Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.Die Fortschritte in der aiitiken Kunstgeschichte während des letzten Jahrzehnts. gegliederte, vollkommen ruhig gehaltene Darstellung des Augenblickes vor Beginn Wenn ich sagte, daß die neugefundenen Denkmäler in hohem Grade über¬ Die Fortschritte in der aiitiken Kunstgeschichte während des letzten Jahrzehnts. gegliederte, vollkommen ruhig gehaltene Darstellung des Augenblickes vor Beginn Wenn ich sagte, daß die neugefundenen Denkmäler in hohem Grade über¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0552" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86673"/> <fw type="header" place="top"> Die Fortschritte in der aiitiken Kunstgeschichte während des letzten Jahrzehnts.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2255" prev="#ID_2254"> gegliederte, vollkommen ruhig gehaltene Darstellung des Augenblickes vor Beginn<lb/> des Wagenrennens. In der Mitte steht Zeus, unsichtbar gegenwärtig gedacht<lb/> als Lenker der Geschicke; zu seinen beide» Seiten Pelops und Oinomaos, weiter¬<lb/> hin Hippodcnncia und Stervpe; dann folgen die Viergespanne mit den Wagen¬<lb/> lenkern und dazu gehörigen Dienern, endlich in den Winkeln die Flußgötter<lb/> Kladeos und Alpheios, letztre anscheinend noch zu verstärkter Andeutung des<lb/> Lokals gruppirt mit zwei Qncllgottheiten, einer männlichen und einer weiblichen.<lb/> Denn gegenüber der Beschreibung des Pausanias ergiebt sich die eine Abweichung,<lb/> daß an einer Stelle des Giebels von ihm ein „Pferdeknecht" genannt wird,<lb/> wo wir jetzt nichts andres nachweisen tonnen als ein knieendes Mädchen, die<lb/> man eben als Quellnymphe deutet. Allerdings hat mau versucht, den Pausanias<lb/> von solchem argem Lapsus zu reinigen. Brunn wollte dies knieende Mädchen<lb/> zum Westgiebel rechne»; der eine Nekonstruktivnsversuch in den Ausgrabungs¬<lb/> berichten nahm »»genaue Aufzählung bei Pausanias an und vermehrte die<lb/> Personenzahl im Ostgiebel um zwei; aber weder für das eine, noch für das andre<lb/> haben die Atisgrabungen irgend welchen Anhalt gewährt, und so bleibt denn<lb/> nichts andres übrig, als den Pausanias dieser schlimme» Verwechslung einer<lb/> Quelluymphe mit einem Stallknecht zu zeihe». Hat sich doch der früher für<lb/> so authentisch geltende und jetzt mehr und mehr als eine recht trübe Quelle sich<lb/> erweisende Reisebeschreiber einen nicht minder groben Jnterpretativnsfehler im<lb/> Wcstgicbel zu Schulden kommen lassen. Nicht, wie er sagt, Peirithovs nahm<lb/> hier die Mitte ein. vielmehr haben die Ausgrabungen als Zentralpunkt dieses<lb/> Giebels, gleich dem Zeus im andern sich durch kolossale Verhältnisse von den<lb/> übrigen Figuren unterscheidend, den Apollo dargethan, welcher, seinen rechten<lb/> Arm gege» die Kämpfenden ausstreckend, ruhig und unbewegt wie ein Fels im<lb/> Meere dasteht, während rechts und links von ihm die wildeste» Kampfszene»<lb/> spielen, in den aufgeregtesten und gewagteste» Situationen: Kentauren im Kampfe<lb/> mit Lapithen oder Frauen und Knaben davvnschleppend, weiterhin z» Bode»<lb/> gestürzte, ängstlich fortkriechende alte Dienerinnen: erst in de» Ecken, wo Orts¬<lb/> nymphen behaglich gelagert sind, tritt wieder Ruhe ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_2256" next="#ID_2257"> Wenn ich sagte, daß die neugefundenen Denkmäler in hohem Grade über¬<lb/> raschend gewirkt haben, so gilt das nicht von den Metopen; vielmehr stimmen hier<lb/> die neugefundenen Stücke mit den schon vorher bekannten hinsichtlich des Stiles<lb/> und der Technik vollkommen überein. Schon an diese» hatte man gefunden,<lb/> daß die ganze BeHandlungsweise des Nackten sowohl wie der Gewandung, ferner<lb/> der Ausdruck der Köpfe, eine gewisse Unbehilflichkeit i» der Stellung, z. B. der<lb/> Athene von der Stymphalosmetope, auf Reste archaischer Gebundenheit hin¬<lb/> deuteten; und dem entsprechen auch die neu dazugekvmmeueu Reste, obgleich im<lb/> einzelnen kleine Differenzen stattfinden. So sind z. B. die Gewänder der<lb/> Hesperide in der Atlasmetope und der Athene ans der Angiasmetvpe viel edler,<lb/> wenn mich außerordentlich einfach ausgearbeitet, als das gezwungene und »i^</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0552]
Die Fortschritte in der aiitiken Kunstgeschichte während des letzten Jahrzehnts.
gegliederte, vollkommen ruhig gehaltene Darstellung des Augenblickes vor Beginn
des Wagenrennens. In der Mitte steht Zeus, unsichtbar gegenwärtig gedacht
als Lenker der Geschicke; zu seinen beide» Seiten Pelops und Oinomaos, weiter¬
hin Hippodcnncia und Stervpe; dann folgen die Viergespanne mit den Wagen¬
lenkern und dazu gehörigen Dienern, endlich in den Winkeln die Flußgötter
Kladeos und Alpheios, letztre anscheinend noch zu verstärkter Andeutung des
Lokals gruppirt mit zwei Qncllgottheiten, einer männlichen und einer weiblichen.
Denn gegenüber der Beschreibung des Pausanias ergiebt sich die eine Abweichung,
daß an einer Stelle des Giebels von ihm ein „Pferdeknecht" genannt wird,
wo wir jetzt nichts andres nachweisen tonnen als ein knieendes Mädchen, die
man eben als Quellnymphe deutet. Allerdings hat mau versucht, den Pausanias
von solchem argem Lapsus zu reinigen. Brunn wollte dies knieende Mädchen
zum Westgiebel rechne»; der eine Nekonstruktivnsversuch in den Ausgrabungs¬
berichten nahm »»genaue Aufzählung bei Pausanias an und vermehrte die
Personenzahl im Ostgiebel um zwei; aber weder für das eine, noch für das andre
haben die Atisgrabungen irgend welchen Anhalt gewährt, und so bleibt denn
nichts andres übrig, als den Pausanias dieser schlimme» Verwechslung einer
Quelluymphe mit einem Stallknecht zu zeihe». Hat sich doch der früher für
so authentisch geltende und jetzt mehr und mehr als eine recht trübe Quelle sich
erweisende Reisebeschreiber einen nicht minder groben Jnterpretativnsfehler im
Wcstgicbel zu Schulden kommen lassen. Nicht, wie er sagt, Peirithovs nahm
hier die Mitte ein. vielmehr haben die Ausgrabungen als Zentralpunkt dieses
Giebels, gleich dem Zeus im andern sich durch kolossale Verhältnisse von den
übrigen Figuren unterscheidend, den Apollo dargethan, welcher, seinen rechten
Arm gege» die Kämpfenden ausstreckend, ruhig und unbewegt wie ein Fels im
Meere dasteht, während rechts und links von ihm die wildeste» Kampfszene»
spielen, in den aufgeregtesten und gewagteste» Situationen: Kentauren im Kampfe
mit Lapithen oder Frauen und Knaben davvnschleppend, weiterhin z» Bode»
gestürzte, ängstlich fortkriechende alte Dienerinnen: erst in de» Ecken, wo Orts¬
nymphen behaglich gelagert sind, tritt wieder Ruhe ein.
Wenn ich sagte, daß die neugefundenen Denkmäler in hohem Grade über¬
raschend gewirkt haben, so gilt das nicht von den Metopen; vielmehr stimmen hier
die neugefundenen Stücke mit den schon vorher bekannten hinsichtlich des Stiles
und der Technik vollkommen überein. Schon an diese» hatte man gefunden,
daß die ganze BeHandlungsweise des Nackten sowohl wie der Gewandung, ferner
der Ausdruck der Köpfe, eine gewisse Unbehilflichkeit i» der Stellung, z. B. der
Athene von der Stymphalosmetope, auf Reste archaischer Gebundenheit hin¬
deuteten; und dem entsprechen auch die neu dazugekvmmeueu Reste, obgleich im
einzelnen kleine Differenzen stattfinden. So sind z. B. die Gewänder der
Hesperide in der Atlasmetope und der Athene ans der Angiasmetvpe viel edler,
wenn mich außerordentlich einfach ausgearbeitet, als das gezwungene und »i^
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