Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.Thomas Carlyle. Bemerkenswert ist der Edelmut und die Freundlichkeit, mit der er deu un¬ Der Triumph seines Buches aber, der für Carlyle die Grundlage weiterer Thomas Carlyle. Bemerkenswert ist der Edelmut und die Freundlichkeit, mit der er deu un¬ Der Triumph seines Buches aber, der für Carlyle die Grundlage weiterer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0028" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194006"/> <fw type="header" place="top"> Thomas Carlyle.</fw><lb/> <p xml:id="ID_84"> Bemerkenswert ist der Edelmut und die Freundlichkeit, mit der er deu un¬<lb/> tröstlicher Mill behandelte, und Mill selbst zeigte sich nicht weniger großmütig.<lb/> Er sandte Carlyle in ein paar Tagen zweihundert Pfund und kaufte ihm, als<lb/> derselbe mir hundert »als die thatsächlichen Kosten des Hauses während der<lb/> Abfassung des verbrannten Bandes« behielt, die ZZioM-g-MiL Universell«, ein<lb/> überaus wertvolles, nützliches und für das Studium französischer Geschichte fast<lb/> unentbehrliches Nnchschlagebuch. Endlich, uach lauger, mühevoller Arbeit und<lb/> unter Umständen, die durch nervöse Aufgeregtheit uoch erschwert wurden, wurde<lb/> auch dies Buch aus dein Gedächtnis wieder niedergeschrieben, ein Denkmal un¬<lb/> glaublicher Energie und eiuer auch sonst in Carlyle überall hervortretenden<lb/> außerordentlichen Erinnerungsgabe. »Deu letzten Paragraphen schrieb ich,« so<lb/> heißt es weiter in den Reminiscenzen, »oben im jetzigen besten Zimmer, meiner<lb/> damaligen Studirstube, neben ihr, an einem grauen — vermutlich — Sommer-<lb/> abend und wahrscheinlich bald nach dem Thee. Darnach ging ich von ihrem<lb/> freundlichen Segen begleitet aus, um einen Spaziergang zu machen. Bevor ich<lb/> sie verließ, sagte ich: Was sie mit dem Buche macheu werden, Jenny, mein<lb/> Kind, weiß niemand; sie haben aber zweihundert Jahre laug kein Buch gehabt,<lb/> das wahrhaftiger aus eines Mannes tiefster Seele kam als dies. So laß sie<lb/> es denn unter ihre Füße und Hufen trampeln, wie sie es für gut befinden!<lb/> Bah, bah! antwortete sie munter, das können sie nicht.« Und seine Frau hatte<lb/> Recht. Sie haben es nicht gekonnt. Carlyles »Französische Revolution« ist das<lb/> einzige Buch, das selbst vou seinen Gegnern gepriesen wird. Die wunderbare<lb/> historische Genauigkeit, verbunden mit eiuer höchst poetischen, kraftvollen Sprache<lb/> und mit dem großartigen Grundgedanken, daß ein Volk, wenn es einmal der<lb/> Sünde verfüllt, gestraft wird, oder in mehr Carlylescheu Worten, daß der kon¬<lb/> vulsivische Versuch eines Volkes, zur Wirklichkeit zurückzukehren, nachdem es uuter<lb/> falschen Königen, falschen Lehrern und falschen Priestern geseufzt, mißlingen<lb/> muß, sobald sich dasselbe von den göttlichen Wahrheiten und ewigen Gesetzen<lb/> entfernt: alles dies gewann dem Buche deu lebhaftesten Beifall der Bestem<lb/> Sir William Hamilton, der Philosoph, war so gefesselt von der Lektüre des¬<lb/> selben, daß er die drei Bände von drei Uhr des Nachmittags bis vier Uhr am<lb/> nächsten Morgen durchlas; Charles Dickens pflegte es alljährlich zweimal zu<lb/> lesen; Thomas Erskine schickte sofort ein Exemplar an seinen Freund Guizot.<lb/> Mill erklärte, »daß seit lauger Zeit kein genialeres Buch weder vom historischen<lb/> uoch vom poetischen Gesichtspunkte aus publizirt worden sei,« und selbst die<lb/> schwer zu befriedigende »Times« zollte dem »außerordentlichen Werke« ihren<lb/> vollsten Beifall."</p><lb/> <p xml:id="ID_85" next="#ID_86"> Der Triumph seines Buches aber, der für Carlyle die Grundlage weiterer<lb/> größerer Wirkungen ward, vermochte den mit den Jahren stärker hervortretenden<lb/> Widerspruch nicht zu lösen. Die Zeit war darnach angethan, in eiuer Phantasie¬<lb/> volleu, aber schwerflüssigen, einer mächtigen und edlen, aber leicht erregbaren Natur</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0028]
Thomas Carlyle.
Bemerkenswert ist der Edelmut und die Freundlichkeit, mit der er deu un¬
tröstlicher Mill behandelte, und Mill selbst zeigte sich nicht weniger großmütig.
Er sandte Carlyle in ein paar Tagen zweihundert Pfund und kaufte ihm, als
derselbe mir hundert »als die thatsächlichen Kosten des Hauses während der
Abfassung des verbrannten Bandes« behielt, die ZZioM-g-MiL Universell«, ein
überaus wertvolles, nützliches und für das Studium französischer Geschichte fast
unentbehrliches Nnchschlagebuch. Endlich, uach lauger, mühevoller Arbeit und
unter Umständen, die durch nervöse Aufgeregtheit uoch erschwert wurden, wurde
auch dies Buch aus dein Gedächtnis wieder niedergeschrieben, ein Denkmal un¬
glaublicher Energie und eiuer auch sonst in Carlyle überall hervortretenden
außerordentlichen Erinnerungsgabe. »Deu letzten Paragraphen schrieb ich,« so
heißt es weiter in den Reminiscenzen, »oben im jetzigen besten Zimmer, meiner
damaligen Studirstube, neben ihr, an einem grauen — vermutlich — Sommer-
abend und wahrscheinlich bald nach dem Thee. Darnach ging ich von ihrem
freundlichen Segen begleitet aus, um einen Spaziergang zu machen. Bevor ich
sie verließ, sagte ich: Was sie mit dem Buche macheu werden, Jenny, mein
Kind, weiß niemand; sie haben aber zweihundert Jahre laug kein Buch gehabt,
das wahrhaftiger aus eines Mannes tiefster Seele kam als dies. So laß sie
es denn unter ihre Füße und Hufen trampeln, wie sie es für gut befinden!
Bah, bah! antwortete sie munter, das können sie nicht.« Und seine Frau hatte
Recht. Sie haben es nicht gekonnt. Carlyles »Französische Revolution« ist das
einzige Buch, das selbst vou seinen Gegnern gepriesen wird. Die wunderbare
historische Genauigkeit, verbunden mit eiuer höchst poetischen, kraftvollen Sprache
und mit dem großartigen Grundgedanken, daß ein Volk, wenn es einmal der
Sünde verfüllt, gestraft wird, oder in mehr Carlylescheu Worten, daß der kon¬
vulsivische Versuch eines Volkes, zur Wirklichkeit zurückzukehren, nachdem es uuter
falschen Königen, falschen Lehrern und falschen Priestern geseufzt, mißlingen
muß, sobald sich dasselbe von den göttlichen Wahrheiten und ewigen Gesetzen
entfernt: alles dies gewann dem Buche deu lebhaftesten Beifall der Bestem
Sir William Hamilton, der Philosoph, war so gefesselt von der Lektüre des¬
selben, daß er die drei Bände von drei Uhr des Nachmittags bis vier Uhr am
nächsten Morgen durchlas; Charles Dickens pflegte es alljährlich zweimal zu
lesen; Thomas Erskine schickte sofort ein Exemplar an seinen Freund Guizot.
Mill erklärte, »daß seit lauger Zeit kein genialeres Buch weder vom historischen
uoch vom poetischen Gesichtspunkte aus publizirt worden sei,« und selbst die
schwer zu befriedigende »Times« zollte dem »außerordentlichen Werke« ihren
vollsten Beifall."
Der Triumph seines Buches aber, der für Carlyle die Grundlage weiterer
größerer Wirkungen ward, vermochte den mit den Jahren stärker hervortretenden
Widerspruch nicht zu lösen. Die Zeit war darnach angethan, in eiuer Phantasie¬
volleu, aber schwerflüssigen, einer mächtigen und edlen, aber leicht erregbaren Natur
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