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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Der Grundkredit in Preußen.

schaftlicher Beziehung immer als ein wenig begütertes Land, dessen Bewohner
nnr, je mäßiger die Natur ihre Heimat bedacht hatte, um so eifriger bemüht
waren, diesen Mangel durch Arbeit auszugleichen. Insbesondre jenes Preußen,
welches bis 1866 bestand, erschien dein Ausländer wie ein mit geringem Ver¬
möge" arbeitender Geschäftsmann, der sich jedoch eine höchst geordnete und
durchsichtige Buchführung zur Pflicht gemacht hat.

Vielleicht als das vornehmste Merkmal der letztern kann die preußische
Hypothctenordnnug gelten. Fast seit einem Jahrhundert schon besitzt Preußen
ein streng geordnetes, gerichtlich geführtes Hypothelcnbnchlvesen. Aber gerade
dieser Umstand hat gewisse nachteilige Einwirkungen geübt. Je ärmer das Land,
desto geringer die Zahl der wohlhabenden Leute, desto geringer auch der Be¬
griff von Wohlhabenheit. Der Grundbesitz ist in Preußen verhältnismäßig tief
verschuldet, und der hierzu bestehenden unverkennbaren Tendenz diente in außer¬
ordentlich bequemer Weise gerade die an sich höchst lobenswerte Einrichtung des
Hypothekenbuchs. Die juristische Sicherheit der Hypothek ermöglicht eine leichte
Verpfäudbarkeit der Grundstücke. Die Verpfändung von Grund und Boden ist
denn auch in Preußen etwas so Selbstverständliches, daß der Besitz schuldenfreier
Immobilien wie ein materielles Glück von seltener Höhe angestaunt wird; er
kommt in der That nur in wenigen Ausnahmefällen vor. Sein Grundstück
uur mit dem dritten Teile des Wertes verpfändet zu haben, gilt schon für solid;
ja es giebt viele begüterte Leute in Preußen, die ihren Grundbesitz ohne innere
Notwendigkeit und nur aus dem Grunde hypothezircu, weil ein weitverbreiteter
Aberglaube gegen den Segen eines so völlig ungetrübten Besitzes streitet.

Es versteht sich, daß eine ganze Reihe staatlicher und privater Institutionen
sich auf der Basis dieser Einrichtung des Hypothekenbuchs entwickelt hat. Zu
den wichtigsten der neuesten Zeit zählen die sogenannten Hypothekenbanken. Mit
der Schöpfung dieser Art von Banken, denen in ziemlich großer Zahl Privi¬
legien vom preußischen Staate erteilt worden sind, glaubte man zur Zeit im
Dienste des Grundkredits beinahe den Stein der Weisen gefunden zu haben.
Das Grundkapital einer solchen Gesellschaft sollte hypothekarisch ausgeliehen und
die übernommenen Hypotheken sollten zur pfandmcißigcn Basis für die Emission
zinstragender Obligationen gemacht werden. Der Erlös aus den letzteren sollte
die gleiche Verwendung wie das Grundkapital selbst finden, und so eine fort¬
schreitende zehn- bis zwanzigfache Übercinanderhäufung von Sicherheiten und
Schuldverschreibungen geschaffen werden. Dadurch sei, so deduzirte mau, einer¬
seits das Grundkapital ertragsreich angelegt, ferner seien in den Obligationen,
denen man den in Preußen beliebten Namen Pfandbriefe gab, sichere zinstra¬
gende Papiere geschaffen, und endlich und hauptsächlich sollte dem unter dem
Drucke einer unregelmäßigen wucherischer Geschäftstätigkeit schmachtenden Kredit¬
bedürfnisse des Grundbesitzers eine vortreffliche Erleichterung gewährt werden.
Leider hat die Praxis gelehrt, daß alle diese Erwartungen zum größten Teil


Der Grundkredit in Preußen.

schaftlicher Beziehung immer als ein wenig begütertes Land, dessen Bewohner
nnr, je mäßiger die Natur ihre Heimat bedacht hatte, um so eifriger bemüht
waren, diesen Mangel durch Arbeit auszugleichen. Insbesondre jenes Preußen,
welches bis 1866 bestand, erschien dein Ausländer wie ein mit geringem Ver¬
möge» arbeitender Geschäftsmann, der sich jedoch eine höchst geordnete und
durchsichtige Buchführung zur Pflicht gemacht hat.

Vielleicht als das vornehmste Merkmal der letztern kann die preußische
Hypothctenordnnug gelten. Fast seit einem Jahrhundert schon besitzt Preußen
ein streng geordnetes, gerichtlich geführtes Hypothelcnbnchlvesen. Aber gerade
dieser Umstand hat gewisse nachteilige Einwirkungen geübt. Je ärmer das Land,
desto geringer die Zahl der wohlhabenden Leute, desto geringer auch der Be¬
griff von Wohlhabenheit. Der Grundbesitz ist in Preußen verhältnismäßig tief
verschuldet, und der hierzu bestehenden unverkennbaren Tendenz diente in außer¬
ordentlich bequemer Weise gerade die an sich höchst lobenswerte Einrichtung des
Hypothekenbuchs. Die juristische Sicherheit der Hypothek ermöglicht eine leichte
Verpfäudbarkeit der Grundstücke. Die Verpfändung von Grund und Boden ist
denn auch in Preußen etwas so Selbstverständliches, daß der Besitz schuldenfreier
Immobilien wie ein materielles Glück von seltener Höhe angestaunt wird; er
kommt in der That nur in wenigen Ausnahmefällen vor. Sein Grundstück
uur mit dem dritten Teile des Wertes verpfändet zu haben, gilt schon für solid;
ja es giebt viele begüterte Leute in Preußen, die ihren Grundbesitz ohne innere
Notwendigkeit und nur aus dem Grunde hypothezircu, weil ein weitverbreiteter
Aberglaube gegen den Segen eines so völlig ungetrübten Besitzes streitet.

Es versteht sich, daß eine ganze Reihe staatlicher und privater Institutionen
sich auf der Basis dieser Einrichtung des Hypothekenbuchs entwickelt hat. Zu
den wichtigsten der neuesten Zeit zählen die sogenannten Hypothekenbanken. Mit
der Schöpfung dieser Art von Banken, denen in ziemlich großer Zahl Privi¬
legien vom preußischen Staate erteilt worden sind, glaubte man zur Zeit im
Dienste des Grundkredits beinahe den Stein der Weisen gefunden zu haben.
Das Grundkapital einer solchen Gesellschaft sollte hypothekarisch ausgeliehen und
die übernommenen Hypotheken sollten zur pfandmcißigcn Basis für die Emission
zinstragender Obligationen gemacht werden. Der Erlös aus den letzteren sollte
die gleiche Verwendung wie das Grundkapital selbst finden, und so eine fort¬
schreitende zehn- bis zwanzigfache Übercinanderhäufung von Sicherheiten und
Schuldverschreibungen geschaffen werden. Dadurch sei, so deduzirte mau, einer¬
seits das Grundkapital ertragsreich angelegt, ferner seien in den Obligationen,
denen man den in Preußen beliebten Namen Pfandbriefe gab, sichere zinstra¬
gende Papiere geschaffen, und endlich und hauptsächlich sollte dem unter dem
Drucke einer unregelmäßigen wucherischer Geschäftstätigkeit schmachtenden Kredit¬
bedürfnisse des Grundbesitzers eine vortreffliche Erleichterung gewährt werden.
Leider hat die Praxis gelehrt, daß alle diese Erwartungen zum größten Teil


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/144>, abgerufen am 23.07.2024.