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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Pflege der lNoimmeiitalmalerei in Preuße".

Eos zurückhält, um die Nacht zu verlängern. Heydeck ist kein Künstler von
genialer, frappirender Begabung, sondern ein kühl räsonnirendes Talent mit
einem stark akademischen Zuge. Seinem Pathos fehlt es an hinreißender Wärme,
und wenn ihm auch ab und zu ein Anlauf zu originellerer Charakteristik ge¬
lingt, bleibt er doch überwiegend in zwar wohlklingender, aber doch leerer
Deklamation stecken. Während in dem Kopfe des Helden von Jthccka der
listenreiche Odysseus glücklich zur Erscheinung gekommen ist, könnte Telemach
in seinem theatermäßigen Kostüm und in seiner Bewaffnung sehr gut von David
oder einem seiner Nachahmer gemalt worden sein. Erfreulicher ist die Szene
mit Penelope, namentlich ersetzt hier die Wärme und Kraft des Kolorits, was
den Figuren etwa an tieferer Charakteristik fehlt. Ebenso ungleich sind die
vier von Neide ausgeführten Gemälde, von denen zwei Thürbilder sind. Eines
der letztern verdient vor den übrigen den Vorzug: Odysseus ringt nach dem
Schiffbruch mit den aufgeregten Wogen, während im Hintergrunde der zürnende
Poseidon erscheint. Diese Komposition übertrifft alle andern an Leben und
Bewegung. Wenn sie alle auf dieser Höhe stünden, würden wir nur Worte
der Anerkennung und des Lobes haben. Indessen bleiben selbst die übrigen
Bilder Neides, die Begegnung des Odysseus mit Teiresias in der Unterwelt,
die Botschaft des Hermes an Kalypso und das Erwachen des Odysseus auf
Ithaka, hinter jenem weit zurück. Namentlich das zweite dieser Bilder ist eine
schwache Leistung, die man kaum begreift. Im Prinzip wird man sich mit der
Auffassung der drei Maler nur einverstanden erklären können. Sie haben sich
streng innerhalb einer idealen Formensprache gehalten, weil diese der heran¬
wachsenden Jugend gegenüber allein berechtigt ist. Aber die Ungleichheiten in
der Ausführung schaden dem Gesamteindruck ihrer Schöpfungen. Sie hätten
vermieden werden können oder wären doch weniger schwer ins Gewicht gefallen,
wenn die ganze Arbeit einem allein übertragen worden wäre. Etwas andres
ist es, wenn wie z. B. im Zeughause vier geschichtliche Momente aus vier
verschiednen Epochen von vier verschiednen Malern dargestellt werden. Wo
aber, wie auf jenen Odhssecbildern, dieselbe Person überall wiederkehrt, mußte
die Ausführung notgedrungen einem Künstler überlassen werden. Dann wäre
man mit einemmale allen Disharmonien aus dem Wege gegangen. Die Figuren
von Max Schmidt hätten nicht durch die Zusammenstellung mit den kräftigen
Gestalten Neides gelitten, und Heydeck hätte einen größern Erfolg erzielt, wenn
man ihn nicht mit Neide zu vergleichen brauchte. Wenn ein Künstler Gemälde
ausführt, kann eine schwächere Leistung viel leichter durchschlüpfen, als wenn
drei Künstler sich abmühen, ihr bestes zu geben. Die Landcskuustkommissiou
wird hoffentlich diese Erfahrung beherzigen und in Zukunft nicht wieder die
Einheit eines Kunstwerkes dem an und für sich ja gerechtfertigten, aber, wie der
Erfolg lehrt, nicht glücklichen Bestreben'zum Opfer bringen, ihre Aufträge auf
möglichst viele Künstler zu verteilen.


Die Pflege der lNoimmeiitalmalerei in Preuße».

Eos zurückhält, um die Nacht zu verlängern. Heydeck ist kein Künstler von
genialer, frappirender Begabung, sondern ein kühl räsonnirendes Talent mit
einem stark akademischen Zuge. Seinem Pathos fehlt es an hinreißender Wärme,
und wenn ihm auch ab und zu ein Anlauf zu originellerer Charakteristik ge¬
lingt, bleibt er doch überwiegend in zwar wohlklingender, aber doch leerer
Deklamation stecken. Während in dem Kopfe des Helden von Jthccka der
listenreiche Odysseus glücklich zur Erscheinung gekommen ist, könnte Telemach
in seinem theatermäßigen Kostüm und in seiner Bewaffnung sehr gut von David
oder einem seiner Nachahmer gemalt worden sein. Erfreulicher ist die Szene
mit Penelope, namentlich ersetzt hier die Wärme und Kraft des Kolorits, was
den Figuren etwa an tieferer Charakteristik fehlt. Ebenso ungleich sind die
vier von Neide ausgeführten Gemälde, von denen zwei Thürbilder sind. Eines
der letztern verdient vor den übrigen den Vorzug: Odysseus ringt nach dem
Schiffbruch mit den aufgeregten Wogen, während im Hintergrunde der zürnende
Poseidon erscheint. Diese Komposition übertrifft alle andern an Leben und
Bewegung. Wenn sie alle auf dieser Höhe stünden, würden wir nur Worte
der Anerkennung und des Lobes haben. Indessen bleiben selbst die übrigen
Bilder Neides, die Begegnung des Odysseus mit Teiresias in der Unterwelt,
die Botschaft des Hermes an Kalypso und das Erwachen des Odysseus auf
Ithaka, hinter jenem weit zurück. Namentlich das zweite dieser Bilder ist eine
schwache Leistung, die man kaum begreift. Im Prinzip wird man sich mit der
Auffassung der drei Maler nur einverstanden erklären können. Sie haben sich
streng innerhalb einer idealen Formensprache gehalten, weil diese der heran¬
wachsenden Jugend gegenüber allein berechtigt ist. Aber die Ungleichheiten in
der Ausführung schaden dem Gesamteindruck ihrer Schöpfungen. Sie hätten
vermieden werden können oder wären doch weniger schwer ins Gewicht gefallen,
wenn die ganze Arbeit einem allein übertragen worden wäre. Etwas andres
ist es, wenn wie z. B. im Zeughause vier geschichtliche Momente aus vier
verschiednen Epochen von vier verschiednen Malern dargestellt werden. Wo
aber, wie auf jenen Odhssecbildern, dieselbe Person überall wiederkehrt, mußte
die Ausführung notgedrungen einem Künstler überlassen werden. Dann wäre
man mit einemmale allen Disharmonien aus dem Wege gegangen. Die Figuren
von Max Schmidt hätten nicht durch die Zusammenstellung mit den kräftigen
Gestalten Neides gelitten, und Heydeck hätte einen größern Erfolg erzielt, wenn
man ihn nicht mit Neide zu vergleichen brauchte. Wenn ein Künstler Gemälde
ausführt, kann eine schwächere Leistung viel leichter durchschlüpfen, als wenn
drei Künstler sich abmühen, ihr bestes zu geben. Die Landcskuustkommissiou
wird hoffentlich diese Erfahrung beherzigen und in Zukunft nicht wieder die
Einheit eines Kunstwerkes dem an und für sich ja gerechtfertigten, aber, wie der
Erfolg lehrt, nicht glücklichen Bestreben'zum Opfer bringen, ihre Aufträge auf
möglichst viele Künstler zu verteilen.


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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/100>, abgerufen am 23.07.2024.