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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Sie Grafen von Altenschwcrdt.

an, und er kämpft für dessen Ehre, so sagte sie mir eines Tages mit einem
freudigen Aufleuchten ihres milden Antlitzes, als wir lange Zeit über der tele¬
graphischen Nachricht von einer großen Schlacht gebrütet hatten und noch keinen
Brief von Ihnen erwarten konnten.

Was sagte sie noch von meinem Vater? fragte Eberhardt mit gerunzelten
Brauen. Hat sie nicht eine Äußerung gethan, die darauf schließen läßt, daß sie
ihre Ansicht geändert hat? Daß sie nun meinem gerechten Verlangen keinen
Widerstand mehr entgegensetzen wollte? Hat sie nicht bei ihren: Abscheiden
wenigstens als letzten Wunsch hinterlassen, daß ich nun nicht mehr eine Rücksicht
walten lassen soll, die während ihres Lebens sich wohl erklären ließ, nunmehr
aber hinfällig ist?

Der Schwarze schüttelte den Kopf.

Lieber junger Herr, sagte er, die Lady war ganz Güte und Liebe, und
eine Änderung ihrer Ansichten habe ich bei ihr nie bemerkt.

Eberhardt hob die Augen empor und seufzte tief.

, Im Gegenteil bekräftigte sie in der Stunde ihres Todes noch den Wunsch,
den sie in ihrem Leben Ihnen gegenüber aussprach. Sie beauftragte mich,
Ihnen zu sagen, Sie sollten des Versprechens gedenken, das Sie ihr hinsichtlich
der Dokumente gegeben hätten. Ich habe diese Dokumente und die übrigen
Papiere, welche die Hinterlassenschaft meiner Lady bilden, in dieser Kassette
mitgebracht.

Mit diesen Worten erhob er sich und holte den Kasten von dunkelm Holz
mit Silberbeschlag herbei, der ihm in dem Hause an Hudsonfluß übergeben
worden war.

Eberhardt sah die wohlbekannte Kassette vor sich auf dem Tische stehen,
und von neuem drängten sich Thränen in seine Augen. Du altes geheimnis¬
volles Kästchen meiner Kindheit, sagte er, wie oft habe ich dich als Knabe
mit Neugierde betrachtet, wie oft die liebe Mutter gebeten, mir deinen Schlüssel
anzuvertrauen. Du standest als Reliquie aus einer alten Welt gar wunderlich
und zauberisch für meine Augen in dem weißen Tannenschrcmk des weißen
Zimmers in der neuen Welt, und in deinem Anblick waren für mich Aladins
Wunderhöhle und der Zauberberg des Orients enthalten. Nun habe ich dich
in meinen Händen, doch du bist für mich wiederum ein verzaubertes Schloß.
In deinen Wänden birgst du die kostbaren Dokumente, die meiner Mutter Ehre
und meine eigne Stellung erheben könnten, und ich soll sie nicht an das Tages¬
licht bringen, auf immer sollen sie verborgen bleiben, ungekmmt und verachtet
sollen deine aufopfernde Liebe, o Mutter, und unser beider Namen bleiben?

In ihren letzten Augenblicken, sagte der schwarze Diener, nahm sie das
Bildnis aus der Kassette und küßte es und verlangte, daß es ihr in das Grab
mitgegeben wurde. Ihre Liebe zu dem Verstorbnen überwog alle ihre übrigen
Gefühle.


Sie Grafen von Altenschwcrdt.

an, und er kämpft für dessen Ehre, so sagte sie mir eines Tages mit einem
freudigen Aufleuchten ihres milden Antlitzes, als wir lange Zeit über der tele¬
graphischen Nachricht von einer großen Schlacht gebrütet hatten und noch keinen
Brief von Ihnen erwarten konnten.

Was sagte sie noch von meinem Vater? fragte Eberhardt mit gerunzelten
Brauen. Hat sie nicht eine Äußerung gethan, die darauf schließen läßt, daß sie
ihre Ansicht geändert hat? Daß sie nun meinem gerechten Verlangen keinen
Widerstand mehr entgegensetzen wollte? Hat sie nicht bei ihren: Abscheiden
wenigstens als letzten Wunsch hinterlassen, daß ich nun nicht mehr eine Rücksicht
walten lassen soll, die während ihres Lebens sich wohl erklären ließ, nunmehr
aber hinfällig ist?

Der Schwarze schüttelte den Kopf.

Lieber junger Herr, sagte er, die Lady war ganz Güte und Liebe, und
eine Änderung ihrer Ansichten habe ich bei ihr nie bemerkt.

Eberhardt hob die Augen empor und seufzte tief.

, Im Gegenteil bekräftigte sie in der Stunde ihres Todes noch den Wunsch,
den sie in ihrem Leben Ihnen gegenüber aussprach. Sie beauftragte mich,
Ihnen zu sagen, Sie sollten des Versprechens gedenken, das Sie ihr hinsichtlich
der Dokumente gegeben hätten. Ich habe diese Dokumente und die übrigen
Papiere, welche die Hinterlassenschaft meiner Lady bilden, in dieser Kassette
mitgebracht.

Mit diesen Worten erhob er sich und holte den Kasten von dunkelm Holz
mit Silberbeschlag herbei, der ihm in dem Hause an Hudsonfluß übergeben
worden war.

Eberhardt sah die wohlbekannte Kassette vor sich auf dem Tische stehen,
und von neuem drängten sich Thränen in seine Augen. Du altes geheimnis¬
volles Kästchen meiner Kindheit, sagte er, wie oft habe ich dich als Knabe
mit Neugierde betrachtet, wie oft die liebe Mutter gebeten, mir deinen Schlüssel
anzuvertrauen. Du standest als Reliquie aus einer alten Welt gar wunderlich
und zauberisch für meine Augen in dem weißen Tannenschrcmk des weißen
Zimmers in der neuen Welt, und in deinem Anblick waren für mich Aladins
Wunderhöhle und der Zauberberg des Orients enthalten. Nun habe ich dich
in meinen Händen, doch du bist für mich wiederum ein verzaubertes Schloß.
In deinen Wänden birgst du die kostbaren Dokumente, die meiner Mutter Ehre
und meine eigne Stellung erheben könnten, und ich soll sie nicht an das Tages¬
licht bringen, auf immer sollen sie verborgen bleiben, ungekmmt und verachtet
sollen deine aufopfernde Liebe, o Mutter, und unser beider Namen bleiben?

In ihren letzten Augenblicken, sagte der schwarze Diener, nahm sie das
Bildnis aus der Kassette und küßte es und verlangte, daß es ihr in das Grab
mitgegeben wurde. Ihre Liebe zu dem Verstorbnen überwog alle ihre übrigen
Gefühle.


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[0115] Sie Grafen von Altenschwcrdt. an, und er kämpft für dessen Ehre, so sagte sie mir eines Tages mit einem freudigen Aufleuchten ihres milden Antlitzes, als wir lange Zeit über der tele¬ graphischen Nachricht von einer großen Schlacht gebrütet hatten und noch keinen Brief von Ihnen erwarten konnten. Was sagte sie noch von meinem Vater? fragte Eberhardt mit gerunzelten Brauen. Hat sie nicht eine Äußerung gethan, die darauf schließen läßt, daß sie ihre Ansicht geändert hat? Daß sie nun meinem gerechten Verlangen keinen Widerstand mehr entgegensetzen wollte? Hat sie nicht bei ihren: Abscheiden wenigstens als letzten Wunsch hinterlassen, daß ich nun nicht mehr eine Rücksicht walten lassen soll, die während ihres Lebens sich wohl erklären ließ, nunmehr aber hinfällig ist? Der Schwarze schüttelte den Kopf. Lieber junger Herr, sagte er, die Lady war ganz Güte und Liebe, und eine Änderung ihrer Ansichten habe ich bei ihr nie bemerkt. Eberhardt hob die Augen empor und seufzte tief. , Im Gegenteil bekräftigte sie in der Stunde ihres Todes noch den Wunsch, den sie in ihrem Leben Ihnen gegenüber aussprach. Sie beauftragte mich, Ihnen zu sagen, Sie sollten des Versprechens gedenken, das Sie ihr hinsichtlich der Dokumente gegeben hätten. Ich habe diese Dokumente und die übrigen Papiere, welche die Hinterlassenschaft meiner Lady bilden, in dieser Kassette mitgebracht. Mit diesen Worten erhob er sich und holte den Kasten von dunkelm Holz mit Silberbeschlag herbei, der ihm in dem Hause an Hudsonfluß übergeben worden war. Eberhardt sah die wohlbekannte Kassette vor sich auf dem Tische stehen, und von neuem drängten sich Thränen in seine Augen. Du altes geheimnis¬ volles Kästchen meiner Kindheit, sagte er, wie oft habe ich dich als Knabe mit Neugierde betrachtet, wie oft die liebe Mutter gebeten, mir deinen Schlüssel anzuvertrauen. Du standest als Reliquie aus einer alten Welt gar wunderlich und zauberisch für meine Augen in dem weißen Tannenschrcmk des weißen Zimmers in der neuen Welt, und in deinem Anblick waren für mich Aladins Wunderhöhle und der Zauberberg des Orients enthalten. Nun habe ich dich in meinen Händen, doch du bist für mich wiederum ein verzaubertes Schloß. In deinen Wänden birgst du die kostbaren Dokumente, die meiner Mutter Ehre und meine eigne Stellung erheben könnten, und ich soll sie nicht an das Tages¬ licht bringen, auf immer sollen sie verborgen bleiben, ungekmmt und verachtet sollen deine aufopfernde Liebe, o Mutter, und unser beider Namen bleiben? In ihren letzten Augenblicken, sagte der schwarze Diener, nahm sie das Bildnis aus der Kassette und küßte es und verlangte, daß es ihr in das Grab mitgegeben wurde. Ihre Liebe zu dem Verstorbnen überwog alle ihre übrigen Gefühle.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/115>, abgerufen am 23.07.2024.