es in Afrika bekannt gemacht wurde; in Gallien und Bri¬
tannien kam es garnicht zur Ausführung, während Maximicinus in Italien mit
großem Eifer darauf losging. Aus diesen Vorgängen läßt sich schließen, daß
die Regierungsmaschine im Kampfe gegen die Christen nicht mehr exakt arbeitete;
sie konnte nicht die Ausführung von Gesetzen gleichmäßig erzwingen, welche der


Die antiken Lhristenverfolgungen und der Kulturkampf.

Wie ein kluger Vater seinen ungestümen Sohn, und die beiden Cnsaren Galerius
und Konstantins, die ernannt worden waren, als Diocletian schon lange Jahre
den Purpur getragen, sahen ehrfurchtsvoll zu ihn: auf und richteten sich nach
seinen Winken. Dazu war Constantius, der Beherrscher von Gallien und Bri¬
tannien, dem Christentum geneigt. Aber Diocletian lernte am Abend seines
thatenreichen Lebens anders denken, und derjenige, welcher ans seine Umstimmung
einen bedeutenden Einfluß ausübte, war Galerius, ein ernster, wenn nicht
finsterer Charakter. Diocletian behandelte ihn seines festen und zuverlässigen
Wesens wegen mit Auszeichnung. So wurde Galerius' Haß gegen die Christen
für diese verhängnisvoll. Im Winter 302 auf 303, nach siegreicher Beendigung
eines Feldzuges gegen die Perser, hielt er sich in Nicomedia bei Diocletian ans,
drang mit seiner Ansicht vollständig durch, und es erfolgte nun der Anfang
einer systematischen Verfolgung mit der Niederreißung der Hauptkirche in Nico¬
media, wie oben bereits erwähnt ist.

Am Tage darauf erfolgte ein Edikt — dessen Wortlaut wir nicht kennen —,
in dem aber verordnet wurde, daß die Kirchen in allen Gegenden des Reiches
von Grund aus zerstört werden sollten; es wurde Todesstrafe gegen jeden aus¬
gesprochen, der irgendeine geheime Versammlung behufs religiöser Verehrung
abhalten werde. Die christlichen Schriften sollten an die Magistratspersonen
ausgeliefert und öffentlich verbrannt werden. Das Eigentum der Kirchen,
welches durch fromme Schenkungen angewachsen war, wurde eingezogen. Christ¬
liche Personen von anständiger Geburt wurden für unfähig erklärt, irgendwelche
Ehrenstellen oder Dienste zu bekleiden, Sklaven für immer der Freiheit beraubt
und dem großen Haufen des Volks aller Schutz und alle Vorteile des Gesetzes
entzogen. Die Richter sollten alle und jede Klage gegen die Christen annehmen.

Dem ersten Edikt folgte nach etwa einem Jahre ein zweites, welches die
Verhaftung aller Geistlichen befahl, diesem ein drittes, wonach die Gefangenen,
wenn sie opferten, freigelassen, sonst aber auf jede Weise zum Opfern gezwungen
werden sollten; im Jahre 304 endlich dehnte ein viertes Edikt das Gebot aus
alle Christen aus und begriff faktisch ein Todesurteil in sich. In aller Strenge
dauerte die Verfolgung im Osten etwa vier Jahre und dann noch weitere fünf
Jahre unter Schwankungen fort; im Westen, wo sie nicht allgemein gewesen
war, hörte sie früher auf.

Nach unsern Begriffen von Regierung hätte das Gesetz, welches die Ver¬
folgung anordnete, an einem einzigen Tage im ganzen Reiche bekannt gemacht
werden müssen; hier ließ man fünfzig Tage vergehen, ehe es in Syrien, beinahe
vier Monate, ehe es in Afrika bekannt gemacht wurde; in Gallien und Bri¬
tannien kam es garnicht zur Ausführung, während Maximicinus in Italien mit
großem Eifer darauf losging. Aus diesen Vorgängen läßt sich schließen, daß
die Regierungsmaschine im Kampfe gegen die Christen nicht mehr exakt arbeitete;
sie konnte nicht die Ausführung von Gesetzen gleichmäßig erzwingen, welche der


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[0138] Die antiken Lhristenverfolgungen und der Kulturkampf. Wie ein kluger Vater seinen ungestümen Sohn, und die beiden Cnsaren Galerius und Konstantins, die ernannt worden waren, als Diocletian schon lange Jahre den Purpur getragen, sahen ehrfurchtsvoll zu ihn: auf und richteten sich nach seinen Winken. Dazu war Constantius, der Beherrscher von Gallien und Bri¬ tannien, dem Christentum geneigt. Aber Diocletian lernte am Abend seines thatenreichen Lebens anders denken, und derjenige, welcher ans seine Umstimmung einen bedeutenden Einfluß ausübte, war Galerius, ein ernster, wenn nicht finsterer Charakter. Diocletian behandelte ihn seines festen und zuverlässigen Wesens wegen mit Auszeichnung. So wurde Galerius' Haß gegen die Christen für diese verhängnisvoll. Im Winter 302 auf 303, nach siegreicher Beendigung eines Feldzuges gegen die Perser, hielt er sich in Nicomedia bei Diocletian ans, drang mit seiner Ansicht vollständig durch, und es erfolgte nun der Anfang einer systematischen Verfolgung mit der Niederreißung der Hauptkirche in Nico¬ media, wie oben bereits erwähnt ist. Am Tage darauf erfolgte ein Edikt — dessen Wortlaut wir nicht kennen —, in dem aber verordnet wurde, daß die Kirchen in allen Gegenden des Reiches von Grund aus zerstört werden sollten; es wurde Todesstrafe gegen jeden aus¬ gesprochen, der irgendeine geheime Versammlung behufs religiöser Verehrung abhalten werde. Die christlichen Schriften sollten an die Magistratspersonen ausgeliefert und öffentlich verbrannt werden. Das Eigentum der Kirchen, welches durch fromme Schenkungen angewachsen war, wurde eingezogen. Christ¬ liche Personen von anständiger Geburt wurden für unfähig erklärt, irgendwelche Ehrenstellen oder Dienste zu bekleiden, Sklaven für immer der Freiheit beraubt und dem großen Haufen des Volks aller Schutz und alle Vorteile des Gesetzes entzogen. Die Richter sollten alle und jede Klage gegen die Christen annehmen. Dem ersten Edikt folgte nach etwa einem Jahre ein zweites, welches die Verhaftung aller Geistlichen befahl, diesem ein drittes, wonach die Gefangenen, wenn sie opferten, freigelassen, sonst aber auf jede Weise zum Opfern gezwungen werden sollten; im Jahre 304 endlich dehnte ein viertes Edikt das Gebot aus alle Christen aus und begriff faktisch ein Todesurteil in sich. In aller Strenge dauerte die Verfolgung im Osten etwa vier Jahre und dann noch weitere fünf Jahre unter Schwankungen fort; im Westen, wo sie nicht allgemein gewesen war, hörte sie früher auf. Nach unsern Begriffen von Regierung hätte das Gesetz, welches die Ver¬ folgung anordnete, an einem einzigen Tage im ganzen Reiche bekannt gemacht werden müssen; hier ließ man fünfzig Tage vergehen, ehe es in Syrien, beinahe vier Monate, ehe es in Afrika bekannt gemacht wurde; in Gallien und Bri¬ tannien kam es garnicht zur Ausführung, während Maximicinus in Italien mit großem Eifer darauf losging. Aus diesen Vorgängen läßt sich schließen, daß die Regierungsmaschine im Kampfe gegen die Christen nicht mehr exakt arbeitete; sie konnte nicht die Ausführung von Gesetzen gleichmäßig erzwingen, welche der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/138>, abgerufen am 23.07.2024.