Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.Zu Anfang des Svmmersemesters 1773 wurde in den Leipziger Studenten
Hütte Hingeben mögen; allein die Bemerkungen über einzelne der um Leipzig *) Johanna Dorothea Philipp!, geb. Syscmg, eine damals vielbeschäftigte Leipzigs
Kupferstecherin. Zu Anfang des Svmmersemesters 1773 wurde in den Leipziger Studenten
Hütte Hingeben mögen; allein die Bemerkungen über einzelne der um Leipzig *) Johanna Dorothea Philipp!, geb. Syscmg, eine damals vielbeschäftigte Leipzigs
Kupferstecherin. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0134" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194112"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_436" next="#ID_437"> Zu Anfang des Svmmersemesters 1773 wurde in den Leipziger Studenten<lb/> kreisen uuter dem Titel „Leipziger Studentengeographie" ein in Kupfer ge¬<lb/> stochener Plan von Leipzig und Umgegend kvlpvrtirt, an den ein ebenfalls<lb/> in Kupfer gestochenes Textblatt angebogen war, welches über die um die Stadt<lb/> herumliegenden Ortschaften allerhand Winke für die neuangekommeue studirende<lb/> Jugend enthielt. Das Opus erregte Anstoß. Daß nnter dem Plane von Leipzig<lb/> die verfängliche Strophe zu lesen war:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_2" type="poem"> <l> Die Lage einer fremden Gegend kennen,<lb/> Der Städte Pracht und ihre Nahmen nennen,<lb/> Ist nichts, ist bloße Theorie;<lb/> Allein in Städten hübsche Mädchen kiissen,<lb/> Des Dorffes Bier und seine Stärke wissen,<lb/> Ist practische Geographie —</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_437" prev="#ID_436" next="#ID_438"> Hütte Hingeben mögen; allein die Bemerkungen über einzelne der um Leipzig<lb/> liegenden Dörfer und die dort befindlichen Wirtschaften waren zu lasterhafter<lb/> Natur, als daß sie nicht den Zorn der Zensurbehörde, der hohen „Bücher¬<lb/> kommission," hätten erregen sollen. Der Kupferdrucker Kupfer, der das ^vsr-<lb/> ti88kNi<zue der „Geographie" in die Zeitungen hatte rücken lassen, wurde daher<lb/> vorgefordert, leugnete aber, das Opus selbst gedruckt zu haben; es sei ihm ans<lb/> Halle zum Vertrieb zugeschickt worden, wie er durch den ebendaher erhalteuen-<lb/> Vrief darthun könne. Als er jedoch aufgefordert wurde, diesen Brief unver-<lb/> weilt einzureichen, gestand er, daß die „Studentengeographie" vou ihm selbst<lb/> gedruckt und kolorirt worden sei. Was auf den Platten stünde, habe er aus<lb/> verschiedenen Stammbüchern genommen, und „die Kupferstecherin, die Philippin<lb/> alhier" habe die Platten in seinem Auftrage gestochen.*) Daraus mußte er die<lb/> beiden Platten und alle noch vorhandenen Abdrücke abliefern, und der Leipziger<lb/> Rat berichtete über deu Vorfall an das Oberkonsistorium nach Dresden. Dieses<lb/> verlangte die ungesäumte Zusendung der Kupferplatten und aller Abdrücke, sowie<lb/> die Ausforschung und Bestrafung des Verfassers, und da die Kupferstecher und<lb/> Kupferdrucker, wie der Adreßkaleuder auswies, zum großen Teil in den aka¬<lb/> demischen Kollegien wohnten, so wurde den Kuratoren der Kollegien die strengst<lb/> Aufsicht über diese Leute eingeschürft. Der Rat nahm darauf die Untersuchung<lb/> wieder auf, und es zeigte sich, daß der junge Maler und Stück. mal-it. Capieux,<lb/> der an der Oeserschen Akademie Zeichenunterricht erteilte, die Zeichnung zu den<lb/> Kupferplatten geliefert, dieselbe aber einem Studentenstammbuch entlehnt hatte,<lb/> welches er bei dem Leipziger Jnnungsmnler Schiele gesehen, der ein Stammbuch-<lb/> blatt in dem Buche hatte malen sollen. Zu guter letzt wurde uoch der Eigen-</p><lb/> <note xml:id="FID_10" place="foot"> *) Johanna Dorothea Philipp!, geb. Syscmg, eine damals vielbeschäftigte Leipzigs<lb/> Kupferstecherin.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0134]
Zu Anfang des Svmmersemesters 1773 wurde in den Leipziger Studenten
kreisen uuter dem Titel „Leipziger Studentengeographie" ein in Kupfer ge¬
stochener Plan von Leipzig und Umgegend kvlpvrtirt, an den ein ebenfalls
in Kupfer gestochenes Textblatt angebogen war, welches über die um die Stadt
herumliegenden Ortschaften allerhand Winke für die neuangekommeue studirende
Jugend enthielt. Das Opus erregte Anstoß. Daß nnter dem Plane von Leipzig
die verfängliche Strophe zu lesen war:
Die Lage einer fremden Gegend kennen,
Der Städte Pracht und ihre Nahmen nennen,
Ist nichts, ist bloße Theorie;
Allein in Städten hübsche Mädchen kiissen,
Des Dorffes Bier und seine Stärke wissen,
Ist practische Geographie —
Hütte Hingeben mögen; allein die Bemerkungen über einzelne der um Leipzig
liegenden Dörfer und die dort befindlichen Wirtschaften waren zu lasterhafter
Natur, als daß sie nicht den Zorn der Zensurbehörde, der hohen „Bücher¬
kommission," hätten erregen sollen. Der Kupferdrucker Kupfer, der das ^vsr-
ti88kNi<zue der „Geographie" in die Zeitungen hatte rücken lassen, wurde daher
vorgefordert, leugnete aber, das Opus selbst gedruckt zu haben; es sei ihm ans
Halle zum Vertrieb zugeschickt worden, wie er durch den ebendaher erhalteuen-
Vrief darthun könne. Als er jedoch aufgefordert wurde, diesen Brief unver-
weilt einzureichen, gestand er, daß die „Studentengeographie" vou ihm selbst
gedruckt und kolorirt worden sei. Was auf den Platten stünde, habe er aus
verschiedenen Stammbüchern genommen, und „die Kupferstecherin, die Philippin
alhier" habe die Platten in seinem Auftrage gestochen.*) Daraus mußte er die
beiden Platten und alle noch vorhandenen Abdrücke abliefern, und der Leipziger
Rat berichtete über deu Vorfall an das Oberkonsistorium nach Dresden. Dieses
verlangte die ungesäumte Zusendung der Kupferplatten und aller Abdrücke, sowie
die Ausforschung und Bestrafung des Verfassers, und da die Kupferstecher und
Kupferdrucker, wie der Adreßkaleuder auswies, zum großen Teil in den aka¬
demischen Kollegien wohnten, so wurde den Kuratoren der Kollegien die strengst
Aufsicht über diese Leute eingeschürft. Der Rat nahm darauf die Untersuchung
wieder auf, und es zeigte sich, daß der junge Maler und Stück. mal-it. Capieux,
der an der Oeserschen Akademie Zeichenunterricht erteilte, die Zeichnung zu den
Kupferplatten geliefert, dieselbe aber einem Studentenstammbuch entlehnt hatte,
welches er bei dem Leipziger Jnnungsmnler Schiele gesehen, der ein Stammbuch-
blatt in dem Buche hatte malen sollen. Zu guter letzt wurde uoch der Eigen-
*) Johanna Dorothea Philipp!, geb. Syscmg, eine damals vielbeschäftigte Leipzigs
Kupferstecherin.
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