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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die antiken Lhnsteiwerfolgungen und der Aultmkamxf.

Wenn nach der neronischen Zeit eine Reihe von Christenverfolgungen von
den in religiösen Dingen so gleichgiltigen Römern ausgingen, so haben diese
meistenteils in den Besonderheiten ihren Grund, durch welche die Christen bei
den Heiden Anstoß erregten. Die Christen nahmen sür sich eine gewisse Aus-
schließlichkeit in Anspruch. Sie hielten sich sür besondre Kinder Gottes, erklärten
ihre Religion für die allein wahre, zogen sich verächtlich von den heidnischen
Religionsgebrünchen zurück. Dieser geistliche Hochmut wurde den Heiden ver¬
ächtlich und hassenswert. Einige heidnische Religionsgebräuche wurden außerdem
für jede" Staatsbürger für notwendig gehalten. Dahin gehörte besonders das
Opfern für den Genius des Kaisers. Die Christen hielten das für Götzendienst
und thaten es nicht, weshalb sie für Frevler an der Majestät des Kaisers ge¬
halten wurden. Ferner predigten sie den Untergang der Welt, da sie die Lehre
vom jüngsten Tage auf ihre Zeit bezogen. Die Römer, die ihren Staat für
ewig hielten, glaubten deshalb, Staatsfeiude in ihnen erblicken zu müssen. Nimmt
man noch hinzu, daß sie sich zeitweise weigerten, Kriegsdienste zu leisten, da sie
kein Blut vergießen dürften, daß z. B. einst ein höherer Befehlshaber urplötzlich
seine Waffen wegwarf, durch die Straßen lief und ausrief, es sei Frevel,
Waffen zu tragen, so kann man sich nicht wundern, wenn es Zeiten gab, in
welchen man von der Staatsgefährlichkeit der christlichen Lehren überzeugt war.
Was sollte der römische Staat, der allein dnrch Waffengewalt seine Größe erlangt
hatte und bewahrte, mit einer Religion, die nach seiner Meinung Feiglinge erzog?
Trotzdem verfuhr man verhältnismäßig schonend und mild. Man hielt die Christen
mehr für beklagenswert, da man ihre Gesinnung nicht begreifen konnte. Häufig
wurde auch die Ausführung strenger Verordnungen Beamten anvertraut, welche
dem Christentum geneigt oder doch von der Nutzlosigkeit der Verfolgungen über¬
zeugt waren. Das sind allgemeine Gesichtspunkte, die bei allen Verfolgungen
berücksichtigt werden müssen, also auch bei der dioclctianischen, der heftigsten,
längsten, allgemeinsten und zugleich letzten, wenn auch hier noch besondre Momente
in Betracht zu ziehen sind.

Die diocletianische Christenverfolgung begann am 23. Februar 303 damit,
daß die Hauptkirche der Christen in Nicomedia, wo Diocletian residirte, nieder¬
gerissen wurde. Fragen wir darnach, wie es zu dieser Gewaltmaßregel gekommen,
so stoßen wir auf eine Nachricht, die nicht geringere Bedenken erregen muß
als die taciteische Erzählung über die neroische Verfolgung, nur daß der Bericht¬
erstatter hier in umgekehrter Weise für die Christen Partei nimmt. Es ist
Lactantius, der in seinem Buche "Über die Todesarten der Verfolger" (of mortivus
xsrLöcutorum) im zehnten Kapitel zunächst berichtet, daß eine wichtige Ein-
gewcideschau in Gegenwart des Kaisers dadurch gestört worden sei, daß die
anwesenden christlichen Hofleute das Kreuz geschlagen (oder an ihre Stirnen ein
wirkliches Kreuz geheftet) und damit die Dämonen Vertrieben hätten; vergebens
sei das Opfer mehrmals wiederholt worden, bis der Vorsteher der Haruspices


Die antiken Lhnsteiwerfolgungen und der Aultmkamxf.

Wenn nach der neronischen Zeit eine Reihe von Christenverfolgungen von
den in religiösen Dingen so gleichgiltigen Römern ausgingen, so haben diese
meistenteils in den Besonderheiten ihren Grund, durch welche die Christen bei
den Heiden Anstoß erregten. Die Christen nahmen sür sich eine gewisse Aus-
schließlichkeit in Anspruch. Sie hielten sich sür besondre Kinder Gottes, erklärten
ihre Religion für die allein wahre, zogen sich verächtlich von den heidnischen
Religionsgebrünchen zurück. Dieser geistliche Hochmut wurde den Heiden ver¬
ächtlich und hassenswert. Einige heidnische Religionsgebräuche wurden außerdem
für jede» Staatsbürger für notwendig gehalten. Dahin gehörte besonders das
Opfern für den Genius des Kaisers. Die Christen hielten das für Götzendienst
und thaten es nicht, weshalb sie für Frevler an der Majestät des Kaisers ge¬
halten wurden. Ferner predigten sie den Untergang der Welt, da sie die Lehre
vom jüngsten Tage auf ihre Zeit bezogen. Die Römer, die ihren Staat für
ewig hielten, glaubten deshalb, Staatsfeiude in ihnen erblicken zu müssen. Nimmt
man noch hinzu, daß sie sich zeitweise weigerten, Kriegsdienste zu leisten, da sie
kein Blut vergießen dürften, daß z. B. einst ein höherer Befehlshaber urplötzlich
seine Waffen wegwarf, durch die Straßen lief und ausrief, es sei Frevel,
Waffen zu tragen, so kann man sich nicht wundern, wenn es Zeiten gab, in
welchen man von der Staatsgefährlichkeit der christlichen Lehren überzeugt war.
Was sollte der römische Staat, der allein dnrch Waffengewalt seine Größe erlangt
hatte und bewahrte, mit einer Religion, die nach seiner Meinung Feiglinge erzog?
Trotzdem verfuhr man verhältnismäßig schonend und mild. Man hielt die Christen
mehr für beklagenswert, da man ihre Gesinnung nicht begreifen konnte. Häufig
wurde auch die Ausführung strenger Verordnungen Beamten anvertraut, welche
dem Christentum geneigt oder doch von der Nutzlosigkeit der Verfolgungen über¬
zeugt waren. Das sind allgemeine Gesichtspunkte, die bei allen Verfolgungen
berücksichtigt werden müssen, also auch bei der dioclctianischen, der heftigsten,
längsten, allgemeinsten und zugleich letzten, wenn auch hier noch besondre Momente
in Betracht zu ziehen sind.

Die diocletianische Christenverfolgung begann am 23. Februar 303 damit,
daß die Hauptkirche der Christen in Nicomedia, wo Diocletian residirte, nieder¬
gerissen wurde. Fragen wir darnach, wie es zu dieser Gewaltmaßregel gekommen,
so stoßen wir auf eine Nachricht, die nicht geringere Bedenken erregen muß
als die taciteische Erzählung über die neroische Verfolgung, nur daß der Bericht¬
erstatter hier in umgekehrter Weise für die Christen Partei nimmt. Es ist
Lactantius, der in seinem Buche „Über die Todesarten der Verfolger" (of mortivus
xsrLöcutorum) im zehnten Kapitel zunächst berichtet, daß eine wichtige Ein-
gewcideschau in Gegenwart des Kaisers dadurch gestört worden sei, daß die
anwesenden christlichen Hofleute das Kreuz geschlagen (oder an ihre Stirnen ein
wirkliches Kreuz geheftet) und damit die Dämonen Vertrieben hätten; vergebens
sei das Opfer mehrmals wiederholt worden, bis der Vorsteher der Haruspices


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/136>, abgerufen am 25.08.2024.