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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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die englische Gesellschaft. Ihnen wurde es nicht so leicht wie dieser, sich eins
den Anfängen emporzuringen, sie mußten nicht nnr die Ungunst der Zeiten und
der Verhältnisse überwinden, sondern auch die Gleichgiltigkeit gegen die geo¬
graphische Wissenschaft, ihre Forschungen und ihre Ergebnisse beseitigen, ein
Interesse daran in weiteren Kreisen wecken. Damit soll nicht gesagt sein, daß
Deutschland bis dahin nichts für die Geographie gewirkt hätte, ohne Anteil an
ihren Forschungen geblieben wäre; gerade Deutsche -- um allein Alexander
von Humboldt und Carl Ritter von vielen aus früherer Zeit zu nennen --
hatten wiederholt bahnbrechend gewirkt und das Studium der Geographie, die
geographischen Forschungen auf den rechten Weg geleitet und dem wahren Ziele
zugeführt. Es lag aber an den politischen, gewerblichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen, daß nur zu viele lediglich die naheliegenden materiellen Zwecke
verfolgten und darüber die höheren geistigen Zwecke, welche ersteren, wenn auch
erst weiterhin, dienten, vernachlässigten. Nur zu viele, denen das Studium der
Geographie für ihre Interessen hätte vorteilhaft erscheinen sollen, hielten sich
in Verkennung dessen fern davon und ließen sich so manchen materiellen und
geistigen Gewinn entgehen. Für den größten Theil Deutschlands fiel endlich
auch der mächtigste Antrieb zum Studium der Geographie, die Seeschifffahrt,
hinweg und damit das allgemeine materielle Interesse, welches das englische
Volk so bald der Geographie zuführte. Daß dessenungeachtet geographische Ge¬
sellschaften in Deutschland gegründet wurden, ist ein Zeugnis dafür, wie not¬
wendig die geographische Wissenschaft für das Volkswohl erschien, ein Zeugnis
der erwachenden Erkenntnis dieser Notwendigkeit, sei es auch zunächst nur für
das materielle Wohl.

Da es aber damals ebenso wie auch jetzt noch, an einem Mittelpunkte des
gesammten deutschen Lebens fehlte, die Sechmidclsstädte andre Ziele und Zwecke
verfolgten als das Binnenland, endlich bei Begründung der ersten Gesellschaften
die politische Zerklüftung Deutschlands überaus groß war, so konnte der Ge¬
danke an eine allgemeine deutsche geographische Gesellschaft nicht wohl auf¬
kommen; das Vorhandensein der zahlreichen Staaten Deutschlands ohne ein
festes einigendes Band ließ es nur zur Begründung kleinerer Vereine kommen,
welche, meist ohne engeren Zusnnuuenhang, doppelt zu ringen und zu kämpfen
hatten, um das Interesse an der Geographie wachzurufen. So entstanden, wenn
wir nur die älteren und größeren Vereine nennen wollen, die Gesellschaft für
Erdkunde in Berlin -- welche ebenfalls bereits das fünfzigjährige Jubiläum
gefeiert hat --, die Vereine für Erdkunde in Leipzig, Dresden, Halle, Darm-
stadt, die geographischen Gesellschaften in Wien, Hamburg, Bremen, und der
Verein für Geographie und Statistik in Frankfurt.

Es soll nicht verkannt werden, daß die über Deutschland verbreiteten Vereine
gewisse Vorteile vor einem großen Vereine hatten und noch haben, schon des¬
halb, weil sie durch das Wort dem einzelnen näher treten, eher seine Teilnahme


Die Iio)'u.1 (Zv0M'!i>j>Il1tnI Lovwt,)- und die deutschen geographischen Gescllschiiften.

die englische Gesellschaft. Ihnen wurde es nicht so leicht wie dieser, sich eins
den Anfängen emporzuringen, sie mußten nicht nnr die Ungunst der Zeiten und
der Verhältnisse überwinden, sondern auch die Gleichgiltigkeit gegen die geo¬
graphische Wissenschaft, ihre Forschungen und ihre Ergebnisse beseitigen, ein
Interesse daran in weiteren Kreisen wecken. Damit soll nicht gesagt sein, daß
Deutschland bis dahin nichts für die Geographie gewirkt hätte, ohne Anteil an
ihren Forschungen geblieben wäre; gerade Deutsche — um allein Alexander
von Humboldt und Carl Ritter von vielen aus früherer Zeit zu nennen —
hatten wiederholt bahnbrechend gewirkt und das Studium der Geographie, die
geographischen Forschungen auf den rechten Weg geleitet und dem wahren Ziele
zugeführt. Es lag aber an den politischen, gewerblichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen, daß nur zu viele lediglich die naheliegenden materiellen Zwecke
verfolgten und darüber die höheren geistigen Zwecke, welche ersteren, wenn auch
erst weiterhin, dienten, vernachlässigten. Nur zu viele, denen das Studium der
Geographie für ihre Interessen hätte vorteilhaft erscheinen sollen, hielten sich
in Verkennung dessen fern davon und ließen sich so manchen materiellen und
geistigen Gewinn entgehen. Für den größten Theil Deutschlands fiel endlich
auch der mächtigste Antrieb zum Studium der Geographie, die Seeschifffahrt,
hinweg und damit das allgemeine materielle Interesse, welches das englische
Volk so bald der Geographie zuführte. Daß dessenungeachtet geographische Ge¬
sellschaften in Deutschland gegründet wurden, ist ein Zeugnis dafür, wie not¬
wendig die geographische Wissenschaft für das Volkswohl erschien, ein Zeugnis
der erwachenden Erkenntnis dieser Notwendigkeit, sei es auch zunächst nur für
das materielle Wohl.

Da es aber damals ebenso wie auch jetzt noch, an einem Mittelpunkte des
gesammten deutschen Lebens fehlte, die Sechmidclsstädte andre Ziele und Zwecke
verfolgten als das Binnenland, endlich bei Begründung der ersten Gesellschaften
die politische Zerklüftung Deutschlands überaus groß war, so konnte der Ge¬
danke an eine allgemeine deutsche geographische Gesellschaft nicht wohl auf¬
kommen; das Vorhandensein der zahlreichen Staaten Deutschlands ohne ein
festes einigendes Band ließ es nur zur Begründung kleinerer Vereine kommen,
welche, meist ohne engeren Zusnnuuenhang, doppelt zu ringen und zu kämpfen
hatten, um das Interesse an der Geographie wachzurufen. So entstanden, wenn
wir nur die älteren und größeren Vereine nennen wollen, die Gesellschaft für
Erdkunde in Berlin — welche ebenfalls bereits das fünfzigjährige Jubiläum
gefeiert hat —, die Vereine für Erdkunde in Leipzig, Dresden, Halle, Darm-
stadt, die geographischen Gesellschaften in Wien, Hamburg, Bremen, und der
Verein für Geographie und Statistik in Frankfurt.

Es soll nicht verkannt werden, daß die über Deutschland verbreiteten Vereine
gewisse Vorteile vor einem großen Vereine hatten und noch haben, schon des¬
halb, weil sie durch das Wort dem einzelnen näher treten, eher seine Teilnahme


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[0228] Die Iio)'u.1 (Zv0M'!i>j>Il1tnI Lovwt,)- und die deutschen geographischen Gescllschiiften. die englische Gesellschaft. Ihnen wurde es nicht so leicht wie dieser, sich eins den Anfängen emporzuringen, sie mußten nicht nnr die Ungunst der Zeiten und der Verhältnisse überwinden, sondern auch die Gleichgiltigkeit gegen die geo¬ graphische Wissenschaft, ihre Forschungen und ihre Ergebnisse beseitigen, ein Interesse daran in weiteren Kreisen wecken. Damit soll nicht gesagt sein, daß Deutschland bis dahin nichts für die Geographie gewirkt hätte, ohne Anteil an ihren Forschungen geblieben wäre; gerade Deutsche — um allein Alexander von Humboldt und Carl Ritter von vielen aus früherer Zeit zu nennen — hatten wiederholt bahnbrechend gewirkt und das Studium der Geographie, die geographischen Forschungen auf den rechten Weg geleitet und dem wahren Ziele zugeführt. Es lag aber an den politischen, gewerblichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, daß nur zu viele lediglich die naheliegenden materiellen Zwecke verfolgten und darüber die höheren geistigen Zwecke, welche ersteren, wenn auch erst weiterhin, dienten, vernachlässigten. Nur zu viele, denen das Studium der Geographie für ihre Interessen hätte vorteilhaft erscheinen sollen, hielten sich in Verkennung dessen fern davon und ließen sich so manchen materiellen und geistigen Gewinn entgehen. Für den größten Theil Deutschlands fiel endlich auch der mächtigste Antrieb zum Studium der Geographie, die Seeschifffahrt, hinweg und damit das allgemeine materielle Interesse, welches das englische Volk so bald der Geographie zuführte. Daß dessenungeachtet geographische Ge¬ sellschaften in Deutschland gegründet wurden, ist ein Zeugnis dafür, wie not¬ wendig die geographische Wissenschaft für das Volkswohl erschien, ein Zeugnis der erwachenden Erkenntnis dieser Notwendigkeit, sei es auch zunächst nur für das materielle Wohl. Da es aber damals ebenso wie auch jetzt noch, an einem Mittelpunkte des gesammten deutschen Lebens fehlte, die Sechmidclsstädte andre Ziele und Zwecke verfolgten als das Binnenland, endlich bei Begründung der ersten Gesellschaften die politische Zerklüftung Deutschlands überaus groß war, so konnte der Ge¬ danke an eine allgemeine deutsche geographische Gesellschaft nicht wohl auf¬ kommen; das Vorhandensein der zahlreichen Staaten Deutschlands ohne ein festes einigendes Band ließ es nur zur Begründung kleinerer Vereine kommen, welche, meist ohne engeren Zusnnuuenhang, doppelt zu ringen und zu kämpfen hatten, um das Interesse an der Geographie wachzurufen. So entstanden, wenn wir nur die älteren und größeren Vereine nennen wollen, die Gesellschaft für Erdkunde in Berlin — welche ebenfalls bereits das fünfzigjährige Jubiläum gefeiert hat —, die Vereine für Erdkunde in Leipzig, Dresden, Halle, Darm- stadt, die geographischen Gesellschaften in Wien, Hamburg, Bremen, und der Verein für Geographie und Statistik in Frankfurt. Es soll nicht verkannt werden, daß die über Deutschland verbreiteten Vereine gewisse Vorteile vor einem großen Vereine hatten und noch haben, schon des¬ halb, weil sie durch das Wort dem einzelnen näher treten, eher seine Teilnahme

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/228>, abgerufen am 25.08.2024.