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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.

lockige Lieutenant dort neben der Sennorita? Mich däucht, ich hätte ihn einmal
bei einem der lukullischen Diners Ihres Herrn Vaters gesehen.

Vetter ü, ig. monte as ZZrewMö, erwiederte der junge Baron wegwerfend,
Lieutenant Stahlhardt, bürgerlich.

Der Prinz sah ihn mit einer ironischen Miene an und sagte dann in einem
affektirt hohen Tone, mit halb zugedrückten Augen, und in der langsamen und
scharf accentuirtem Sprechweise, die er anzunehmen pflegte, wenn er jemand ärgern
wollte: Ich habe dieser Tage im Taschenbuch der freiherrlichen Häuser den Ihrer
werten Familie gewidmeten Artikel gelesen. Mir scheint, er ist nicht vollständig.

Wie so?

Es ist in der historischen Notiz nur gesagt, daß Simon Lovendal, Ihr
Herr Vater, in den Freiherrenstand erhoben wurde, aber es ist nicht der langen
und glorreichen Geschichte gedacht, die dieser Erhebung voranging. Ihre Ahn¬
herren waren doch schon vor Jahrtausenden namhaft. Die Lovendal oder Löwen¬
thal gehören, wenn ich nicht irre, zum Stamme Levi, und was will selbst die
sechshundertjährige Geschichte meines Hauses ueben der eines Geschlechtes bedeuten,
dem schon das Note Meer aus dem Wege ging! Ich würde der Redaktion eine
darauf bezügliche Mitteilung zuschicken, wenn ich an Ihrer Stelle wäre. Denken
Sie zum Beispiel an Lord Beaconssield, der sich stets auf seine alte, vornehme
Abstammung etwas zu Gute gethan hat. Ja, ich muß sogar gestehen, wenn ich
Ahnen hätte, die die Bundeslade bewacht hätten, ich machte es wie mein hoch¬
seliger Vetter Rohan und sagte: ü.ol us xrüs, baron ne- claiMs, Ile>vsncta,1
^'s 8M8.

Der junge Freiherr ward von dieser Rede seines vornehmeren Freundes
"usf unangenehmste berührt und blickte mit brennenden Wangen auf die Spitzen
seiner Füße herab. Er wußte, es gab dem Prinzen gegenüber für ihn keine
Rache. Der Prinz hatte eine Manier, die erstaunlichsten Dinge vorzubringen,
>vie sie keinem sonst zu Gebote stand, und er hatte die Lacher auf seiner Seite,
Kw der zehnte Theil der Insolenzen, die er sagen durfte, jeden, andern den Hals
gebrochen hätte. Jede Entgegnung hätte die Sache nur verschlimmert. Und
welche Chancen Hütte es geboten, sich ernstlich mit ihm zu erzürnen, dein vor¬
nehmsten Mann des Klubs, der dazu noch einer der besten slwotsrs der Tauben-
Platform von Monte-Carlo war?

So war der Freiherr unschlüssig, ob er fortgehen oder thun sollte, als habe
er nicht verstanden.

In diesem Augenblicke näherte sich den beiden ein stattlicher Kürassier-
Offizier, dessen überaus warme und herzliche Begrüßung des Prinzen dem Frei¬
herrn die ersehnte günstige Gelegenheit gab, zu entrinnen und sich bei der Sängerin
^ angenehme Sicherheit zu bringen.

Der Kürassier war an Höhe und Wuchs dem Prinzen gleich und ein herr¬
liches Bild eines Kriegers. Er war bräunlich von Farbe, mit schwarzem Haar,


Bakchen und Thyrsosträger.

lockige Lieutenant dort neben der Sennorita? Mich däucht, ich hätte ihn einmal
bei einem der lukullischen Diners Ihres Herrn Vaters gesehen.

Vetter ü, ig. monte as ZZrewMö, erwiederte der junge Baron wegwerfend,
Lieutenant Stahlhardt, bürgerlich.

Der Prinz sah ihn mit einer ironischen Miene an und sagte dann in einem
affektirt hohen Tone, mit halb zugedrückten Augen, und in der langsamen und
scharf accentuirtem Sprechweise, die er anzunehmen pflegte, wenn er jemand ärgern
wollte: Ich habe dieser Tage im Taschenbuch der freiherrlichen Häuser den Ihrer
werten Familie gewidmeten Artikel gelesen. Mir scheint, er ist nicht vollständig.

Wie so?

Es ist in der historischen Notiz nur gesagt, daß Simon Lovendal, Ihr
Herr Vater, in den Freiherrenstand erhoben wurde, aber es ist nicht der langen
und glorreichen Geschichte gedacht, die dieser Erhebung voranging. Ihre Ahn¬
herren waren doch schon vor Jahrtausenden namhaft. Die Lovendal oder Löwen¬
thal gehören, wenn ich nicht irre, zum Stamme Levi, und was will selbst die
sechshundertjährige Geschichte meines Hauses ueben der eines Geschlechtes bedeuten,
dem schon das Note Meer aus dem Wege ging! Ich würde der Redaktion eine
darauf bezügliche Mitteilung zuschicken, wenn ich an Ihrer Stelle wäre. Denken
Sie zum Beispiel an Lord Beaconssield, der sich stets auf seine alte, vornehme
Abstammung etwas zu Gute gethan hat. Ja, ich muß sogar gestehen, wenn ich
Ahnen hätte, die die Bundeslade bewacht hätten, ich machte es wie mein hoch¬
seliger Vetter Rohan und sagte: ü.ol us xrüs, baron ne- claiMs, Ile>vsncta,1
^'s 8M8.

Der junge Freiherr ward von dieser Rede seines vornehmeren Freundes
"usf unangenehmste berührt und blickte mit brennenden Wangen auf die Spitzen
seiner Füße herab. Er wußte, es gab dem Prinzen gegenüber für ihn keine
Rache. Der Prinz hatte eine Manier, die erstaunlichsten Dinge vorzubringen,
>vie sie keinem sonst zu Gebote stand, und er hatte die Lacher auf seiner Seite,
Kw der zehnte Theil der Insolenzen, die er sagen durfte, jeden, andern den Hals
gebrochen hätte. Jede Entgegnung hätte die Sache nur verschlimmert. Und
welche Chancen Hütte es geboten, sich ernstlich mit ihm zu erzürnen, dein vor¬
nehmsten Mann des Klubs, der dazu noch einer der besten slwotsrs der Tauben-
Platform von Monte-Carlo war?

So war der Freiherr unschlüssig, ob er fortgehen oder thun sollte, als habe
er nicht verstanden.

In diesem Augenblicke näherte sich den beiden ein stattlicher Kürassier-
Offizier, dessen überaus warme und herzliche Begrüßung des Prinzen dem Frei¬
herrn die ersehnte günstige Gelegenheit gab, zu entrinnen und sich bei der Sängerin
^ angenehme Sicherheit zu bringen.

Der Kürassier war an Höhe und Wuchs dem Prinzen gleich und ein herr¬
liches Bild eines Kriegers. Er war bräunlich von Farbe, mit schwarzem Haar,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/101>, abgerufen am 03.07.2024.