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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Pflege der Monumenwlmalerei in Preußen.

Unter den sieben großen Kompositionen für die Jnsterburger Aula ziehen
sich noch sieben kleinere Friesbilder hin, welche von Heydeck und Neide im Stile
der rotfigurigen Vasenbilder -- rote Figuren ans schwarzem Grnnde -- aus¬
geführt und viel lebendiger komponirt, viel einheitlicher durchgeführt sind als
die großen Gemälde,

Daß in einem größern Cyklus von Darstellungen, welche von einem Künstler
geschaffen worden sind, minder gelungene den Gesamteindruck weit weniger beein¬
trächtigen als bei einem Zusammenwirken verschiedner Kräfte, lehren am besten
die Fresken Prells im Berliner Architektenhause.

Hermann Prell, der Maler dieser Fresken, ein geborner Leipziger, ist
ein junger Mann, der die dreißig noch nicht erreicht hat und der bis zu dem
Augenblicke, wo ihm das Vertrauen der Staatsregierung jene umfassende Auf¬
gabe zuwendete, erst einige Porträts und ein Genrebild gemalt hatte. Wir sind
zwar in unsrer Zeit daran gewöhnt worden, daß monumentale Arbeiten nur
gereiften Männern übertragen werden. Indessen könnte es nichts verkehrteres
geben, als wenn diese Gewohnheit zum Gesetz erhoben würde. Darin liegt eben
eine der Hauptursachen an dem Verfall der monumentalen Kunst in unsrer Zeit,
an dem geringen Verständnis für die Stilgesetze derselben und an dem Mi߬
lingen so vieler monumentalen Arbeiten, daß die Künstlerjugcnd nicht bei Zeiten
dazu angehalten wird, sich in den monumentalen Stil hineinzugewöhnen. Zu
Cornelius' Zeiten war das anders. Junge Leute, die eben die zwanzig über¬
schritten hatten, wurden von ihm nicht nur zur Mitarbeiterschaft an seinen
Fresken herangezogen, sondern auch mit der selbständigen Lösung großer Auf¬
gaben betraut. Diese frühzeitige Gewöhnung hat es zu Wege gebracht, daß
selbst die Arbeiten von Künstlern, deren ursprüngliche Begabung eine geringe
war, von einer gewissen Größe und Erhabenheit erfüllt sind, und daß diese
Würde des hohen Stils über den Mangel an Wahrheit und echter Empfindung
hinweghilft. Wie soll aber unsern jungen Künstlern, die ihre Laufbahn mit
Porträts, mit Genrebildchen, mit Zeichnungen für illustrirte Blätter, für lyrische
Anthologien, Adressen und Festprogramme beginnen, jene Größe der Anschauung
kommen? Deshalb wollen wir nicht den Autor der Fresken im Architekten-
Hause allein für das Mißlingen mancher Partien seines Cyklus verantwortlich
machen. Ein Teil der Schuld fällt auf die Ungunst der Zeitverhältnisse, die
erst jetzt eine systematische Pflege der monumentalen Kunst ermöglicht haben.
Diejenigen Künstler, die jetzt beginnen, müssen ihre Haut zu Markte tragen und
für andre die glühenden Kastanien aus dem Feuer holen. An ihren Fehlern
werden diese erkennen, was sie zu vermeiden und wo sie zu bessern haben.
Wenn die Fürsorge der Staatsregierung nicht erlahmt, werden wir unzweifel¬
haft in absehbarer Zeit noch die Früchte dieser neuen Bestrebungen ernten. Für
jetzt ist es unsre Pflicht, das Gute anzuerkennen und auf das Verfehlte schonend
aufmerksam zu machen.


Die Pflege der Monumenwlmalerei in Preußen.

Unter den sieben großen Kompositionen für die Jnsterburger Aula ziehen
sich noch sieben kleinere Friesbilder hin, welche von Heydeck und Neide im Stile
der rotfigurigen Vasenbilder — rote Figuren ans schwarzem Grnnde — aus¬
geführt und viel lebendiger komponirt, viel einheitlicher durchgeführt sind als
die großen Gemälde,

Daß in einem größern Cyklus von Darstellungen, welche von einem Künstler
geschaffen worden sind, minder gelungene den Gesamteindruck weit weniger beein¬
trächtigen als bei einem Zusammenwirken verschiedner Kräfte, lehren am besten
die Fresken Prells im Berliner Architektenhause.

Hermann Prell, der Maler dieser Fresken, ein geborner Leipziger, ist
ein junger Mann, der die dreißig noch nicht erreicht hat und der bis zu dem
Augenblicke, wo ihm das Vertrauen der Staatsregierung jene umfassende Auf¬
gabe zuwendete, erst einige Porträts und ein Genrebild gemalt hatte. Wir sind
zwar in unsrer Zeit daran gewöhnt worden, daß monumentale Arbeiten nur
gereiften Männern übertragen werden. Indessen könnte es nichts verkehrteres
geben, als wenn diese Gewohnheit zum Gesetz erhoben würde. Darin liegt eben
eine der Hauptursachen an dem Verfall der monumentalen Kunst in unsrer Zeit,
an dem geringen Verständnis für die Stilgesetze derselben und an dem Mi߬
lingen so vieler monumentalen Arbeiten, daß die Künstlerjugcnd nicht bei Zeiten
dazu angehalten wird, sich in den monumentalen Stil hineinzugewöhnen. Zu
Cornelius' Zeiten war das anders. Junge Leute, die eben die zwanzig über¬
schritten hatten, wurden von ihm nicht nur zur Mitarbeiterschaft an seinen
Fresken herangezogen, sondern auch mit der selbständigen Lösung großer Auf¬
gaben betraut. Diese frühzeitige Gewöhnung hat es zu Wege gebracht, daß
selbst die Arbeiten von Künstlern, deren ursprüngliche Begabung eine geringe
war, von einer gewissen Größe und Erhabenheit erfüllt sind, und daß diese
Würde des hohen Stils über den Mangel an Wahrheit und echter Empfindung
hinweghilft. Wie soll aber unsern jungen Künstlern, die ihre Laufbahn mit
Porträts, mit Genrebildchen, mit Zeichnungen für illustrirte Blätter, für lyrische
Anthologien, Adressen und Festprogramme beginnen, jene Größe der Anschauung
kommen? Deshalb wollen wir nicht den Autor der Fresken im Architekten-
Hause allein für das Mißlingen mancher Partien seines Cyklus verantwortlich
machen. Ein Teil der Schuld fällt auf die Ungunst der Zeitverhältnisse, die
erst jetzt eine systematische Pflege der monumentalen Kunst ermöglicht haben.
Diejenigen Künstler, die jetzt beginnen, müssen ihre Haut zu Markte tragen und
für andre die glühenden Kastanien aus dem Feuer holen. An ihren Fehlern
werden diese erkennen, was sie zu vermeiden und wo sie zu bessern haben.
Wenn die Fürsorge der Staatsregierung nicht erlahmt, werden wir unzweifel¬
haft in absehbarer Zeit noch die Früchte dieser neuen Bestrebungen ernten. Für
jetzt ist es unsre Pflicht, das Gute anzuerkennen und auf das Verfehlte schonend
aufmerksam zu machen.


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[0101] Die Pflege der Monumenwlmalerei in Preußen. Unter den sieben großen Kompositionen für die Jnsterburger Aula ziehen sich noch sieben kleinere Friesbilder hin, welche von Heydeck und Neide im Stile der rotfigurigen Vasenbilder — rote Figuren ans schwarzem Grnnde — aus¬ geführt und viel lebendiger komponirt, viel einheitlicher durchgeführt sind als die großen Gemälde, Daß in einem größern Cyklus von Darstellungen, welche von einem Künstler geschaffen worden sind, minder gelungene den Gesamteindruck weit weniger beein¬ trächtigen als bei einem Zusammenwirken verschiedner Kräfte, lehren am besten die Fresken Prells im Berliner Architektenhause. Hermann Prell, der Maler dieser Fresken, ein geborner Leipziger, ist ein junger Mann, der die dreißig noch nicht erreicht hat und der bis zu dem Augenblicke, wo ihm das Vertrauen der Staatsregierung jene umfassende Auf¬ gabe zuwendete, erst einige Porträts und ein Genrebild gemalt hatte. Wir sind zwar in unsrer Zeit daran gewöhnt worden, daß monumentale Arbeiten nur gereiften Männern übertragen werden. Indessen könnte es nichts verkehrteres geben, als wenn diese Gewohnheit zum Gesetz erhoben würde. Darin liegt eben eine der Hauptursachen an dem Verfall der monumentalen Kunst in unsrer Zeit, an dem geringen Verständnis für die Stilgesetze derselben und an dem Mi߬ lingen so vieler monumentalen Arbeiten, daß die Künstlerjugcnd nicht bei Zeiten dazu angehalten wird, sich in den monumentalen Stil hineinzugewöhnen. Zu Cornelius' Zeiten war das anders. Junge Leute, die eben die zwanzig über¬ schritten hatten, wurden von ihm nicht nur zur Mitarbeiterschaft an seinen Fresken herangezogen, sondern auch mit der selbständigen Lösung großer Auf¬ gaben betraut. Diese frühzeitige Gewöhnung hat es zu Wege gebracht, daß selbst die Arbeiten von Künstlern, deren ursprüngliche Begabung eine geringe war, von einer gewissen Größe und Erhabenheit erfüllt sind, und daß diese Würde des hohen Stils über den Mangel an Wahrheit und echter Empfindung hinweghilft. Wie soll aber unsern jungen Künstlern, die ihre Laufbahn mit Porträts, mit Genrebildchen, mit Zeichnungen für illustrirte Blätter, für lyrische Anthologien, Adressen und Festprogramme beginnen, jene Größe der Anschauung kommen? Deshalb wollen wir nicht den Autor der Fresken im Architekten- Hause allein für das Mißlingen mancher Partien seines Cyklus verantwortlich machen. Ein Teil der Schuld fällt auf die Ungunst der Zeitverhältnisse, die erst jetzt eine systematische Pflege der monumentalen Kunst ermöglicht haben. Diejenigen Künstler, die jetzt beginnen, müssen ihre Haut zu Markte tragen und für andre die glühenden Kastanien aus dem Feuer holen. An ihren Fehlern werden diese erkennen, was sie zu vermeiden und wo sie zu bessern haben. Wenn die Fürsorge der Staatsregierung nicht erlahmt, werden wir unzweifel¬ haft in absehbarer Zeit noch die Früchte dieser neuen Bestrebungen ernten. Für jetzt ist es unsre Pflicht, das Gute anzuerkennen und auf das Verfehlte schonend aufmerksam zu machen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/101>, abgerufen am 25.08.2024.