Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.Lin Abend bei den musikalischen Meiningern. andre Musiker, und es giebt manche Dirigenten, die ihn an eigentlichem Genie Lin Abend bei den musikalischen Meiningern. andre Musiker, und es giebt manche Dirigenten, die ihn an eigentlichem Genie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0525" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86646"/> <fw type="header" place="top"> Lin Abend bei den musikalischen Meiningern.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2135" prev="#ID_2134"> andre Musiker, und es giebt manche Dirigenten, die ihn an eigentlichem Genie<lb/> noch übertreffen. Aber was die Mcininger voraushaben vor den meisten<lb/> deutschen Kapellen, das ist ihre Methode zu studiren und der Fleiß, der ihnen<lb/> zum Gesetz gemacht ist. Ohne diese gemeine Eigenschaft geht es einmal nicht<lb/> ab, und wenn es ein Orchester gäbe, dessen Mitglieder jeder einzelne auf seinem<lb/> Instrument ein Virtuos ersten Ranges würe und zugleich ein Komponist, in<lb/> großen Formen bewährt: ohne zu studiren, brächte auch dieses Orchester keine<lb/> Beethovensche Sinfonie klar heraus und einzelne neuere Werke erst recht nicht.<lb/> Man erzählt, daß das Philharmonische Orchester in Wien zu der v-clur-Sinfonie<lb/> von Brahms acht Proben gehalten habe. Und doch ist dieses Philharmonische<lb/> eins der ersten Orchester der Welt, und sein Dirigent, Hans Richter, einer der<lb/> fertigsten und gewandtesten Kapellmeister. Wie viele andre weit geringere<lb/> Kapellen glauben aber mit zwei Proben, wohl gar einer, für so ein Werk<lb/> genug gethan zu haben! Bleibt dann im Konzert beim Publikum der Eindruck<lb/> aus, so heißt es, die Komposition sei schuld, und die ganze Kunst wird ver¬<lb/> pfuscht. Bei den Meiningern dagegen wird grundsätzlich nicht bloß gruppen¬<lb/> weise probirt, wie das gewissenhafte Dirigenten häufig vornehmen, sondern selbst<lb/> die einzelnen Instrumente werden nötigenfalls einzeln durchgenommen, so daß keinem<lb/> Spieler etwas aus seiner Partie entgehen kann, was für das Ganze wichtig ist,<lb/> und daß jeder von seiner Stimme aus zugleich das Ganze ins Auge fassen kann.<lb/> Daher die Klarheit. Bülow hatte ganz Recht, wenn er in einem Briefe schrieb, die<lb/> Methode, nach der er einstudire, sei dieselbe, welche sich schon bei dem herzoglichen<lb/> Schauspiele bewährt habe. Wenn er hinzufügte, sie sei neu, so hätte dies rich¬<lb/> tiger lauten sollen, sie sei nicht die allgemeine. Daß sie dies aber werde, dazu,<lb/> hoffen wir, sollen die Kunstreisen der „musikalischen Meininger" etwas Hei¬<lb/> tragen. Versäume niemand, der Gelegenheit dazu hat, dieses Mustercnsemble<lb/> zu hören!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0525]
Lin Abend bei den musikalischen Meiningern.
andre Musiker, und es giebt manche Dirigenten, die ihn an eigentlichem Genie
noch übertreffen. Aber was die Mcininger voraushaben vor den meisten
deutschen Kapellen, das ist ihre Methode zu studiren und der Fleiß, der ihnen
zum Gesetz gemacht ist. Ohne diese gemeine Eigenschaft geht es einmal nicht
ab, und wenn es ein Orchester gäbe, dessen Mitglieder jeder einzelne auf seinem
Instrument ein Virtuos ersten Ranges würe und zugleich ein Komponist, in
großen Formen bewährt: ohne zu studiren, brächte auch dieses Orchester keine
Beethovensche Sinfonie klar heraus und einzelne neuere Werke erst recht nicht.
Man erzählt, daß das Philharmonische Orchester in Wien zu der v-clur-Sinfonie
von Brahms acht Proben gehalten habe. Und doch ist dieses Philharmonische
eins der ersten Orchester der Welt, und sein Dirigent, Hans Richter, einer der
fertigsten und gewandtesten Kapellmeister. Wie viele andre weit geringere
Kapellen glauben aber mit zwei Proben, wohl gar einer, für so ein Werk
genug gethan zu haben! Bleibt dann im Konzert beim Publikum der Eindruck
aus, so heißt es, die Komposition sei schuld, und die ganze Kunst wird ver¬
pfuscht. Bei den Meiningern dagegen wird grundsätzlich nicht bloß gruppen¬
weise probirt, wie das gewissenhafte Dirigenten häufig vornehmen, sondern selbst
die einzelnen Instrumente werden nötigenfalls einzeln durchgenommen, so daß keinem
Spieler etwas aus seiner Partie entgehen kann, was für das Ganze wichtig ist,
und daß jeder von seiner Stimme aus zugleich das Ganze ins Auge fassen kann.
Daher die Klarheit. Bülow hatte ganz Recht, wenn er in einem Briefe schrieb, die
Methode, nach der er einstudire, sei dieselbe, welche sich schon bei dem herzoglichen
Schauspiele bewährt habe. Wenn er hinzufügte, sie sei neu, so hätte dies rich¬
tiger lauten sollen, sie sei nicht die allgemeine. Daß sie dies aber werde, dazu,
hoffen wir, sollen die Kunstreisen der „musikalischen Meininger" etwas Hei¬
tragen. Versäume niemand, der Gelegenheit dazu hat, dieses Mustercnsemble
zu hören!
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