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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger,

an der Spitze bleiben will. Die wahre Politik besteht ja in einer geschickt zu¬
sammengefügten Kette von Kompromissen. Ich sehe ein, wie einfältig im Grunde
jene Männer waren, die ich vorhin nannte, denn alle zusammen haben wohl
kaum soviel Geld in ihrem Leben verdient wie dn allein. Ein kluger Mann
muß vor allem für sich selber klug sein.

Ja, sagte der Reichstagsabgevrduete mit Nachdruck, das ist freilich sehr
wahr, was du da sagst, und es ist mir ein angenehmes Bewußtsein, wenn ich
die Erfolge überdenke, die ich erreicht habe. Ich bin imstande, mit dem Ver¬
mögen, das ich mir durch eigene Kraft erworben, meine und meiner Kinder
Zukunft zu sichern, dazu anch noch meinen Freunden und Verwandten nützlich
und hilfreich zu sein. Aber was ich noch hoher schätze, das ist die Anerkennung,
die ich mir bei der Nation erworben habe, und die mir ein Zeugnis dafür ist,
hohen und edlen Zielen zum Besten des Staats nachgestrebt zu haben; obwohl,
fügte er nach einer Pause hinzu, es natürlich anch nicht um niedrigen und hämischen
Gesellen fehlt, die in ihrem Neid und Haß auf alles Hohe mich mit ihren Ver¬
leumdungen verfolgen.

Wirklich? fragte der Gelehrte mit erstaunter Miene, ist es möglich, daß es
Leute von solcher Blindheit und Beschränktheit giebt, daß sie nicht einsehen, was
dn für das Wohl des Staates geleistet hast?

Blindheit und Beschränktheit ist es eben nicht, mein Lieber, sondern, wie
ich sage, Neid und Haß. Die Kerle wissen recht gut, was sie wollen, wenn sie
mich angreifen.

So hast dn doch darin wenigstens Aehnlichkeit mit meinen alten Freunden,
die auch von Neid und Haß verfolgt wurde". Aber nimm es nur nicht übel,
daß ich dich mit diesen Leuten vergleiche, denn, siehst dn, Solon zählt doch zu
den sieben Weisen, und Aristides hat den Beinamen des Gerechten!

Thu mir den Gefallen, Ephraim, deine alten Griechen jetzt einmal bei Seite
zu lassen und für einige Minute" auf einen praktischen Standpunkt herabzu¬
steigen. Die Sache ist die: Ich bin in letzter Zeit ganz empfindlich angegriffen
worden, und zwar in der Oeffentlichke.it. Du weißt, daß ich meine frühere Stellung
als Staatsbeamter aufgab, um mich ganz den Angelegenheiten des Staates
widmen zu können. Da ich aber nur ein ganz unbedeutendes Vermögen hatte,
von dem ich hier in Berlin nicht leben konnte, war ich darauf angewiesen, mir
einen Erwerb zu verschaffen. Man bot mir die Stellung eines Präsidenten des
Aufsichtsrnts der Patriotischen Handelsbank, und ich nahm sie an, um eben hier
leben und mich ganz der Politik widmen zu können. Es war also ein Akt
persönlicher Aufopferung meinerseits, daß ich meine gesicherte und geachtete
Stellung als Beamter aufgab, und so müßte jeder gercchtdentende Mann es
auffassen, zumal wenn er überlegt, welchen Kämpfen und Mühen ich während
meiner parlamentarischen Laufbahn ausgesetzt war und noch bin. Aber weit
gefehlt. Man greift mich jetzt an, indem man ungescheut behauptet, ich hätte


Bakchen und Thyrsosträger,

an der Spitze bleiben will. Die wahre Politik besteht ja in einer geschickt zu¬
sammengefügten Kette von Kompromissen. Ich sehe ein, wie einfältig im Grunde
jene Männer waren, die ich vorhin nannte, denn alle zusammen haben wohl
kaum soviel Geld in ihrem Leben verdient wie dn allein. Ein kluger Mann
muß vor allem für sich selber klug sein.

Ja, sagte der Reichstagsabgevrduete mit Nachdruck, das ist freilich sehr
wahr, was du da sagst, und es ist mir ein angenehmes Bewußtsein, wenn ich
die Erfolge überdenke, die ich erreicht habe. Ich bin imstande, mit dem Ver¬
mögen, das ich mir durch eigene Kraft erworben, meine und meiner Kinder
Zukunft zu sichern, dazu anch noch meinen Freunden und Verwandten nützlich
und hilfreich zu sein. Aber was ich noch hoher schätze, das ist die Anerkennung,
die ich mir bei der Nation erworben habe, und die mir ein Zeugnis dafür ist,
hohen und edlen Zielen zum Besten des Staats nachgestrebt zu haben; obwohl,
fügte er nach einer Pause hinzu, es natürlich anch nicht um niedrigen und hämischen
Gesellen fehlt, die in ihrem Neid und Haß auf alles Hohe mich mit ihren Ver¬
leumdungen verfolgen.

Wirklich? fragte der Gelehrte mit erstaunter Miene, ist es möglich, daß es
Leute von solcher Blindheit und Beschränktheit giebt, daß sie nicht einsehen, was
dn für das Wohl des Staates geleistet hast?

Blindheit und Beschränktheit ist es eben nicht, mein Lieber, sondern, wie
ich sage, Neid und Haß. Die Kerle wissen recht gut, was sie wollen, wenn sie
mich angreifen.

So hast dn doch darin wenigstens Aehnlichkeit mit meinen alten Freunden,
die auch von Neid und Haß verfolgt wurde». Aber nimm es nur nicht übel,
daß ich dich mit diesen Leuten vergleiche, denn, siehst dn, Solon zählt doch zu
den sieben Weisen, und Aristides hat den Beinamen des Gerechten!

Thu mir den Gefallen, Ephraim, deine alten Griechen jetzt einmal bei Seite
zu lassen und für einige Minute» auf einen praktischen Standpunkt herabzu¬
steigen. Die Sache ist die: Ich bin in letzter Zeit ganz empfindlich angegriffen
worden, und zwar in der Oeffentlichke.it. Du weißt, daß ich meine frühere Stellung
als Staatsbeamter aufgab, um mich ganz den Angelegenheiten des Staates
widmen zu können. Da ich aber nur ein ganz unbedeutendes Vermögen hatte,
von dem ich hier in Berlin nicht leben konnte, war ich darauf angewiesen, mir
einen Erwerb zu verschaffen. Man bot mir die Stellung eines Präsidenten des
Aufsichtsrnts der Patriotischen Handelsbank, und ich nahm sie an, um eben hier
leben und mich ganz der Politik widmen zu können. Es war also ein Akt
persönlicher Aufopferung meinerseits, daß ich meine gesicherte und geachtete
Stellung als Beamter aufgab, und so müßte jeder gercchtdentende Mann es
auffassen, zumal wenn er überlegt, welchen Kämpfen und Mühen ich während
meiner parlamentarischen Laufbahn ausgesetzt war und noch bin. Aber weit
gefehlt. Man greift mich jetzt an, indem man ungescheut behauptet, ich hätte


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[0111] Bakchen und Thyrsosträger, an der Spitze bleiben will. Die wahre Politik besteht ja in einer geschickt zu¬ sammengefügten Kette von Kompromissen. Ich sehe ein, wie einfältig im Grunde jene Männer waren, die ich vorhin nannte, denn alle zusammen haben wohl kaum soviel Geld in ihrem Leben verdient wie dn allein. Ein kluger Mann muß vor allem für sich selber klug sein. Ja, sagte der Reichstagsabgevrduete mit Nachdruck, das ist freilich sehr wahr, was du da sagst, und es ist mir ein angenehmes Bewußtsein, wenn ich die Erfolge überdenke, die ich erreicht habe. Ich bin imstande, mit dem Ver¬ mögen, das ich mir durch eigene Kraft erworben, meine und meiner Kinder Zukunft zu sichern, dazu anch noch meinen Freunden und Verwandten nützlich und hilfreich zu sein. Aber was ich noch hoher schätze, das ist die Anerkennung, die ich mir bei der Nation erworben habe, und die mir ein Zeugnis dafür ist, hohen und edlen Zielen zum Besten des Staats nachgestrebt zu haben; obwohl, fügte er nach einer Pause hinzu, es natürlich anch nicht um niedrigen und hämischen Gesellen fehlt, die in ihrem Neid und Haß auf alles Hohe mich mit ihren Ver¬ leumdungen verfolgen. Wirklich? fragte der Gelehrte mit erstaunter Miene, ist es möglich, daß es Leute von solcher Blindheit und Beschränktheit giebt, daß sie nicht einsehen, was dn für das Wohl des Staates geleistet hast? Blindheit und Beschränktheit ist es eben nicht, mein Lieber, sondern, wie ich sage, Neid und Haß. Die Kerle wissen recht gut, was sie wollen, wenn sie mich angreifen. So hast dn doch darin wenigstens Aehnlichkeit mit meinen alten Freunden, die auch von Neid und Haß verfolgt wurde». Aber nimm es nur nicht übel, daß ich dich mit diesen Leuten vergleiche, denn, siehst dn, Solon zählt doch zu den sieben Weisen, und Aristides hat den Beinamen des Gerechten! Thu mir den Gefallen, Ephraim, deine alten Griechen jetzt einmal bei Seite zu lassen und für einige Minute» auf einen praktischen Standpunkt herabzu¬ steigen. Die Sache ist die: Ich bin in letzter Zeit ganz empfindlich angegriffen worden, und zwar in der Oeffentlichke.it. Du weißt, daß ich meine frühere Stellung als Staatsbeamter aufgab, um mich ganz den Angelegenheiten des Staates widmen zu können. Da ich aber nur ein ganz unbedeutendes Vermögen hatte, von dem ich hier in Berlin nicht leben konnte, war ich darauf angewiesen, mir einen Erwerb zu verschaffen. Man bot mir die Stellung eines Präsidenten des Aufsichtsrnts der Patriotischen Handelsbank, und ich nahm sie an, um eben hier leben und mich ganz der Politik widmen zu können. Es war also ein Akt persönlicher Aufopferung meinerseits, daß ich meine gesicherte und geachtete Stellung als Beamter aufgab, und so müßte jeder gercchtdentende Mann es auffassen, zumal wenn er überlegt, welchen Kämpfen und Mühen ich während meiner parlamentarischen Laufbahn ausgesetzt war und noch bin. Aber weit gefehlt. Man greift mich jetzt an, indem man ungescheut behauptet, ich hätte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/111>, abgerufen am 05.02.2025.