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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Politische Briefe.

in fertige Kapitalsobjekte dazu bei, den Gebrauch des lebendigen Kapitals zu
verderbe"?. Aber das wahre Wesen des Kapitals wird dadurch nicht verändert.
Das eigentliche Kapital ist eine elastische Kraft, kein totes Objekt, und die
Elastizität des Kapitals ist untrennbar von dem Geist seiner menschlichen Ver-
Walter. Selbst im praktischen Leben wird der Wert eines Landgutes z. B.
keineswegs nach der nunähernd ermittelten Ertragsfähigkeit von Grund und Boden
allein berechnet, sondern außerdem nach dein toten und lebenden Inventar, nach
den Absatzquellen und Verkehrsbeziehungen. Oft wirkt die Möglichkeit, eine
mit dem Betrieb vertraute Persönlichkeit nach dem Verkauf noch zu fesseln, auf
deu Kaufpreis ein. Noch weitergreifend ist der Einfluß der lebendigen Kraft
bei einem industriellen Unternehmen oder kaufmännischen Geschäft. Das eigent¬
liche Kapital ist eine lebendige Verbindung menschlichen Geistes und menschlicher
Geschicküchkeit mit dinglichen Objekten und mannichfaltigen sozialen und recht¬
lichen Beziehungen. Das bewegliche Kapital könnte auch das tote heiße", wenn
der Sprachgebrauch die Bezeichnung totes Kapital nicht bereits für ertrngloses
adoptirt Hütte. Das bewegliche Kapital besteht in den auf dem lebendigen Kapital
ruhenden fixirten Leistungen, welche in Dokumenten verschiedener Art mit ver¬
schiedenen Rechtsfolgen rechtskräftig und unbeschränkt übertragbar dem Inhaber
Zugesprochen sind. Wie der Sprachgebrauch immer den Namen einer Funktion
auf ihre Vollzieher überträgt, so much hier. Das bewegliche Kapital bedeutet demnach
w dieser übertragenen Bedeutung die Personen, welche es kreiren, welche damit
handeln oder auch nur ans kürzere oder längere Zeit es in ruhigem Besitz haben.

Als das Werk der deutschen Steuerreform unternommen wurde, dessen Ziel
vie Schaffung eines organischen Steuersystems mit einem kräftigeren, natürlicheren
Wachstum der Erträge, als das der Erträge der bisherigen Systemlosigleit
^in mußte, unter der sich ergebenden Beseitigung einer Reihe unzweckmäßig
gewordener Steuern und namentlich auch unter einer neuen organischen Ber¬
eitung der Stenerqnelleu an Gemeinde, Staat und Reich, zeigte sich dem Ange
Weiterblickenden sofort eine unwillkommene, aber schwer zu vermeidende
Gefahr. Man muß befürchten, daß die Reform dem schon längst auflodernden
Kampfe zwischen dem lebendigen, ans der Basis des Grundbesitzes sich erzeugenden
Capital und dem beweglichen Kapital zu einem wilden Brand anfachen wurde,
^um mußte voraussehen, daß jeder der beiden Gegner alles aufbieten würde,
^ neue Last auf die Schultern des Gegners allein zu wälzen. Das ist denn
"und im vollsten Maße eingetroffen, schlimmer als die schlimmste Ahnung sich
hatte träumen lassen. Ju erschreckender Weise bringt dieser Kampf die Ursache
"us Tageslicht, welche unsern Parteihader so giftig, so unversöhnlich und darum
sür die Zukunft des Vaterlandes so bedrohlich macht. Diese Ursache liegt in
der Erscheinung, daß in den Hauptparteien gesunde, unabweisbare Bestrebungen
verbunden sind mit bedenklichen, thörichten und verwerflichen Diese Erscheinung
hat ihre Ursache wiederum in dem Ursprung unserer Parteien. Wir haben keine


Politische Briefe.

in fertige Kapitalsobjekte dazu bei, den Gebrauch des lebendigen Kapitals zu
verderbe«?. Aber das wahre Wesen des Kapitals wird dadurch nicht verändert.
Das eigentliche Kapital ist eine elastische Kraft, kein totes Objekt, und die
Elastizität des Kapitals ist untrennbar von dem Geist seiner menschlichen Ver-
Walter. Selbst im praktischen Leben wird der Wert eines Landgutes z. B.
keineswegs nach der nunähernd ermittelten Ertragsfähigkeit von Grund und Boden
allein berechnet, sondern außerdem nach dein toten und lebenden Inventar, nach
den Absatzquellen und Verkehrsbeziehungen. Oft wirkt die Möglichkeit, eine
mit dem Betrieb vertraute Persönlichkeit nach dem Verkauf noch zu fesseln, auf
deu Kaufpreis ein. Noch weitergreifend ist der Einfluß der lebendigen Kraft
bei einem industriellen Unternehmen oder kaufmännischen Geschäft. Das eigent¬
liche Kapital ist eine lebendige Verbindung menschlichen Geistes und menschlicher
Geschicküchkeit mit dinglichen Objekten und mannichfaltigen sozialen und recht¬
lichen Beziehungen. Das bewegliche Kapital könnte auch das tote heiße», wenn
der Sprachgebrauch die Bezeichnung totes Kapital nicht bereits für ertrngloses
adoptirt Hütte. Das bewegliche Kapital besteht in den auf dem lebendigen Kapital
ruhenden fixirten Leistungen, welche in Dokumenten verschiedener Art mit ver¬
schiedenen Rechtsfolgen rechtskräftig und unbeschränkt übertragbar dem Inhaber
Zugesprochen sind. Wie der Sprachgebrauch immer den Namen einer Funktion
auf ihre Vollzieher überträgt, so much hier. Das bewegliche Kapital bedeutet demnach
w dieser übertragenen Bedeutung die Personen, welche es kreiren, welche damit
handeln oder auch nur ans kürzere oder längere Zeit es in ruhigem Besitz haben.

Als das Werk der deutschen Steuerreform unternommen wurde, dessen Ziel
vie Schaffung eines organischen Steuersystems mit einem kräftigeren, natürlicheren
Wachstum der Erträge, als das der Erträge der bisherigen Systemlosigleit
^in mußte, unter der sich ergebenden Beseitigung einer Reihe unzweckmäßig
gewordener Steuern und namentlich auch unter einer neuen organischen Ber¬
eitung der Stenerqnelleu an Gemeinde, Staat und Reich, zeigte sich dem Ange
Weiterblickenden sofort eine unwillkommene, aber schwer zu vermeidende
Gefahr. Man muß befürchten, daß die Reform dem schon längst auflodernden
Kampfe zwischen dem lebendigen, ans der Basis des Grundbesitzes sich erzeugenden
Capital und dem beweglichen Kapital zu einem wilden Brand anfachen wurde,
^um mußte voraussehen, daß jeder der beiden Gegner alles aufbieten würde,
^ neue Last auf die Schultern des Gegners allein zu wälzen. Das ist denn
"und im vollsten Maße eingetroffen, schlimmer als die schlimmste Ahnung sich
hatte träumen lassen. Ju erschreckender Weise bringt dieser Kampf die Ursache
"us Tageslicht, welche unsern Parteihader so giftig, so unversöhnlich und darum
sür die Zukunft des Vaterlandes so bedrohlich macht. Diese Ursache liegt in
der Erscheinung, daß in den Hauptparteien gesunde, unabweisbare Bestrebungen
verbunden sind mit bedenklichen, thörichten und verwerflichen Diese Erscheinung
hat ihre Ursache wiederum in dem Ursprung unserer Parteien. Wir haben keine


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[0009] Politische Briefe. in fertige Kapitalsobjekte dazu bei, den Gebrauch des lebendigen Kapitals zu verderbe«?. Aber das wahre Wesen des Kapitals wird dadurch nicht verändert. Das eigentliche Kapital ist eine elastische Kraft, kein totes Objekt, und die Elastizität des Kapitals ist untrennbar von dem Geist seiner menschlichen Ver- Walter. Selbst im praktischen Leben wird der Wert eines Landgutes z. B. keineswegs nach der nunähernd ermittelten Ertragsfähigkeit von Grund und Boden allein berechnet, sondern außerdem nach dein toten und lebenden Inventar, nach den Absatzquellen und Verkehrsbeziehungen. Oft wirkt die Möglichkeit, eine mit dem Betrieb vertraute Persönlichkeit nach dem Verkauf noch zu fesseln, auf deu Kaufpreis ein. Noch weitergreifend ist der Einfluß der lebendigen Kraft bei einem industriellen Unternehmen oder kaufmännischen Geschäft. Das eigent¬ liche Kapital ist eine lebendige Verbindung menschlichen Geistes und menschlicher Geschicküchkeit mit dinglichen Objekten und mannichfaltigen sozialen und recht¬ lichen Beziehungen. Das bewegliche Kapital könnte auch das tote heiße», wenn der Sprachgebrauch die Bezeichnung totes Kapital nicht bereits für ertrngloses adoptirt Hütte. Das bewegliche Kapital besteht in den auf dem lebendigen Kapital ruhenden fixirten Leistungen, welche in Dokumenten verschiedener Art mit ver¬ schiedenen Rechtsfolgen rechtskräftig und unbeschränkt übertragbar dem Inhaber Zugesprochen sind. Wie der Sprachgebrauch immer den Namen einer Funktion auf ihre Vollzieher überträgt, so much hier. Das bewegliche Kapital bedeutet demnach w dieser übertragenen Bedeutung die Personen, welche es kreiren, welche damit handeln oder auch nur ans kürzere oder längere Zeit es in ruhigem Besitz haben. Als das Werk der deutschen Steuerreform unternommen wurde, dessen Ziel vie Schaffung eines organischen Steuersystems mit einem kräftigeren, natürlicheren Wachstum der Erträge, als das der Erträge der bisherigen Systemlosigleit ^in mußte, unter der sich ergebenden Beseitigung einer Reihe unzweckmäßig gewordener Steuern und namentlich auch unter einer neuen organischen Ber¬ eitung der Stenerqnelleu an Gemeinde, Staat und Reich, zeigte sich dem Ange Weiterblickenden sofort eine unwillkommene, aber schwer zu vermeidende Gefahr. Man muß befürchten, daß die Reform dem schon längst auflodernden Kampfe zwischen dem lebendigen, ans der Basis des Grundbesitzes sich erzeugenden Capital und dem beweglichen Kapital zu einem wilden Brand anfachen wurde, ^um mußte voraussehen, daß jeder der beiden Gegner alles aufbieten würde, ^ neue Last auf die Schultern des Gegners allein zu wälzen. Das ist denn "und im vollsten Maße eingetroffen, schlimmer als die schlimmste Ahnung sich hatte träumen lassen. Ju erschreckender Weise bringt dieser Kampf die Ursache "us Tageslicht, welche unsern Parteihader so giftig, so unversöhnlich und darum sür die Zukunft des Vaterlandes so bedrohlich macht. Diese Ursache liegt in der Erscheinung, daß in den Hauptparteien gesunde, unabweisbare Bestrebungen verbunden sind mit bedenklichen, thörichten und verwerflichen Diese Erscheinung hat ihre Ursache wiederum in dem Ursprung unserer Parteien. Wir haben keine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/9>, abgerufen am 22.07.2024.