Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.Die Klaviermusik seit Robert Schumann. kompositivn das Hauptverdienst erworben hat, heißt: Veredlung der Virtuosen- Außer seinen "Rhapsodien" komponirte Liszt auch in allen andern Gat¬ Die Klaviermusik seit Robert Schumann. kompositivn das Hauptverdienst erworben hat, heißt: Veredlung der Virtuosen- Außer seinen „Rhapsodien" komponirte Liszt auch in allen andern Gat¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0096" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194074"/> <fw type="header" place="top"> Die Klaviermusik seit Robert Schumann.</fw><lb/> <p xml:id="ID_302" prev="#ID_301"> kompositivn das Hauptverdienst erworben hat, heißt: Veredlung der Virtuosen-<lb/> stücke und der virtuosen Salonstücke. Nebenbei hat Liszt als Klavierkvniponist<lb/> einen Triumph gefeiert, der dauerhafter und nachhaltiger sein wird, als die<lb/> meisten andern Ovationen, die dem vielseitigen Künstler in seiner Eigenschaft<lb/> als Tonsetzer erwiesen worden sind. Dieser eine reine und unbestrittene Triumph<lb/> wird in den Annalen der Kunst bei dem Titel „Ungarische Rhapsodien" zu ver¬<lb/> zeichnen sein. Liszts „Ungarische Rhapsodien" sind ein Werk, welches einem<lb/> spätern Herder reichen Stoff liefern könnte zur Fortsetzung des Kapitels „Stimmen<lb/> der Völker." In diesen Rhapsodien sprach zum erstenmale mit der Entschieden¬<lb/> heit, die Gehör verschafft, ein Stamm, welcher durch Wesen und Schicksale alle<lb/> romantischen Sympathien an sich fesselt: der Stamm der Zigeuner. Dieses<lb/> Volk, welches in allem seinen Thun einer ungewohnten, ungebräuchlichen Weise<lb/> folgt, hat auch eine ungewohnte, fremdartige Musik, eine Musik, die durch einen<lb/> Überschuß von Temperament und Stimmung wundersam berührt wie ein Gruß<lb/> aus einem musikalischen Fabellcmde, in dem ungeknnnte, glänzende Schütze und<lb/> Reichtümer der Entdeckung harren. Liszt sammelte einen großen Teil dieser<lb/> energisch beredten, klagend überströmenden, träumerisch sinnenden, schwelgerisch<lb/> jubelnden, übcrschwünglichen und excentrischen Zigeuuermelodieu und verschmolz<lb/> sie zu einem musikalischen Hohenliede des Stammes. Nach und nach ist derselbe<lb/> ans fünfzehn Gesänge angeschwollen, die unter einander vielfach ähnlich, nach<lb/> Liszts eignen Auseinandersetzungen (in dem Buche I^es ZZoQ6Mer8 et av leur<lb/> INULIMS su HvüAris) die Idee eines „Zigeunerepos" repräsentiren. Die ein¬<lb/> zelnen Teile sind nicht alle gleich packend geraten, manche sind zu äußerlich,<lb/> einzelne Partien zu realistisch natürlich, aber trotz aller Einwendungen uno<lb/> Wenns und Aber, die sie hervorrufen, ein eigentümliches Stück Naturpoesie,<lb/> wie es die Klavierliteratur uicht zum zweitenmale besitzt, bilden sie! Für die<lb/> weitere Entwicklung der modernen Tonkunst haben sie eine nicht zu unter¬<lb/> schätzende Wichtigkeit. Es ist uicht bloß die Beliebtheit der Zigeunerkapellen,<lb/> die man aus diese „Ungarischen Rhapsodien" zurückführen muß, sondern es knüpft<lb/> sich an sie ein Aufschwung aller nationalen Elemente in der Musik. Das Un¬<lb/> garische voran, das Skandinavische und das Slavische hinterdrein, haben nach<lb/> den Erfolgen der „Ungarischen Rhapsodien" mit verstärkter Energie den Versuch<lb/> wieder aufgenommen, sich in der abendländischen Knnstmnsik zur Geltung Zu<lb/> bringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_303" next="#ID_304"> Außer seinen „Rhapsodien" komponirte Liszt auch in allen andern Gat¬<lb/> tungen der Klaviermusik. Darunter ist manches herzlich unbedeutende, was mein<lb/> diesem geistreichen und in der Regel hochstrebenden Manne nicht zutraue» sollte-<lb/> Salonfadaiseu gewöhnlichster Art mit einem emphatischen Accent gewürzt und<lb/> hinter hochklingenden Legendentiteln billige Spielereien des Virtnosen. Aber<lb/> Liszt hat in der Gattung der Bagatellen, der Salonsachen und der Vir-<lb/> tuosenstücke auch Nummern hinterlegt, die gegen die Alltäglichkeit gehalten,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0096]
Die Klaviermusik seit Robert Schumann.
kompositivn das Hauptverdienst erworben hat, heißt: Veredlung der Virtuosen-
stücke und der virtuosen Salonstücke. Nebenbei hat Liszt als Klavierkvniponist
einen Triumph gefeiert, der dauerhafter und nachhaltiger sein wird, als die
meisten andern Ovationen, die dem vielseitigen Künstler in seiner Eigenschaft
als Tonsetzer erwiesen worden sind. Dieser eine reine und unbestrittene Triumph
wird in den Annalen der Kunst bei dem Titel „Ungarische Rhapsodien" zu ver¬
zeichnen sein. Liszts „Ungarische Rhapsodien" sind ein Werk, welches einem
spätern Herder reichen Stoff liefern könnte zur Fortsetzung des Kapitels „Stimmen
der Völker." In diesen Rhapsodien sprach zum erstenmale mit der Entschieden¬
heit, die Gehör verschafft, ein Stamm, welcher durch Wesen und Schicksale alle
romantischen Sympathien an sich fesselt: der Stamm der Zigeuner. Dieses
Volk, welches in allem seinen Thun einer ungewohnten, ungebräuchlichen Weise
folgt, hat auch eine ungewohnte, fremdartige Musik, eine Musik, die durch einen
Überschuß von Temperament und Stimmung wundersam berührt wie ein Gruß
aus einem musikalischen Fabellcmde, in dem ungeknnnte, glänzende Schütze und
Reichtümer der Entdeckung harren. Liszt sammelte einen großen Teil dieser
energisch beredten, klagend überströmenden, träumerisch sinnenden, schwelgerisch
jubelnden, übcrschwünglichen und excentrischen Zigeuuermelodieu und verschmolz
sie zu einem musikalischen Hohenliede des Stammes. Nach und nach ist derselbe
ans fünfzehn Gesänge angeschwollen, die unter einander vielfach ähnlich, nach
Liszts eignen Auseinandersetzungen (in dem Buche I^es ZZoQ6Mer8 et av leur
INULIMS su HvüAris) die Idee eines „Zigeunerepos" repräsentiren. Die ein¬
zelnen Teile sind nicht alle gleich packend geraten, manche sind zu äußerlich,
einzelne Partien zu realistisch natürlich, aber trotz aller Einwendungen uno
Wenns und Aber, die sie hervorrufen, ein eigentümliches Stück Naturpoesie,
wie es die Klavierliteratur uicht zum zweitenmale besitzt, bilden sie! Für die
weitere Entwicklung der modernen Tonkunst haben sie eine nicht zu unter¬
schätzende Wichtigkeit. Es ist uicht bloß die Beliebtheit der Zigeunerkapellen,
die man aus diese „Ungarischen Rhapsodien" zurückführen muß, sondern es knüpft
sich an sie ein Aufschwung aller nationalen Elemente in der Musik. Das Un¬
garische voran, das Skandinavische und das Slavische hinterdrein, haben nach
den Erfolgen der „Ungarischen Rhapsodien" mit verstärkter Energie den Versuch
wieder aufgenommen, sich in der abendländischen Knnstmnsik zur Geltung Zu
bringen.
Außer seinen „Rhapsodien" komponirte Liszt auch in allen andern Gat¬
tungen der Klaviermusik. Darunter ist manches herzlich unbedeutende, was mein
diesem geistreichen und in der Regel hochstrebenden Manne nicht zutraue» sollte-
Salonfadaiseu gewöhnlichster Art mit einem emphatischen Accent gewürzt und
hinter hochklingenden Legendentiteln billige Spielereien des Virtnosen. Aber
Liszt hat in der Gattung der Bagatellen, der Salonsachen und der Vir-
tuosenstücke auch Nummern hinterlegt, die gegen die Alltäglichkeit gehalten,
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