Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.glück erreicht werden muß, u. a. anerkennenswert. Falsch ist dagegen die Formu- In einem Schriftstück autobiographischen Inhaltes bemerkt Sonnenfels Im Vordergrunde steht dabei die Polemik gegen den großen Haufen,
Und im "Mann ohne Vorurteil" (1, 25) heißt es: "Sollten erwachsene Leute glück erreicht werden muß, u. a. anerkennenswert. Falsch ist dagegen die Formu- In einem Schriftstück autobiographischen Inhaltes bemerkt Sonnenfels Im Vordergrunde steht dabei die Polemik gegen den großen Haufen,
Und im „Mann ohne Vorurteil" (1, 25) heißt es: „Sollten erwachsene Leute <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0658" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194636"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2328" prev="#ID_2327"> glück erreicht werden muß, u. a. anerkennenswert. Falsch ist dagegen die Formu-<lb/> lirung eines andern Fundamentalsatzes, wonach unserm Professor die ungleiche<lb/> Verteilung des Reichtums als das eigentlich einigende Band der Gesellschaft<lb/> erscheint. Damit „errät er förmlich das moderne Schlagwort, den Kampf ums<lb/> Dasein."</p><lb/> <p xml:id="ID_2329"> In einem Schriftstück autobiographischen Inhaltes bemerkt Sonnenfels<lb/> einmal, daß die österreichische Mundart „nicht die feinste" sei und daß er sich die<lb/> Berichtigung derselben habe angelegen sein lassen. „Ich ward, erzählt er, von<lb/> den Dornen der Sprachlehre nicht abgeschreckt; ich war der Meinung — jeder¬<lb/> mann bei uns war es damals noch nicht —, es sei ebenso Schande in seiner Mutter¬<lb/> sprache zu sagen: »ich habe ihm gesehen,« als es sein würde im Latein vidi Mi oder<lb/> im Französisch: .j'al vo Ä lui." Diese Äußerung trägt dazu bei, die Bildung, welche<lb/> Svnnenfels und sein Kreis anstrebte, zu kennzeichnen. Vor allein aber können<lb/> wir hier einen Fingerzeig erblicken, in welchem Geiste die Beschäftigung dieser<lb/> Männer mit Literatur und Kunst gehalten war. Man bemühte sich, vornehmer<lb/> und geschmackvoller zu werden; man wollte nicht länger hinter dem Auslande<lb/> zurückstehen; kurz, man suchte, ohne das tiefere der Sache zu berücksichtigen oder<lb/> die Ziele weit zu nehmen, eine zeitgemäße Besserung der Zustände. Die Drama¬<lb/> turgie Sonneuselsens ist ein Hauptdenkmal dieser Tendenzen. Sie trägt im<lb/> allgemeinen den Stempel einer vergangenen Periode. Nichtsdestoweniger hat<lb/> sie anch Früchte gezeitigt, welche anch noch für uns bestimmt erscheinen, ja<lb/> vielleicht am ehesten die Veranlassung sind, wenn der Name Sonnenfels in:<lb/> Munde der Gegenwart und der nächsten Zukunft uoch fortleben wird. Die<lb/> literarische That, um die es sich hier handelt — ein Pendant zur „Hamburgischen<lb/> Dramaturgie" Lessings —, sind die „Briefe über die Wienerische Schaubühne,"<lb/> die 1767—1769 erschienen. Doch findet sich auch im „Mann ohne Vorurteil"<lb/> vieles, was auf das Theater Bezug nimmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2330" next="#ID_2331"> Im Vordergrunde steht dabei die Polemik gegen den großen Haufen,<lb/> welcher durch den Besuch des Theaters nur seine schwunglose Vergnügungs¬<lb/> sucht befriedigen will. So werden einmal (Brief vom 22. Januar 1768) die<lb/> folgenden charakteristischen Verse eines zeitgenössischen Dichters zitirt:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_36" type="poem"> <l> Wer keinen Heldengeist in seinein Busen hat,<lb/> Wird, Helden anzusehen, in zwo Minuten satt.<lb/> Genug, wenn ihn das Kleid des Helden eingenommen:<lb/> Doch spricht der Held, so heißt's: wird nicht der Narr bald kommen?<lb/> Der schon durch einen Schritt, ein Wortspiel an sich zieht —<lb/> Man lebt gleich ans, sobald man seines gleichen sieht —<lb/> Der Narr ist allemal das Nötigste der Bühnen,<lb/> Der füllt das Schauspielhaus, der muß das Geld verdienen.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_2331" prev="#ID_2330" next="#ID_2332"> Und im „Mann ohne Vorurteil" (1, 25) heißt es: „Sollten erwachsene Leute<lb/> sich um eine Kinderfrau herum versammeln, um ihre, zur Einschläfernng der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0658]
glück erreicht werden muß, u. a. anerkennenswert. Falsch ist dagegen die Formu-
lirung eines andern Fundamentalsatzes, wonach unserm Professor die ungleiche
Verteilung des Reichtums als das eigentlich einigende Band der Gesellschaft
erscheint. Damit „errät er förmlich das moderne Schlagwort, den Kampf ums
Dasein."
In einem Schriftstück autobiographischen Inhaltes bemerkt Sonnenfels
einmal, daß die österreichische Mundart „nicht die feinste" sei und daß er sich die
Berichtigung derselben habe angelegen sein lassen. „Ich ward, erzählt er, von
den Dornen der Sprachlehre nicht abgeschreckt; ich war der Meinung — jeder¬
mann bei uns war es damals noch nicht —, es sei ebenso Schande in seiner Mutter¬
sprache zu sagen: »ich habe ihm gesehen,« als es sein würde im Latein vidi Mi oder
im Französisch: .j'al vo Ä lui." Diese Äußerung trägt dazu bei, die Bildung, welche
Svnnenfels und sein Kreis anstrebte, zu kennzeichnen. Vor allein aber können
wir hier einen Fingerzeig erblicken, in welchem Geiste die Beschäftigung dieser
Männer mit Literatur und Kunst gehalten war. Man bemühte sich, vornehmer
und geschmackvoller zu werden; man wollte nicht länger hinter dem Auslande
zurückstehen; kurz, man suchte, ohne das tiefere der Sache zu berücksichtigen oder
die Ziele weit zu nehmen, eine zeitgemäße Besserung der Zustände. Die Drama¬
turgie Sonneuselsens ist ein Hauptdenkmal dieser Tendenzen. Sie trägt im
allgemeinen den Stempel einer vergangenen Periode. Nichtsdestoweniger hat
sie anch Früchte gezeitigt, welche anch noch für uns bestimmt erscheinen, ja
vielleicht am ehesten die Veranlassung sind, wenn der Name Sonnenfels in:
Munde der Gegenwart und der nächsten Zukunft uoch fortleben wird. Die
literarische That, um die es sich hier handelt — ein Pendant zur „Hamburgischen
Dramaturgie" Lessings —, sind die „Briefe über die Wienerische Schaubühne,"
die 1767—1769 erschienen. Doch findet sich auch im „Mann ohne Vorurteil"
vieles, was auf das Theater Bezug nimmt.
Im Vordergrunde steht dabei die Polemik gegen den großen Haufen,
welcher durch den Besuch des Theaters nur seine schwunglose Vergnügungs¬
sucht befriedigen will. So werden einmal (Brief vom 22. Januar 1768) die
folgenden charakteristischen Verse eines zeitgenössischen Dichters zitirt:
Wer keinen Heldengeist in seinein Busen hat,
Wird, Helden anzusehen, in zwo Minuten satt.
Genug, wenn ihn das Kleid des Helden eingenommen:
Doch spricht der Held, so heißt's: wird nicht der Narr bald kommen?
Der schon durch einen Schritt, ein Wortspiel an sich zieht —
Man lebt gleich ans, sobald man seines gleichen sieht —
Der Narr ist allemal das Nötigste der Bühnen,
Der füllt das Schauspielhaus, der muß das Geld verdienen.
Und im „Mann ohne Vorurteil" (1, 25) heißt es: „Sollten erwachsene Leute
sich um eine Kinderfrau herum versammeln, um ihre, zur Einschläfernng der
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