Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Scheitern des englisch-französischen Handelsvertrags,

Neid und Eifer war nicht das geringste unter den Motiven, die den Krieg Napoleons
des Dritten gegen Deutschland veranlaßten. Der letzte Kampf Rußlands mit der
Pforte wurde von weiten Kreisen des russischen Volkes als Glaubenskrieg, als
Kreuzzug aufgefaßt. Der jetzige Aufstand in Algerien wurde von Mekkapilgern
angefacht. Der Mittelpunkt des Feldzuges in Tunis war die heilige Stadt
Kcrwan. Dann aber haben die obenerwähnten neuen Verkehrsmittel dein religiösen
Geiste nicht nur nicht geschadet, souderu gewisse Seiten des Glaubens geradezu
gefordert. Pilger reisen auf Eisenbahnen und Dampfschiffen, der Segen des Papstes
wird durch den Telegraphen vermittelt, das letzte Konzil hätte ohne die moderne
Art, sich von Ort zu Ort zu begeben, gewiß nicht so großartige Dimensionen
angenommen. Auch der Panislamismns dankt den Mitteln, welche die Länder
und Städte einander genähert haben, viel; denn der Kauf braucht jetzt, um
eine Botschaft nach Tripolis oder Jndien zu schicken, nicht so viel Zeit, als vor
sechzig Jahren, um einen Brief an Ali Pascha von Janina gelangen zu lassen. Wir
sehen also einen asiatischen Glauben gestärkt durch europäische Erfindungen, die
Elektricität begünstigt den Fanatismus, und Zeitungsartikel predigen den Koran.
Es ist nichts mit den Redensarten derer, welche an die Allmacht der Mechanik,
der benutzten Naturkräfte glauben. Der Mensch ist ein zu geistiges Wesen, um
zum Sklaven eines verbesserten Personen- und Güterverkehrs zu werden. Die
Seelen geraten wie vor Alters so noch heute unter den Impulsen des Glaubens
in Schwingung, und das wird immer so bleiben.




Das scheitern
des englisch-französischen Handelsvertrags.

in Verhandlungen übex den Abschluß eines neuen Handelsvertrags
zwischen Frankreich und England, die vor einiger Zeit unter¬
brochen und dann wieder aufgenommen wurden, haben thatsächlich
ihr Ende erreicht, und es ist nicht wahrscheinlich, daß man sie
englischerscits wieder anknüpfen wird. Sir Charles Dilke und
die übrigen englischen Unterhändler sind von Paris mit der Überzeugung heim¬
gereist, daß sie keine Hoffnung haben, mit Frankreich ein Übereinkommen abzu¬
schließen, welches den Wünschen und Interessen Großbritanniens entspricht, und
vom 8. Februar ab werden alle in Frankreich einzuführenden englischen Waaren
"ach dem neuen Tarife zu verzollen sein. Gambetta hatte früher erhebliche
Zugeständnisse als möglich hingestellt, aber selbst Gambetta kann nicht alles, was
er möchte, und am wenigsten ans dem Gebiete der wirtschaftlichen Interessen und


Das Scheitern des englisch-französischen Handelsvertrags,

Neid und Eifer war nicht das geringste unter den Motiven, die den Krieg Napoleons
des Dritten gegen Deutschland veranlaßten. Der letzte Kampf Rußlands mit der
Pforte wurde von weiten Kreisen des russischen Volkes als Glaubenskrieg, als
Kreuzzug aufgefaßt. Der jetzige Aufstand in Algerien wurde von Mekkapilgern
angefacht. Der Mittelpunkt des Feldzuges in Tunis war die heilige Stadt
Kcrwan. Dann aber haben die obenerwähnten neuen Verkehrsmittel dein religiösen
Geiste nicht nur nicht geschadet, souderu gewisse Seiten des Glaubens geradezu
gefordert. Pilger reisen auf Eisenbahnen und Dampfschiffen, der Segen des Papstes
wird durch den Telegraphen vermittelt, das letzte Konzil hätte ohne die moderne
Art, sich von Ort zu Ort zu begeben, gewiß nicht so großartige Dimensionen
angenommen. Auch der Panislamismns dankt den Mitteln, welche die Länder
und Städte einander genähert haben, viel; denn der Kauf braucht jetzt, um
eine Botschaft nach Tripolis oder Jndien zu schicken, nicht so viel Zeit, als vor
sechzig Jahren, um einen Brief an Ali Pascha von Janina gelangen zu lassen. Wir
sehen also einen asiatischen Glauben gestärkt durch europäische Erfindungen, die
Elektricität begünstigt den Fanatismus, und Zeitungsartikel predigen den Koran.
Es ist nichts mit den Redensarten derer, welche an die Allmacht der Mechanik,
der benutzten Naturkräfte glauben. Der Mensch ist ein zu geistiges Wesen, um
zum Sklaven eines verbesserten Personen- und Güterverkehrs zu werden. Die
Seelen geraten wie vor Alters so noch heute unter den Impulsen des Glaubens
in Schwingung, und das wird immer so bleiben.




Das scheitern
des englisch-französischen Handelsvertrags.

in Verhandlungen übex den Abschluß eines neuen Handelsvertrags
zwischen Frankreich und England, die vor einiger Zeit unter¬
brochen und dann wieder aufgenommen wurden, haben thatsächlich
ihr Ende erreicht, und es ist nicht wahrscheinlich, daß man sie
englischerscits wieder anknüpfen wird. Sir Charles Dilke und
die übrigen englischen Unterhändler sind von Paris mit der Überzeugung heim¬
gereist, daß sie keine Hoffnung haben, mit Frankreich ein Übereinkommen abzu¬
schließen, welches den Wünschen und Interessen Großbritanniens entspricht, und
vom 8. Februar ab werden alle in Frankreich einzuführenden englischen Waaren
»ach dem neuen Tarife zu verzollen sein. Gambetta hatte früher erhebliche
Zugeständnisse als möglich hingestellt, aber selbst Gambetta kann nicht alles, was
er möchte, und am wenigsten ans dem Gebiete der wirtschaftlichen Interessen und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0117" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86238"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Scheitern des englisch-französischen Handelsvertrags,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_450" prev="#ID_449"> Neid und Eifer war nicht das geringste unter den Motiven, die den Krieg Napoleons<lb/>
des Dritten gegen Deutschland veranlaßten. Der letzte Kampf Rußlands mit der<lb/>
Pforte wurde von weiten Kreisen des russischen Volkes als Glaubenskrieg, als<lb/>
Kreuzzug aufgefaßt. Der jetzige Aufstand in Algerien wurde von Mekkapilgern<lb/>
angefacht. Der Mittelpunkt des Feldzuges in Tunis war die heilige Stadt<lb/>
Kcrwan. Dann aber haben die obenerwähnten neuen Verkehrsmittel dein religiösen<lb/>
Geiste nicht nur nicht geschadet, souderu gewisse Seiten des Glaubens geradezu<lb/>
gefordert. Pilger reisen auf Eisenbahnen und Dampfschiffen, der Segen des Papstes<lb/>
wird durch den Telegraphen vermittelt, das letzte Konzil hätte ohne die moderne<lb/>
Art, sich von Ort zu Ort zu begeben, gewiß nicht so großartige Dimensionen<lb/>
angenommen. Auch der Panislamismns dankt den Mitteln, welche die Länder<lb/>
und Städte einander genähert haben, viel; denn der Kauf braucht jetzt, um<lb/>
eine Botschaft nach Tripolis oder Jndien zu schicken, nicht so viel Zeit, als vor<lb/>
sechzig Jahren, um einen Brief an Ali Pascha von Janina gelangen zu lassen. Wir<lb/>
sehen also einen asiatischen Glauben gestärkt durch europäische Erfindungen, die<lb/>
Elektricität begünstigt den Fanatismus, und Zeitungsartikel predigen den Koran.<lb/>
Es ist nichts mit den Redensarten derer, welche an die Allmacht der Mechanik,<lb/>
der benutzten Naturkräfte glauben. Der Mensch ist ein zu geistiges Wesen, um<lb/>
zum Sklaven eines verbesserten Personen- und Güterverkehrs zu werden. Die<lb/>
Seelen geraten wie vor Alters so noch heute unter den Impulsen des Glaubens<lb/>
in Schwingung, und das wird immer so bleiben.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das scheitern<lb/>
des englisch-französischen Handelsvertrags.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_451" next="#ID_452"> in Verhandlungen übex den Abschluß eines neuen Handelsvertrags<lb/>
zwischen Frankreich und England, die vor einiger Zeit unter¬<lb/>
brochen und dann wieder aufgenommen wurden, haben thatsächlich<lb/>
ihr Ende erreicht, und es ist nicht wahrscheinlich, daß man sie<lb/>
englischerscits wieder anknüpfen wird. Sir Charles Dilke und<lb/>
die übrigen englischen Unterhändler sind von Paris mit der Überzeugung heim¬<lb/>
gereist, daß sie keine Hoffnung haben, mit Frankreich ein Übereinkommen abzu¬<lb/>
schließen, welches den Wünschen und Interessen Großbritanniens entspricht, und<lb/>
vom 8. Februar ab werden alle in Frankreich einzuführenden englischen Waaren<lb/>
»ach dem neuen Tarife zu verzollen sein. Gambetta hatte früher erhebliche<lb/>
Zugeständnisse als möglich hingestellt, aber selbst Gambetta kann nicht alles, was<lb/>
er möchte, und am wenigsten ans dem Gebiete der wirtschaftlichen Interessen und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0117] Das Scheitern des englisch-französischen Handelsvertrags, Neid und Eifer war nicht das geringste unter den Motiven, die den Krieg Napoleons des Dritten gegen Deutschland veranlaßten. Der letzte Kampf Rußlands mit der Pforte wurde von weiten Kreisen des russischen Volkes als Glaubenskrieg, als Kreuzzug aufgefaßt. Der jetzige Aufstand in Algerien wurde von Mekkapilgern angefacht. Der Mittelpunkt des Feldzuges in Tunis war die heilige Stadt Kcrwan. Dann aber haben die obenerwähnten neuen Verkehrsmittel dein religiösen Geiste nicht nur nicht geschadet, souderu gewisse Seiten des Glaubens geradezu gefordert. Pilger reisen auf Eisenbahnen und Dampfschiffen, der Segen des Papstes wird durch den Telegraphen vermittelt, das letzte Konzil hätte ohne die moderne Art, sich von Ort zu Ort zu begeben, gewiß nicht so großartige Dimensionen angenommen. Auch der Panislamismns dankt den Mitteln, welche die Länder und Städte einander genähert haben, viel; denn der Kauf braucht jetzt, um eine Botschaft nach Tripolis oder Jndien zu schicken, nicht so viel Zeit, als vor sechzig Jahren, um einen Brief an Ali Pascha von Janina gelangen zu lassen. Wir sehen also einen asiatischen Glauben gestärkt durch europäische Erfindungen, die Elektricität begünstigt den Fanatismus, und Zeitungsartikel predigen den Koran. Es ist nichts mit den Redensarten derer, welche an die Allmacht der Mechanik, der benutzten Naturkräfte glauben. Der Mensch ist ein zu geistiges Wesen, um zum Sklaven eines verbesserten Personen- und Güterverkehrs zu werden. Die Seelen geraten wie vor Alters so noch heute unter den Impulsen des Glaubens in Schwingung, und das wird immer so bleiben. Das scheitern des englisch-französischen Handelsvertrags. in Verhandlungen übex den Abschluß eines neuen Handelsvertrags zwischen Frankreich und England, die vor einiger Zeit unter¬ brochen und dann wieder aufgenommen wurden, haben thatsächlich ihr Ende erreicht, und es ist nicht wahrscheinlich, daß man sie englischerscits wieder anknüpfen wird. Sir Charles Dilke und die übrigen englischen Unterhändler sind von Paris mit der Überzeugung heim¬ gereist, daß sie keine Hoffnung haben, mit Frankreich ein Übereinkommen abzu¬ schließen, welches den Wünschen und Interessen Großbritanniens entspricht, und vom 8. Februar ab werden alle in Frankreich einzuführenden englischen Waaren »ach dem neuen Tarife zu verzollen sein. Gambetta hatte früher erhebliche Zugeständnisse als möglich hingestellt, aber selbst Gambetta kann nicht alles, was er möchte, und am wenigsten ans dem Gebiete der wirtschaftlichen Interessen und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/117
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/117>, abgerufen am 28.09.2024.