Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die FremdivörterslNlche.

Debatte hinsichtlich der sozialen Angelegenheiten das beste vorführte, und daß
andrerseits den praktischen Juristen die soziale Bewegung mich allen Seiten hin
eine völlig dunkle blieb, jene Gefahr verschärfe und den Staatsgewalten den
Weg, der hier ungesäumt einzuschlagen ist, bezeichne" müsse.




Die Hremdrvörterseuche,
Von H e r in a n Riegel. (Fvrtsetzunq.)
2. Der Kampf gegen das Übel.

um kann sich nicht wandern, daß die deutsche Sprache im vorigen
Jahrhundert tief herabgekommen war. Unser großes nationales
Unglück im siebzehnten Jahrhundert, das mächtige Emporblühen
Frankreichs, die stets sich wiederholende Überschwemmung Deutsch¬
lands nut fremden Kriegsvolk und einige andre Umstände erklären
dies vollkommen. Auch darüber kann man sich nicht wundern, daß in den
Werken unsrer Klassiker seit Klopstock und Lessing noch hie und da ein Über¬
bleibsel dieser sprachlichen Entartung sich geltend macht; auch dies erklärt sich
natürlich und von selbst. Aber darüber kann man sich billigerweise höchlichst
wundern, daß wir hente, trotz des Vorgangs unsrer großen Dichter, trotz unsers
nationalen Aufschwungs, trotz des neuen deutschen Reiches wieder bei der sprach¬
lichen Entartung der Barockzeit angelangt sind und sie selbst noch übertreffen.
Und während damals die erwachende Nation in ihre" bessern Teilen diese Ent¬
artung von sich stieß, sehen wir heute weit und breit die fremden Schmarotzer
mit einer Vorliebe gesucht und gepflegt, die den Vaterlandsfreund mit Unwillen,
Kummer und Beschämung erfüllen muß. Man fragt sich: wie ist das möglich?
Mau fragt sich nach den Gründen der Erscheinung, den äußern und den innern.
Ja, wie wir geschichtlich zu dem Unheil gekommen sind, läßt sich begreifen,
aber wie dasselbe heute, statt geringer zu werden, immer größer wird, das ist
kaum zu fassen. Was ich davon habe beobachten und einsehen können, will ich
versuchen kurz anzudeuten.

Der eigentliche Grund oder Hauptgrund, von dem ich anch schon oben ge¬
sprochen habe, scheint mir die Gewohnheit zu sein. Wir haben das Übel von
unsern Vorfahren überkommen, und es ist auf uns übergegangen, ohne daß wir
es gemerkt haben. Die Gewohnheit hat auch hier Ammendienste versehen, und
so ist in unser Blut übergegangen, was doch Gift ist. Nur wer es als solches


Die FremdivörterslNlche.

Debatte hinsichtlich der sozialen Angelegenheiten das beste vorführte, und daß
andrerseits den praktischen Juristen die soziale Bewegung mich allen Seiten hin
eine völlig dunkle blieb, jene Gefahr verschärfe und den Staatsgewalten den
Weg, der hier ungesäumt einzuschlagen ist, bezeichne» müsse.




Die Hremdrvörterseuche,
Von H e r in a n Riegel. (Fvrtsetzunq.)
2. Der Kampf gegen das Übel.

um kann sich nicht wandern, daß die deutsche Sprache im vorigen
Jahrhundert tief herabgekommen war. Unser großes nationales
Unglück im siebzehnten Jahrhundert, das mächtige Emporblühen
Frankreichs, die stets sich wiederholende Überschwemmung Deutsch¬
lands nut fremden Kriegsvolk und einige andre Umstände erklären
dies vollkommen. Auch darüber kann man sich nicht wundern, daß in den
Werken unsrer Klassiker seit Klopstock und Lessing noch hie und da ein Über¬
bleibsel dieser sprachlichen Entartung sich geltend macht; auch dies erklärt sich
natürlich und von selbst. Aber darüber kann man sich billigerweise höchlichst
wundern, daß wir hente, trotz des Vorgangs unsrer großen Dichter, trotz unsers
nationalen Aufschwungs, trotz des neuen deutschen Reiches wieder bei der sprach¬
lichen Entartung der Barockzeit angelangt sind und sie selbst noch übertreffen.
Und während damals die erwachende Nation in ihre» bessern Teilen diese Ent¬
artung von sich stieß, sehen wir heute weit und breit die fremden Schmarotzer
mit einer Vorliebe gesucht und gepflegt, die den Vaterlandsfreund mit Unwillen,
Kummer und Beschämung erfüllen muß. Man fragt sich: wie ist das möglich?
Mau fragt sich nach den Gründen der Erscheinung, den äußern und den innern.
Ja, wie wir geschichtlich zu dem Unheil gekommen sind, läßt sich begreifen,
aber wie dasselbe heute, statt geringer zu werden, immer größer wird, das ist
kaum zu fassen. Was ich davon habe beobachten und einsehen können, will ich
versuchen kurz anzudeuten.

Der eigentliche Grund oder Hauptgrund, von dem ich anch schon oben ge¬
sprochen habe, scheint mir die Gewohnheit zu sein. Wir haben das Übel von
unsern Vorfahren überkommen, und es ist auf uns übergegangen, ohne daß wir
es gemerkt haben. Die Gewohnheit hat auch hier Ammendienste versehen, und
so ist in unser Blut übergegangen, was doch Gift ist. Nur wer es als solches


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0484" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194462"/>
          <fw type="header" place="top"> Die FremdivörterslNlche.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1783" prev="#ID_1782"> Debatte hinsichtlich der sozialen Angelegenheiten das beste vorführte, und daß<lb/>
andrerseits den praktischen Juristen die soziale Bewegung mich allen Seiten hin<lb/>
eine völlig dunkle blieb, jene Gefahr verschärfe und den Staatsgewalten den<lb/>
Weg, der hier ungesäumt einzuschlagen ist, bezeichne» müsse.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Hremdrvörterseuche,<lb/><note type="byline"> Von H e r in a n Riegel.</note> (Fvrtsetzunq.)<lb/>
2. Der Kampf gegen das Übel. </head><lb/>
          <p xml:id="ID_1784"> um kann sich nicht wandern, daß die deutsche Sprache im vorigen<lb/>
Jahrhundert tief herabgekommen war. Unser großes nationales<lb/>
Unglück im siebzehnten Jahrhundert, das mächtige Emporblühen<lb/>
Frankreichs, die stets sich wiederholende Überschwemmung Deutsch¬<lb/>
lands nut fremden Kriegsvolk und einige andre Umstände erklären<lb/>
dies vollkommen. Auch darüber kann man sich nicht wundern, daß in den<lb/>
Werken unsrer Klassiker seit Klopstock und Lessing noch hie und da ein Über¬<lb/>
bleibsel dieser sprachlichen Entartung sich geltend macht; auch dies erklärt sich<lb/>
natürlich und von selbst. Aber darüber kann man sich billigerweise höchlichst<lb/>
wundern, daß wir hente, trotz des Vorgangs unsrer großen Dichter, trotz unsers<lb/>
nationalen Aufschwungs, trotz des neuen deutschen Reiches wieder bei der sprach¬<lb/>
lichen Entartung der Barockzeit angelangt sind und sie selbst noch übertreffen.<lb/>
Und während damals die erwachende Nation in ihre» bessern Teilen diese Ent¬<lb/>
artung von sich stieß, sehen wir heute weit und breit die fremden Schmarotzer<lb/>
mit einer Vorliebe gesucht und gepflegt, die den Vaterlandsfreund mit Unwillen,<lb/>
Kummer und Beschämung erfüllen muß. Man fragt sich: wie ist das möglich?<lb/>
Mau fragt sich nach den Gründen der Erscheinung, den äußern und den innern.<lb/>
Ja, wie wir geschichtlich zu dem Unheil gekommen sind, läßt sich begreifen,<lb/>
aber wie dasselbe heute, statt geringer zu werden, immer größer wird, das ist<lb/>
kaum zu fassen. Was ich davon habe beobachten und einsehen können, will ich<lb/>
versuchen kurz anzudeuten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1785" next="#ID_1786"> Der eigentliche Grund oder Hauptgrund, von dem ich anch schon oben ge¬<lb/>
sprochen habe, scheint mir die Gewohnheit zu sein. Wir haben das Übel von<lb/>
unsern Vorfahren überkommen, und es ist auf uns übergegangen, ohne daß wir<lb/>
es gemerkt haben. Die Gewohnheit hat auch hier Ammendienste versehen, und<lb/>
so ist in unser Blut übergegangen, was doch Gift ist.  Nur wer es als solches</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0484] Die FremdivörterslNlche. Debatte hinsichtlich der sozialen Angelegenheiten das beste vorführte, und daß andrerseits den praktischen Juristen die soziale Bewegung mich allen Seiten hin eine völlig dunkle blieb, jene Gefahr verschärfe und den Staatsgewalten den Weg, der hier ungesäumt einzuschlagen ist, bezeichne» müsse. Die Hremdrvörterseuche, Von H e r in a n Riegel. (Fvrtsetzunq.) 2. Der Kampf gegen das Übel. um kann sich nicht wandern, daß die deutsche Sprache im vorigen Jahrhundert tief herabgekommen war. Unser großes nationales Unglück im siebzehnten Jahrhundert, das mächtige Emporblühen Frankreichs, die stets sich wiederholende Überschwemmung Deutsch¬ lands nut fremden Kriegsvolk und einige andre Umstände erklären dies vollkommen. Auch darüber kann man sich nicht wundern, daß in den Werken unsrer Klassiker seit Klopstock und Lessing noch hie und da ein Über¬ bleibsel dieser sprachlichen Entartung sich geltend macht; auch dies erklärt sich natürlich und von selbst. Aber darüber kann man sich billigerweise höchlichst wundern, daß wir hente, trotz des Vorgangs unsrer großen Dichter, trotz unsers nationalen Aufschwungs, trotz des neuen deutschen Reiches wieder bei der sprach¬ lichen Entartung der Barockzeit angelangt sind und sie selbst noch übertreffen. Und während damals die erwachende Nation in ihre» bessern Teilen diese Ent¬ artung von sich stieß, sehen wir heute weit und breit die fremden Schmarotzer mit einer Vorliebe gesucht und gepflegt, die den Vaterlandsfreund mit Unwillen, Kummer und Beschämung erfüllen muß. Man fragt sich: wie ist das möglich? Mau fragt sich nach den Gründen der Erscheinung, den äußern und den innern. Ja, wie wir geschichtlich zu dem Unheil gekommen sind, läßt sich begreifen, aber wie dasselbe heute, statt geringer zu werden, immer größer wird, das ist kaum zu fassen. Was ich davon habe beobachten und einsehen können, will ich versuchen kurz anzudeuten. Der eigentliche Grund oder Hauptgrund, von dem ich anch schon oben ge¬ sprochen habe, scheint mir die Gewohnheit zu sein. Wir haben das Übel von unsern Vorfahren überkommen, und es ist auf uns übergegangen, ohne daß wir es gemerkt haben. Die Gewohnheit hat auch hier Ammendienste versehen, und so ist in unser Blut übergegangen, was doch Gift ist. Nur wer es als solches

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/484
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/484>, abgerufen am 22.07.2024.