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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grase" von Altenschwerdt.

gischen Wesen, das sich in ihm kundgab, den Militär entdecken, obwohl sein
Anzug der eines Gutsbesitzers war, der gemächlich den Stand seiner Saaten
zu beobachten ausreitet. Sein Pferd war von vorzüglicher Rasse, ein Goldfuchs
mit fein geschnittenem Kopf, zierlichen Hufen und prächtigen: Schweif,

Der Reiter hielt sein Pferd vor der Thür des Gasthofes an, klopfte mit
dem Knopf seiner Peitsche an das Fenster der Wirtsstube und fragte die in
Eile herausstürzende Wirtin, ob bei ihr ein Herr wohne, der Eschenburg heiße
und Maler sei. Die Wirtin knixte einmal über das andre, wischte mit dem
Schürzenzipfel an ihren Händen und versuchte, sich selber von oben bis unten
zu betrachten, ob sie würdig sei, einer so vornehmen Persönlichkeit gegenüber
zu erscheinen. Dann versicherte sie, der Herr, nach welchem der Herr Bnron
frage, sei allerdings ihr Gast, und sie werde ihn sofort herbeiholen, damit er dem
Herrn Baron seine Aufwartung mache.

Sie lief alsdann mit freudestrahlendem Gesicht zu der Linde, in deren
Schatten Eberhardt die Kühle des Morgens genoß, und teilte ihm eifrig mit,
daß ihm ein gutes Glück bevorstehe. Er möge gleich kommen und sich dem
Herrn Baron von Sextus vorstellen, der vor ihrer Thüre halte und ihm wahr¬
scheinlich einen Auftrag geben wolle. In ihrem guten Herzen freute sie sich
über die günstige Aussicht, welche ihrer Meinung nach dem jungen Maler sich
eröffnete, und ihr Ehrgeiz stellte ihr schon eine Zukunft vor, in welcher des Herrn
Guido Künstlerruhm noch verdunkelt werden könnte durch ein Genie, das
von ihrem Wirtshause aus alle Gutsbesitzer der Umgegend zusammenlocken und
den Ruf des neuanstrebcnden Bades Fischbeck verdunkeln könne.

Daher war sie sehr verwundert und unangenehm überrascht, als Eberhardt
gelassen sitzen blieb und ihr auftrug, dem Herrn Baron zu sagen, er möge näher
treten. Sie hielt es für ganz undenkbar und für unverträglich mit den ihr
bekannten Gesetzen der gesellschaftlichen Ordnung, daß ein Mann wie Baron
Sextus nicht bei diesem unbekannten jungen Manne den gebührenden Respekt
finden sollte, und sie glaubte es ihrer eignen Stellung schuldig zu sein, den
selbstbewußten Gast zurechtzuweisen. Wohl hatte die Ankunft des Negers ihr
sehr imponirt und war ihr ein Beweis des eignen Scharfblickes gewesen, womit
sie von Anfang an erkannt, daß etwas besondres in dem Fremden stecke, aber
sie neigte doch zu der unklaren Vorstellung, daß hier irgend ein Verhältnis
wie das zwischen Künstler und Modell oder wie zwischen Androklus und dem
Löwen vorwalte, und sie war nicht der Meinung, daß der junge Mann das
Zeug dazu habe, den Baron von Sextus zu sich kommen zu lassen, anstatt ihm
an das Pferd entgegenzugehen, Eberhardt jedoch gab, während die Wirtin ihm
in einiger Verlegenheit Einwürfe zu machen anfing, dem Schwarzen einen Wink,
dieser entfernte sich und kam alsbald mit dem Besucher selbst zurück.

Der Baron war nicht wenig verwundert, in englischer Sprache begrüßt
und von einem Schwarzen empfangen zu werden, und seine Verwunderung stieg


Die Grase» von Altenschwerdt.

gischen Wesen, das sich in ihm kundgab, den Militär entdecken, obwohl sein
Anzug der eines Gutsbesitzers war, der gemächlich den Stand seiner Saaten
zu beobachten ausreitet. Sein Pferd war von vorzüglicher Rasse, ein Goldfuchs
mit fein geschnittenem Kopf, zierlichen Hufen und prächtigen: Schweif,

Der Reiter hielt sein Pferd vor der Thür des Gasthofes an, klopfte mit
dem Knopf seiner Peitsche an das Fenster der Wirtsstube und fragte die in
Eile herausstürzende Wirtin, ob bei ihr ein Herr wohne, der Eschenburg heiße
und Maler sei. Die Wirtin knixte einmal über das andre, wischte mit dem
Schürzenzipfel an ihren Händen und versuchte, sich selber von oben bis unten
zu betrachten, ob sie würdig sei, einer so vornehmen Persönlichkeit gegenüber
zu erscheinen. Dann versicherte sie, der Herr, nach welchem der Herr Bnron
frage, sei allerdings ihr Gast, und sie werde ihn sofort herbeiholen, damit er dem
Herrn Baron seine Aufwartung mache.

Sie lief alsdann mit freudestrahlendem Gesicht zu der Linde, in deren
Schatten Eberhardt die Kühle des Morgens genoß, und teilte ihm eifrig mit,
daß ihm ein gutes Glück bevorstehe. Er möge gleich kommen und sich dem
Herrn Baron von Sextus vorstellen, der vor ihrer Thüre halte und ihm wahr¬
scheinlich einen Auftrag geben wolle. In ihrem guten Herzen freute sie sich
über die günstige Aussicht, welche ihrer Meinung nach dem jungen Maler sich
eröffnete, und ihr Ehrgeiz stellte ihr schon eine Zukunft vor, in welcher des Herrn
Guido Künstlerruhm noch verdunkelt werden könnte durch ein Genie, das
von ihrem Wirtshause aus alle Gutsbesitzer der Umgegend zusammenlocken und
den Ruf des neuanstrebcnden Bades Fischbeck verdunkeln könne.

Daher war sie sehr verwundert und unangenehm überrascht, als Eberhardt
gelassen sitzen blieb und ihr auftrug, dem Herrn Baron zu sagen, er möge näher
treten. Sie hielt es für ganz undenkbar und für unverträglich mit den ihr
bekannten Gesetzen der gesellschaftlichen Ordnung, daß ein Mann wie Baron
Sextus nicht bei diesem unbekannten jungen Manne den gebührenden Respekt
finden sollte, und sie glaubte es ihrer eignen Stellung schuldig zu sein, den
selbstbewußten Gast zurechtzuweisen. Wohl hatte die Ankunft des Negers ihr
sehr imponirt und war ihr ein Beweis des eignen Scharfblickes gewesen, womit
sie von Anfang an erkannt, daß etwas besondres in dem Fremden stecke, aber
sie neigte doch zu der unklaren Vorstellung, daß hier irgend ein Verhältnis
wie das zwischen Künstler und Modell oder wie zwischen Androklus und dem
Löwen vorwalte, und sie war nicht der Meinung, daß der junge Mann das
Zeug dazu habe, den Baron von Sextus zu sich kommen zu lassen, anstatt ihm
an das Pferd entgegenzugehen, Eberhardt jedoch gab, während die Wirtin ihm
in einiger Verlegenheit Einwürfe zu machen anfing, dem Schwarzen einen Wink,
dieser entfernte sich und kam alsbald mit dem Besucher selbst zurück.

Der Baron war nicht wenig verwundert, in englischer Sprache begrüßt
und von einem Schwarzen empfangen zu werden, und seine Verwunderung stieg


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[0118] Die Grase» von Altenschwerdt. gischen Wesen, das sich in ihm kundgab, den Militär entdecken, obwohl sein Anzug der eines Gutsbesitzers war, der gemächlich den Stand seiner Saaten zu beobachten ausreitet. Sein Pferd war von vorzüglicher Rasse, ein Goldfuchs mit fein geschnittenem Kopf, zierlichen Hufen und prächtigen: Schweif, Der Reiter hielt sein Pferd vor der Thür des Gasthofes an, klopfte mit dem Knopf seiner Peitsche an das Fenster der Wirtsstube und fragte die in Eile herausstürzende Wirtin, ob bei ihr ein Herr wohne, der Eschenburg heiße und Maler sei. Die Wirtin knixte einmal über das andre, wischte mit dem Schürzenzipfel an ihren Händen und versuchte, sich selber von oben bis unten zu betrachten, ob sie würdig sei, einer so vornehmen Persönlichkeit gegenüber zu erscheinen. Dann versicherte sie, der Herr, nach welchem der Herr Bnron frage, sei allerdings ihr Gast, und sie werde ihn sofort herbeiholen, damit er dem Herrn Baron seine Aufwartung mache. Sie lief alsdann mit freudestrahlendem Gesicht zu der Linde, in deren Schatten Eberhardt die Kühle des Morgens genoß, und teilte ihm eifrig mit, daß ihm ein gutes Glück bevorstehe. Er möge gleich kommen und sich dem Herrn Baron von Sextus vorstellen, der vor ihrer Thüre halte und ihm wahr¬ scheinlich einen Auftrag geben wolle. In ihrem guten Herzen freute sie sich über die günstige Aussicht, welche ihrer Meinung nach dem jungen Maler sich eröffnete, und ihr Ehrgeiz stellte ihr schon eine Zukunft vor, in welcher des Herrn Guido Künstlerruhm noch verdunkelt werden könnte durch ein Genie, das von ihrem Wirtshause aus alle Gutsbesitzer der Umgegend zusammenlocken und den Ruf des neuanstrebcnden Bades Fischbeck verdunkeln könne. Daher war sie sehr verwundert und unangenehm überrascht, als Eberhardt gelassen sitzen blieb und ihr auftrug, dem Herrn Baron zu sagen, er möge näher treten. Sie hielt es für ganz undenkbar und für unverträglich mit den ihr bekannten Gesetzen der gesellschaftlichen Ordnung, daß ein Mann wie Baron Sextus nicht bei diesem unbekannten jungen Manne den gebührenden Respekt finden sollte, und sie glaubte es ihrer eignen Stellung schuldig zu sein, den selbstbewußten Gast zurechtzuweisen. Wohl hatte die Ankunft des Negers ihr sehr imponirt und war ihr ein Beweis des eignen Scharfblickes gewesen, womit sie von Anfang an erkannt, daß etwas besondres in dem Fremden stecke, aber sie neigte doch zu der unklaren Vorstellung, daß hier irgend ein Verhältnis wie das zwischen Künstler und Modell oder wie zwischen Androklus und dem Löwen vorwalte, und sie war nicht der Meinung, daß der junge Mann das Zeug dazu habe, den Baron von Sextus zu sich kommen zu lassen, anstatt ihm an das Pferd entgegenzugehen, Eberhardt jedoch gab, während die Wirtin ihm in einiger Verlegenheit Einwürfe zu machen anfing, dem Schwarzen einen Wink, dieser entfernte sich und kam alsbald mit dem Besucher selbst zurück. Der Baron war nicht wenig verwundert, in englischer Sprache begrüßt und von einem Schwarzen empfangen zu werden, und seine Verwunderung stieg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/118>, abgerufen am 23.07.2024.