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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Reichstag und Landtag im nenon Zcchrc.

steht. Die Verfassung Preußens und Deutschlands hat nur die Wirkung, eines¬
teils einen bestimmte" Kreis der Regierungshandlungen an Gesetze zu binden,
die aus der Vereinbarung der Volksvertretung mit der Regierung, im Reiche
zugleich mit den im Bundesrate repräsentirten Landesregierungen hervorgehen,
andernteils den Souverän mit verantwortlichen Räten zu umgeben, die von ihm
gewählt und seine Organe, nicht die der Parlamente, nicht ein bloßer Ausschuß
der wechselnden Majorität in den letzteren sind. Wenn der Geist der Parteien,
welche den Parlamentarismus, zu deutsch die Herrschaft der Volksvertretung
und in letzter Reihe bewußt oder unbewußt die Verwirklichung der Volkssouve-
ränetät anstreben, dieses verfassungsmäßige Verhältnis nicht anerkennt und den
Kaiser und König zu einem stummen Prinzip machen, ihn als politisch mundtot
und gewissermaßen nnr ornamental ansehen will, so nimmt er einen völlig irr¬
tümlichen Standpunkt ein, so hält er seine Wünsche fälschlich für bereits zu That¬
sachen geworden, so steht er nicht ans klarem gesetzlichen Boden, sondern in der
trüben Luft seiner Einbildungen. Wir aber wollen dem Himmel danken, daß
bei uns das parlamentarische System nicht herrscht, daß unsere Verfassungen
uns uicht der Gnade der Majoritäten von heute zu morgen ausliefern; denn
nichts ist schwerer zu tragen als deren Herrschaft, durch nichts ist das Interesse
der Schwachen in Verfassungsstaaten besser geschützt als durch eine starke, solide
monarchische Gewalt neben der Volksvertretung mit ihrem Fanatismus für
Modcdoktrinen, und nie ist die wahre Freiheit so arg mit Füßen getreten worden
als von der Unduldsamkeit, der Unbilligkeit und der Herrschgier der Demokraten,
welche das Streben nach Freiheit auf ihre Parteifahne schrieben.

Kein Parlamentarismus also, aber deshalb kein Absolutismus, sondern
Konstitutionalismus, verfassungsmäßiges Regiment, Gleichberechtigung von Krone
und Volksvertretung, Verwaltung des Staates durch die Beamten des Königs
unter Gesetzen, die durch Zustimmung der Mandatare des Volkes in Reichstag
und Landtag, aber nicht allein durch diese Körperschaften zustande kommen. Das
ist unser Recht, und daran ändert der Erlaß vom 4. Januar uicht das min¬
deste. Wie bisher, so werden auch hinfort die Parlamente die Hand auf den
Knopf des Staatssäckels halten, wie bisher, so werden sie auch in Zukunft einer
von den Faktoren bei der Gesetzgebung sein, der nicht umgangen werden kann.
Aber es war gut und nützlich, daß die Begehrlichkeit und Strcberei, die sich in
letzter Zeit in der liberalen Partei lauter und breiter machten als seit Jahren,
wieder einmal mit aller Deutlichkeit und Bestimmtheit erfuhren, daß wir nach
der Verfassung nicht nur Rechte für das Parlament, sondern auch Rechte für
den Monarchen und zwar für beide gleich volle Rechte haben.

Betrachten wir den zweiten Teil des Erlasses, so mag zunächst beiläufig
daran erinnert werden, daß nach dem ursprünglichen Entwürfe der Reichsver¬
fassung die Beamten nicht wählbar sein sollten. Dann behauptete der Minister
des Innern allerdings, daß letztre bei Wahlen nicht gegen die Regierung wirken


Reichstag und Landtag im nenon Zcchrc.

steht. Die Verfassung Preußens und Deutschlands hat nur die Wirkung, eines¬
teils einen bestimmte» Kreis der Regierungshandlungen an Gesetze zu binden,
die aus der Vereinbarung der Volksvertretung mit der Regierung, im Reiche
zugleich mit den im Bundesrate repräsentirten Landesregierungen hervorgehen,
andernteils den Souverän mit verantwortlichen Räten zu umgeben, die von ihm
gewählt und seine Organe, nicht die der Parlamente, nicht ein bloßer Ausschuß
der wechselnden Majorität in den letzteren sind. Wenn der Geist der Parteien,
welche den Parlamentarismus, zu deutsch die Herrschaft der Volksvertretung
und in letzter Reihe bewußt oder unbewußt die Verwirklichung der Volkssouve-
ränetät anstreben, dieses verfassungsmäßige Verhältnis nicht anerkennt und den
Kaiser und König zu einem stummen Prinzip machen, ihn als politisch mundtot
und gewissermaßen nnr ornamental ansehen will, so nimmt er einen völlig irr¬
tümlichen Standpunkt ein, so hält er seine Wünsche fälschlich für bereits zu That¬
sachen geworden, so steht er nicht ans klarem gesetzlichen Boden, sondern in der
trüben Luft seiner Einbildungen. Wir aber wollen dem Himmel danken, daß
bei uns das parlamentarische System nicht herrscht, daß unsere Verfassungen
uns uicht der Gnade der Majoritäten von heute zu morgen ausliefern; denn
nichts ist schwerer zu tragen als deren Herrschaft, durch nichts ist das Interesse
der Schwachen in Verfassungsstaaten besser geschützt als durch eine starke, solide
monarchische Gewalt neben der Volksvertretung mit ihrem Fanatismus für
Modcdoktrinen, und nie ist die wahre Freiheit so arg mit Füßen getreten worden
als von der Unduldsamkeit, der Unbilligkeit und der Herrschgier der Demokraten,
welche das Streben nach Freiheit auf ihre Parteifahne schrieben.

Kein Parlamentarismus also, aber deshalb kein Absolutismus, sondern
Konstitutionalismus, verfassungsmäßiges Regiment, Gleichberechtigung von Krone
und Volksvertretung, Verwaltung des Staates durch die Beamten des Königs
unter Gesetzen, die durch Zustimmung der Mandatare des Volkes in Reichstag
und Landtag, aber nicht allein durch diese Körperschaften zustande kommen. Das
ist unser Recht, und daran ändert der Erlaß vom 4. Januar uicht das min¬
deste. Wie bisher, so werden auch hinfort die Parlamente die Hand auf den
Knopf des Staatssäckels halten, wie bisher, so werden sie auch in Zukunft einer
von den Faktoren bei der Gesetzgebung sein, der nicht umgangen werden kann.
Aber es war gut und nützlich, daß die Begehrlichkeit und Strcberei, die sich in
letzter Zeit in der liberalen Partei lauter und breiter machten als seit Jahren,
wieder einmal mit aller Deutlichkeit und Bestimmtheit erfuhren, daß wir nach
der Verfassung nicht nur Rechte für das Parlament, sondern auch Rechte für
den Monarchen und zwar für beide gleich volle Rechte haben.

Betrachten wir den zweiten Teil des Erlasses, so mag zunächst beiläufig
daran erinnert werden, daß nach dem ursprünglichen Entwürfe der Reichsver¬
fassung die Beamten nicht wählbar sein sollten. Dann behauptete der Minister
des Innern allerdings, daß letztre bei Wahlen nicht gegen die Regierung wirken


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[0211] Reichstag und Landtag im nenon Zcchrc. steht. Die Verfassung Preußens und Deutschlands hat nur die Wirkung, eines¬ teils einen bestimmte» Kreis der Regierungshandlungen an Gesetze zu binden, die aus der Vereinbarung der Volksvertretung mit der Regierung, im Reiche zugleich mit den im Bundesrate repräsentirten Landesregierungen hervorgehen, andernteils den Souverän mit verantwortlichen Räten zu umgeben, die von ihm gewählt und seine Organe, nicht die der Parlamente, nicht ein bloßer Ausschuß der wechselnden Majorität in den letzteren sind. Wenn der Geist der Parteien, welche den Parlamentarismus, zu deutsch die Herrschaft der Volksvertretung und in letzter Reihe bewußt oder unbewußt die Verwirklichung der Volkssouve- ränetät anstreben, dieses verfassungsmäßige Verhältnis nicht anerkennt und den Kaiser und König zu einem stummen Prinzip machen, ihn als politisch mundtot und gewissermaßen nnr ornamental ansehen will, so nimmt er einen völlig irr¬ tümlichen Standpunkt ein, so hält er seine Wünsche fälschlich für bereits zu That¬ sachen geworden, so steht er nicht ans klarem gesetzlichen Boden, sondern in der trüben Luft seiner Einbildungen. Wir aber wollen dem Himmel danken, daß bei uns das parlamentarische System nicht herrscht, daß unsere Verfassungen uns uicht der Gnade der Majoritäten von heute zu morgen ausliefern; denn nichts ist schwerer zu tragen als deren Herrschaft, durch nichts ist das Interesse der Schwachen in Verfassungsstaaten besser geschützt als durch eine starke, solide monarchische Gewalt neben der Volksvertretung mit ihrem Fanatismus für Modcdoktrinen, und nie ist die wahre Freiheit so arg mit Füßen getreten worden als von der Unduldsamkeit, der Unbilligkeit und der Herrschgier der Demokraten, welche das Streben nach Freiheit auf ihre Parteifahne schrieben. Kein Parlamentarismus also, aber deshalb kein Absolutismus, sondern Konstitutionalismus, verfassungsmäßiges Regiment, Gleichberechtigung von Krone und Volksvertretung, Verwaltung des Staates durch die Beamten des Königs unter Gesetzen, die durch Zustimmung der Mandatare des Volkes in Reichstag und Landtag, aber nicht allein durch diese Körperschaften zustande kommen. Das ist unser Recht, und daran ändert der Erlaß vom 4. Januar uicht das min¬ deste. Wie bisher, so werden auch hinfort die Parlamente die Hand auf den Knopf des Staatssäckels halten, wie bisher, so werden sie auch in Zukunft einer von den Faktoren bei der Gesetzgebung sein, der nicht umgangen werden kann. Aber es war gut und nützlich, daß die Begehrlichkeit und Strcberei, die sich in letzter Zeit in der liberalen Partei lauter und breiter machten als seit Jahren, wieder einmal mit aller Deutlichkeit und Bestimmtheit erfuhren, daß wir nach der Verfassung nicht nur Rechte für das Parlament, sondern auch Rechte für den Monarchen und zwar für beide gleich volle Rechte haben. Betrachten wir den zweiten Teil des Erlasses, so mag zunächst beiläufig daran erinnert werden, daß nach dem ursprünglichen Entwürfe der Reichsver¬ fassung die Beamten nicht wählbar sein sollten. Dann behauptete der Minister des Innern allerdings, daß letztre bei Wahlen nicht gegen die Regierung wirken

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/211>, abgerufen am 22.07.2024.