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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Lösung der Maria Stuart-Frage.

Auf jenen Bond gestützt, warb Bothwell um die Hand Marias. Er be¬
mächtigte sich ihrer Person, und halb gezwungen nahm sie ihn thörichtcrweise
zum Gemahl, in der Hoffnung, daß diese neue Ehe dem Lande den Frieden
wiedergeben würde.

Was darauf folgte, ist bekannt. Es kam zu neuen Aufständen des Adels,
welche die unglückliche Königin in die Gefangenschaft der Schotten, in die Flucht
und zuletzt in die Hand ihrer Feindin und auf das Schaffot führten. Die An¬
klagen wegen Gattcnmordes wurden aber nicht sogleich erhoben. Bothwell allein
wurde des Königsmordes angeklagt. Auch das spricht für Marias Schuldlosigkeit.
Ihre Throncntsetzung im Juli 1567 wurde nicht mit dem Vorwurf jenes Verbrechens
gerechtfertigt, obgleich Murray versicherte, schon damals habe man schriftliche
Beweise für die Mitschuld der Königin in den Händen gehabt. Im Jahre 1568
erhob sich derselbe Adel, der später die furchtbare Anklage gegen Maria erhob, für die
Königin zum blutigen Entscheidungskampfe. Und wie kam es, daß Murray auf der
Konferenz von Jork nicht sogleich die Anklage auf Gatteumord erhob und er oder
Elisabeth der tief aufgeregten öffentlichen Meinung die Richtigkeit jener Anklage
nicht sogleich durch Veröffentlichung des angeblichen Beweismatcrinls darlegte?

Wenn wir festhalten, daß die Oewotio, welche die Grundlage aller späteren
Angriffe auf die Königin geworden ist, die gröbsten Unwahrheiten enthält, wie
auf Schritt und Tritt bewiesen werden kann, wenn wir damit zusammenstellen,
daß jene Schmähschrift den ausgesprochenen Zweck hatte, die Königin von Schott¬
land auch vor dem katholischen Frankreich zu diskrcditiren -- wer wird dann
einem solchen Machwerk noch Glauben schenken wollen? Mit der Glaubwürdig¬
keit der vstootio steht und fällt aber die Echtheit der Briefe Marias an Bothwell.
WerBuchanans Bericht für wahrhaft hält, der kann wenigstens die Briefe Marias
für echt halten, wenn ihm auch dieses oder jenes Bedenken darüber kommen
wird. Wer dagegen die oft-solio für ein lügnerisches Machwerk hält und um
kein Verhältnis Marias zu Bothwell glaubt, für den ist es selbstverständlich
keine Frage weiter, daß wir es in den Briefen mit einer Fälschung zu thun
haben. Bekker, der das Material, wie keiner seiner Vorgänger beherrscht und
das Für und Wider reiflich erwägt, weist an der Hand von Thatsachen, aus
den Widersprüchen der Berichte über das Auffinden jener Briefsammlung, aus
dein Mißtrauen, welches ihr anfänglich entgegengebracht wurde, aus der Behut¬
samkeit, mit der zuerst die Gegner Marias sich der Schreiben bedienten, endlich
mich aus einer Reihe formeller Gründe nach, daß hier nichts als eine Fälschung
vorliegt, und er stellt höchst wahrscheinliche Vermutungen darüber auf, wie und
zu welcher Zeit jene Briefsammlung entstanden ist.

Vor wenigen Monaten enthielten die "Grenzboten" die Besprechung eines
Werkes, welches einen ähnlichen Zweck verfolgte wie das vorliegende Buch.
Es galt, Wallen stein, einen Mann, der ebenso wie die schottische Königin das
Schicksal gehabt hat, ein "von der Parteien Gunst und Haß verwirrtes" Bild


Die Lösung der Maria Stuart-Frage.

Auf jenen Bond gestützt, warb Bothwell um die Hand Marias. Er be¬
mächtigte sich ihrer Person, und halb gezwungen nahm sie ihn thörichtcrweise
zum Gemahl, in der Hoffnung, daß diese neue Ehe dem Lande den Frieden
wiedergeben würde.

Was darauf folgte, ist bekannt. Es kam zu neuen Aufständen des Adels,
welche die unglückliche Königin in die Gefangenschaft der Schotten, in die Flucht
und zuletzt in die Hand ihrer Feindin und auf das Schaffot führten. Die An¬
klagen wegen Gattcnmordes wurden aber nicht sogleich erhoben. Bothwell allein
wurde des Königsmordes angeklagt. Auch das spricht für Marias Schuldlosigkeit.
Ihre Throncntsetzung im Juli 1567 wurde nicht mit dem Vorwurf jenes Verbrechens
gerechtfertigt, obgleich Murray versicherte, schon damals habe man schriftliche
Beweise für die Mitschuld der Königin in den Händen gehabt. Im Jahre 1568
erhob sich derselbe Adel, der später die furchtbare Anklage gegen Maria erhob, für die
Königin zum blutigen Entscheidungskampfe. Und wie kam es, daß Murray auf der
Konferenz von Jork nicht sogleich die Anklage auf Gatteumord erhob und er oder
Elisabeth der tief aufgeregten öffentlichen Meinung die Richtigkeit jener Anklage
nicht sogleich durch Veröffentlichung des angeblichen Beweismatcrinls darlegte?

Wenn wir festhalten, daß die Oewotio, welche die Grundlage aller späteren
Angriffe auf die Königin geworden ist, die gröbsten Unwahrheiten enthält, wie
auf Schritt und Tritt bewiesen werden kann, wenn wir damit zusammenstellen,
daß jene Schmähschrift den ausgesprochenen Zweck hatte, die Königin von Schott¬
land auch vor dem katholischen Frankreich zu diskrcditiren — wer wird dann
einem solchen Machwerk noch Glauben schenken wollen? Mit der Glaubwürdig¬
keit der vstootio steht und fällt aber die Echtheit der Briefe Marias an Bothwell.
WerBuchanans Bericht für wahrhaft hält, der kann wenigstens die Briefe Marias
für echt halten, wenn ihm auch dieses oder jenes Bedenken darüber kommen
wird. Wer dagegen die oft-solio für ein lügnerisches Machwerk hält und um
kein Verhältnis Marias zu Bothwell glaubt, für den ist es selbstverständlich
keine Frage weiter, daß wir es in den Briefen mit einer Fälschung zu thun
haben. Bekker, der das Material, wie keiner seiner Vorgänger beherrscht und
das Für und Wider reiflich erwägt, weist an der Hand von Thatsachen, aus
den Widersprüchen der Berichte über das Auffinden jener Briefsammlung, aus
dein Mißtrauen, welches ihr anfänglich entgegengebracht wurde, aus der Behut¬
samkeit, mit der zuerst die Gegner Marias sich der Schreiben bedienten, endlich
mich aus einer Reihe formeller Gründe nach, daß hier nichts als eine Fälschung
vorliegt, und er stellt höchst wahrscheinliche Vermutungen darüber auf, wie und
zu welcher Zeit jene Briefsammlung entstanden ist.

Vor wenigen Monaten enthielten die „Grenzboten" die Besprechung eines
Werkes, welches einen ähnlichen Zweck verfolgte wie das vorliegende Buch.
Es galt, Wallen stein, einen Mann, der ebenso wie die schottische Königin das
Schicksal gehabt hat, ein „von der Parteien Gunst und Haß verwirrtes" Bild


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/134>, abgerufen am 23.07.2024.