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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Reliefs von Gjölbaschi

und weggeschleppt hatten, waren dabei so sorglos und ungeschickt verfahren, daß
ihr Raub in Trttmmeru an der Meeresküste ankam. Im andern Falle würden
die Reliefs wohl schon längst ihren Platz im Dritter NuMNiu gefunden haben.
So aber vergingen vier Jahrzehnte, ohne daß neue Kunde vou dem interessanten
Bauwerk uach Europa gedrungen wäre. Und als Otto Benndorf, Professor der
Archäologie an der Universität Wien, den Gedanken anregte, die mit der Er¬
forschung Samothrakes unter Leitung von Alexander Conze in den Jahren 1871
und 1373 so glücklich begonnenen österreichischen archäologischen Expeditionen
fortzusetzen und Gjölbaschi als nächstes Ziel bezeichnete, konnte es sich zuvörderst
nnr darum handeln, zu ermitteln, ob überhaupt und in welchem Zustande das
noch vorhanden sei, was Schönborn gesehen und beschrieben hatte. Denn wenn
der Schatz auch inzwischen nicht gehoben "morden war, so konnte er doch zerstört
sein. Mau wußte nicht, aus welchem Material die Reliefs seien: war es
Marmor, so drohte ihm dort wie überall in türkischen Landen der Untergang
im Knlkofen.

Die österreichische Regierung bewilligte die Mittel zu einer Forschungsreise
nach Lykien und Karien, und im Frühsommer 1881 gingen Benndorf, der
Architekt und Professor an der Akademie der bildenden Künste Georg Niemann,
welcher bereits die beiden Fahrten nach Samothrccke mitgemacht hatte, lind ein
innger Mediziner, welcher vornehmlich anthropologische Studien treibt, Dr. Felix
von Luschan, in Begleitung eines Photographen dahin ub. Sie fanden die
"Wildnis" Schönbvrns noch ebenso wild vor, und mich den dnrch diese wie
Dornröschens Schloß behüteten Bau dem Anschein nach unverändert, es sei
denn, daß die Verwitterung des Steines inzwischen Fortschritte gemacht hatte,
was sich natürlich nicht kvntroliren ließ. Der Stein erwies sich als ein harter
Kalkstein von schönem, wenig ins Gelbliche spielenden Weiß, welches aber an
der Oberfläche sich in Braun, Grau, teilweise Schwarz verwandelt hatte. Das
Bildwerk war in die Quadern selbst hineingemeißelt, sodaß ein dessen Ablösung
nicht gedacht werden konnte; das Werk der Zerstörung aber war nicht von der
Atmosphäre allein besorgt, welche namentlich den Köpfen ziemlich arg mitgespielt
hatte, sondern es fanden sich zahlreiche Schäden, welche von Steinwürfen her¬
rühren mögen.

Die Reisenden, welche genaue Messungen. Situationsplane, Straßenkarten
und eine beträchtliche Zahl photographischer Aufnahmen mit nach Hanse brachten,
verhehlten nicht, daß die Erhaltung der Reliefs viel zu wünschen übrig lasse,
sprachen sich aber einmütig dahin aus, daß die Bergung und Erwerbung der¬
selben im höchsten Grade wünschenswert sei. Allerdings unterstützten die Photo¬
graphien diese Ansicht, doch konnten diese bei der Kleinheit des Formats nnr
eine sehr oberflächliche Vorstellung geben, und es war daher wesentlich die
Autorität Beundorfs, worauf hin in Wien eine Gesellschaft zur archäologischen
Erforschung Kleinasiens zusammentrat, welche sich vor allem die Erwerbung


Die Reliefs von Gjölbaschi

und weggeschleppt hatten, waren dabei so sorglos und ungeschickt verfahren, daß
ihr Raub in Trttmmeru an der Meeresküste ankam. Im andern Falle würden
die Reliefs wohl schon längst ihren Platz im Dritter NuMNiu gefunden haben.
So aber vergingen vier Jahrzehnte, ohne daß neue Kunde vou dem interessanten
Bauwerk uach Europa gedrungen wäre. Und als Otto Benndorf, Professor der
Archäologie an der Universität Wien, den Gedanken anregte, die mit der Er¬
forschung Samothrakes unter Leitung von Alexander Conze in den Jahren 1871
und 1373 so glücklich begonnenen österreichischen archäologischen Expeditionen
fortzusetzen und Gjölbaschi als nächstes Ziel bezeichnete, konnte es sich zuvörderst
nnr darum handeln, zu ermitteln, ob überhaupt und in welchem Zustande das
noch vorhanden sei, was Schönborn gesehen und beschrieben hatte. Denn wenn
der Schatz auch inzwischen nicht gehoben »morden war, so konnte er doch zerstört
sein. Mau wußte nicht, aus welchem Material die Reliefs seien: war es
Marmor, so drohte ihm dort wie überall in türkischen Landen der Untergang
im Knlkofen.

Die österreichische Regierung bewilligte die Mittel zu einer Forschungsreise
nach Lykien und Karien, und im Frühsommer 1881 gingen Benndorf, der
Architekt und Professor an der Akademie der bildenden Künste Georg Niemann,
welcher bereits die beiden Fahrten nach Samothrccke mitgemacht hatte, lind ein
innger Mediziner, welcher vornehmlich anthropologische Studien treibt, Dr. Felix
von Luschan, in Begleitung eines Photographen dahin ub. Sie fanden die
„Wildnis" Schönbvrns noch ebenso wild vor, und mich den dnrch diese wie
Dornröschens Schloß behüteten Bau dem Anschein nach unverändert, es sei
denn, daß die Verwitterung des Steines inzwischen Fortschritte gemacht hatte,
was sich natürlich nicht kvntroliren ließ. Der Stein erwies sich als ein harter
Kalkstein von schönem, wenig ins Gelbliche spielenden Weiß, welches aber an
der Oberfläche sich in Braun, Grau, teilweise Schwarz verwandelt hatte. Das
Bildwerk war in die Quadern selbst hineingemeißelt, sodaß ein dessen Ablösung
nicht gedacht werden konnte; das Werk der Zerstörung aber war nicht von der
Atmosphäre allein besorgt, welche namentlich den Köpfen ziemlich arg mitgespielt
hatte, sondern es fanden sich zahlreiche Schäden, welche von Steinwürfen her¬
rühren mögen.

Die Reisenden, welche genaue Messungen. Situationsplane, Straßenkarten
und eine beträchtliche Zahl photographischer Aufnahmen mit nach Hanse brachten,
verhehlten nicht, daß die Erhaltung der Reliefs viel zu wünschen übrig lasse,
sprachen sich aber einmütig dahin aus, daß die Bergung und Erwerbung der¬
selben im höchsten Grade wünschenswert sei. Allerdings unterstützten die Photo¬
graphien diese Ansicht, doch konnten diese bei der Kleinheit des Formats nnr
eine sehr oberflächliche Vorstellung geben, und es war daher wesentlich die
Autorität Beundorfs, worauf hin in Wien eine Gesellschaft zur archäologischen
Erforschung Kleinasiens zusammentrat, welche sich vor allem die Erwerbung


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[0457] Die Reliefs von Gjölbaschi und weggeschleppt hatten, waren dabei so sorglos und ungeschickt verfahren, daß ihr Raub in Trttmmeru an der Meeresküste ankam. Im andern Falle würden die Reliefs wohl schon längst ihren Platz im Dritter NuMNiu gefunden haben. So aber vergingen vier Jahrzehnte, ohne daß neue Kunde vou dem interessanten Bauwerk uach Europa gedrungen wäre. Und als Otto Benndorf, Professor der Archäologie an der Universität Wien, den Gedanken anregte, die mit der Er¬ forschung Samothrakes unter Leitung von Alexander Conze in den Jahren 1871 und 1373 so glücklich begonnenen österreichischen archäologischen Expeditionen fortzusetzen und Gjölbaschi als nächstes Ziel bezeichnete, konnte es sich zuvörderst nnr darum handeln, zu ermitteln, ob überhaupt und in welchem Zustande das noch vorhanden sei, was Schönborn gesehen und beschrieben hatte. Denn wenn der Schatz auch inzwischen nicht gehoben »morden war, so konnte er doch zerstört sein. Mau wußte nicht, aus welchem Material die Reliefs seien: war es Marmor, so drohte ihm dort wie überall in türkischen Landen der Untergang im Knlkofen. Die österreichische Regierung bewilligte die Mittel zu einer Forschungsreise nach Lykien und Karien, und im Frühsommer 1881 gingen Benndorf, der Architekt und Professor an der Akademie der bildenden Künste Georg Niemann, welcher bereits die beiden Fahrten nach Samothrccke mitgemacht hatte, lind ein innger Mediziner, welcher vornehmlich anthropologische Studien treibt, Dr. Felix von Luschan, in Begleitung eines Photographen dahin ub. Sie fanden die „Wildnis" Schönbvrns noch ebenso wild vor, und mich den dnrch diese wie Dornröschens Schloß behüteten Bau dem Anschein nach unverändert, es sei denn, daß die Verwitterung des Steines inzwischen Fortschritte gemacht hatte, was sich natürlich nicht kvntroliren ließ. Der Stein erwies sich als ein harter Kalkstein von schönem, wenig ins Gelbliche spielenden Weiß, welches aber an der Oberfläche sich in Braun, Grau, teilweise Schwarz verwandelt hatte. Das Bildwerk war in die Quadern selbst hineingemeißelt, sodaß ein dessen Ablösung nicht gedacht werden konnte; das Werk der Zerstörung aber war nicht von der Atmosphäre allein besorgt, welche namentlich den Köpfen ziemlich arg mitgespielt hatte, sondern es fanden sich zahlreiche Schäden, welche von Steinwürfen her¬ rühren mögen. Die Reisenden, welche genaue Messungen. Situationsplane, Straßenkarten und eine beträchtliche Zahl photographischer Aufnahmen mit nach Hanse brachten, verhehlten nicht, daß die Erhaltung der Reliefs viel zu wünschen übrig lasse, sprachen sich aber einmütig dahin aus, daß die Bergung und Erwerbung der¬ selben im höchsten Grade wünschenswert sei. Allerdings unterstützten die Photo¬ graphien diese Ansicht, doch konnten diese bei der Kleinheit des Formats nnr eine sehr oberflächliche Vorstellung geben, und es war daher wesentlich die Autorität Beundorfs, worauf hin in Wien eine Gesellschaft zur archäologischen Erforschung Kleinasiens zusammentrat, welche sich vor allem die Erwerbung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/457>, abgerufen am 22.07.2024.