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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.

Alle Hagel, rief der Prinz, wer weiß, für welche Welt das gilt, ob für
das Diesseits oder das Jenseits! Ich kann einmal ohne Weiber nicht leben,
das weißt du, bester Victor. Und ist es da nicht besser, ich heirate eine hübsche,
liebenswürdige, junge Dame von guter, solider, deutscher Familie, als daß ich
immerfort mit Liebschaften wechsle und beständig Duelle und Klagen oder noch
schlimmere Dinge riskire, da ich doch für anständige Frauen, mit Erlaubnis
ihrer Männer sei es gesagt, nie viel Passion gehabt habe?

Das weiß ich, entgegnete Victor, so heirate also.

Die Sache hat nur, fuhr der Prinz fort, ihre Haken, auch wenn ich eine
tugendsame Deutsche nehme, die mich nicht betrügt. Man hat mir gesagt, daß
diese ehrbaren Frauen einen herben Wein verzapfen und mit Essig zu kochen
lieben. Wenn ich nur denke, die paar guten Tage, welche ich noch zu leben
habe, würden mir von solch einem Tugendspiegel vergällt, versauert und ver¬
dorben, so fürchte ich, mein heftiges Temperament würde zu bösen Scenen führen,
und wozu soll ich mir solche Pein und Qual aufladen?

Da ist es besser, du heiratest nicht, sagte der Kürassier.

Bei alledem müssen jedoch meine Verhältnisse auch in Betracht gezogen
werden. Ich habe mein Schloß in der Normandie, dazu die Güter in Sachsen.
Alles das ist nicht recht in Obhut genommen und verwaltet, so lange ich als
Junggeselle bald hier bald dort lebe. Eine tüchtige Frau hat so etwas Se߬
haftes, Kouscrvircudes. Ich glaube, das Schloß versiele nicht so rasch, wenn
eine Schloßfrau darin wohnte, und die Erträge von den Gütern wären größer,
wenn eine Frau sie controlirte.

Nun, so heirate, sagte der Kürassier, mit dem Kopfe nickend.

Nehme ich jedoch meine Lebensweise in Betracht, fuhr der Prinz fort, die
ich doch nicht gern ändern möchte, weil es mein größtes Vergnügen ist, auf die
Jagd zu gehen und zu reisen, so denke ich mit Sorge an die vielen Gelegen¬
heiten, welche meine Frau haben wird, zu thun, was sie will, weil sie allein
ist. Sie könnte gar zu leicht irgend eine Liebschaft anfangen, oder, wenn sie
dazu nicht aufgelegt ist, vielleicht übertriebenen Luxus machen und mein Ver¬
möge": verschwenden, anstatt es zusammenzuhalten und zu vermehren.

Das ist richtig, bemerkte Victor, da heirate lieber uicht.

Aber wie soll ich meinen Namen und meine Besitzungen vererben? fragte
der Prinz. Ein jeder Mann hat doch den Wunsch, Söhne und Töchter zu
haben, die er der Welt als die Seinigen zeigen kann, an denen er sich erfreut
und denen er bei seinem Tode sein Erworbenes oder Ererbtes zurückläßt. Soll
das Geschlecht der Parvlignac mit mir zu Ende gehen? Soll mein Wappen
verlöschen, das alte Geschlecht aussterben, der stolze, alte Name verwehen? Der
Gedanke drückt mir das Herz ab.

Das ist wahr, entgegnete der andere, also heirate.

Dein Rat, mein lieber Victor, sagte der Prinz, klingt, wenn du es mir nicht


Bakchen und Thyrsosträger.

Alle Hagel, rief der Prinz, wer weiß, für welche Welt das gilt, ob für
das Diesseits oder das Jenseits! Ich kann einmal ohne Weiber nicht leben,
das weißt du, bester Victor. Und ist es da nicht besser, ich heirate eine hübsche,
liebenswürdige, junge Dame von guter, solider, deutscher Familie, als daß ich
immerfort mit Liebschaften wechsle und beständig Duelle und Klagen oder noch
schlimmere Dinge riskire, da ich doch für anständige Frauen, mit Erlaubnis
ihrer Männer sei es gesagt, nie viel Passion gehabt habe?

Das weiß ich, entgegnete Victor, so heirate also.

Die Sache hat nur, fuhr der Prinz fort, ihre Haken, auch wenn ich eine
tugendsame Deutsche nehme, die mich nicht betrügt. Man hat mir gesagt, daß
diese ehrbaren Frauen einen herben Wein verzapfen und mit Essig zu kochen
lieben. Wenn ich nur denke, die paar guten Tage, welche ich noch zu leben
habe, würden mir von solch einem Tugendspiegel vergällt, versauert und ver¬
dorben, so fürchte ich, mein heftiges Temperament würde zu bösen Scenen führen,
und wozu soll ich mir solche Pein und Qual aufladen?

Da ist es besser, du heiratest nicht, sagte der Kürassier.

Bei alledem müssen jedoch meine Verhältnisse auch in Betracht gezogen
werden. Ich habe mein Schloß in der Normandie, dazu die Güter in Sachsen.
Alles das ist nicht recht in Obhut genommen und verwaltet, so lange ich als
Junggeselle bald hier bald dort lebe. Eine tüchtige Frau hat so etwas Se߬
haftes, Kouscrvircudes. Ich glaube, das Schloß versiele nicht so rasch, wenn
eine Schloßfrau darin wohnte, und die Erträge von den Gütern wären größer,
wenn eine Frau sie controlirte.

Nun, so heirate, sagte der Kürassier, mit dem Kopfe nickend.

Nehme ich jedoch meine Lebensweise in Betracht, fuhr der Prinz fort, die
ich doch nicht gern ändern möchte, weil es mein größtes Vergnügen ist, auf die
Jagd zu gehen und zu reisen, so denke ich mit Sorge an die vielen Gelegen¬
heiten, welche meine Frau haben wird, zu thun, was sie will, weil sie allein
ist. Sie könnte gar zu leicht irgend eine Liebschaft anfangen, oder, wenn sie
dazu nicht aufgelegt ist, vielleicht übertriebenen Luxus machen und mein Ver¬
möge«: verschwenden, anstatt es zusammenzuhalten und zu vermehren.

Das ist richtig, bemerkte Victor, da heirate lieber uicht.

Aber wie soll ich meinen Namen und meine Besitzungen vererben? fragte
der Prinz. Ein jeder Mann hat doch den Wunsch, Söhne und Töchter zu
haben, die er der Welt als die Seinigen zeigen kann, an denen er sich erfreut
und denen er bei seinem Tode sein Erworbenes oder Ererbtes zurückläßt. Soll
das Geschlecht der Parvlignac mit mir zu Ende gehen? Soll mein Wappen
verlöschen, das alte Geschlecht aussterben, der stolze, alte Name verwehen? Der
Gedanke drückt mir das Herz ab.

Das ist wahr, entgegnete der andere, also heirate.

Dein Rat, mein lieber Victor, sagte der Prinz, klingt, wenn du es mir nicht


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[0103] Bakchen und Thyrsosträger. Alle Hagel, rief der Prinz, wer weiß, für welche Welt das gilt, ob für das Diesseits oder das Jenseits! Ich kann einmal ohne Weiber nicht leben, das weißt du, bester Victor. Und ist es da nicht besser, ich heirate eine hübsche, liebenswürdige, junge Dame von guter, solider, deutscher Familie, als daß ich immerfort mit Liebschaften wechsle und beständig Duelle und Klagen oder noch schlimmere Dinge riskire, da ich doch für anständige Frauen, mit Erlaubnis ihrer Männer sei es gesagt, nie viel Passion gehabt habe? Das weiß ich, entgegnete Victor, so heirate also. Die Sache hat nur, fuhr der Prinz fort, ihre Haken, auch wenn ich eine tugendsame Deutsche nehme, die mich nicht betrügt. Man hat mir gesagt, daß diese ehrbaren Frauen einen herben Wein verzapfen und mit Essig zu kochen lieben. Wenn ich nur denke, die paar guten Tage, welche ich noch zu leben habe, würden mir von solch einem Tugendspiegel vergällt, versauert und ver¬ dorben, so fürchte ich, mein heftiges Temperament würde zu bösen Scenen führen, und wozu soll ich mir solche Pein und Qual aufladen? Da ist es besser, du heiratest nicht, sagte der Kürassier. Bei alledem müssen jedoch meine Verhältnisse auch in Betracht gezogen werden. Ich habe mein Schloß in der Normandie, dazu die Güter in Sachsen. Alles das ist nicht recht in Obhut genommen und verwaltet, so lange ich als Junggeselle bald hier bald dort lebe. Eine tüchtige Frau hat so etwas Se߬ haftes, Kouscrvircudes. Ich glaube, das Schloß versiele nicht so rasch, wenn eine Schloßfrau darin wohnte, und die Erträge von den Gütern wären größer, wenn eine Frau sie controlirte. Nun, so heirate, sagte der Kürassier, mit dem Kopfe nickend. Nehme ich jedoch meine Lebensweise in Betracht, fuhr der Prinz fort, die ich doch nicht gern ändern möchte, weil es mein größtes Vergnügen ist, auf die Jagd zu gehen und zu reisen, so denke ich mit Sorge an die vielen Gelegen¬ heiten, welche meine Frau haben wird, zu thun, was sie will, weil sie allein ist. Sie könnte gar zu leicht irgend eine Liebschaft anfangen, oder, wenn sie dazu nicht aufgelegt ist, vielleicht übertriebenen Luxus machen und mein Ver¬ möge«: verschwenden, anstatt es zusammenzuhalten und zu vermehren. Das ist richtig, bemerkte Victor, da heirate lieber uicht. Aber wie soll ich meinen Namen und meine Besitzungen vererben? fragte der Prinz. Ein jeder Mann hat doch den Wunsch, Söhne und Töchter zu haben, die er der Welt als die Seinigen zeigen kann, an denen er sich erfreut und denen er bei seinem Tode sein Erworbenes oder Ererbtes zurückläßt. Soll das Geschlecht der Parvlignac mit mir zu Ende gehen? Soll mein Wappen verlöschen, das alte Geschlecht aussterben, der stolze, alte Name verwehen? Der Gedanke drückt mir das Herz ab. Das ist wahr, entgegnete der andere, also heirate. Dein Rat, mein lieber Victor, sagte der Prinz, klingt, wenn du es mir nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/103>, abgerufen am 03.07.2024.