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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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nachher sitzt man da, und es findet sich keiner mehr. Ich habe dir natürlich
nie ein Wort von so etwas gesagt, weil das weibliche Zartgefühl mir das verbot,
aber nun du jetzt einen Ton annimmst, als hättest dn obendrein noch über mich
zu befehlen, da muß ich es dir doch sagen. Ich bin ganz frei, zu tanzen, mit
wem ich will, und wenn noch dazu ein so vornehmer Herr mich auffordert, wäre
es ungezogen, es ihm abzuschlagen. Was sollten dein? mein Onkel und meine
Konsilien davon denken, wenn ich nicht hätte tanzen wollen?

Flörcheu hätte wohl noch weiter gesprochen, wenn nicht in diesem Augen¬
blicke wieder die elegante Gestalt des österreichischen Husaren vor ihr erschienen
wäre, der sich mit siegreichem Lächeln näherte, um sie zu einem neuen Tanze
zu boten. Sie wischte schnell die kleine Spur von Feuchtigkeit ans den Augen¬
winkeln und drehte sich mit frenndlicher Miene ihm zu. Aber Ephraim in seiner
Erbitterung trat dazwischen. Er fühlte, daß es zwischen ihm und Flörchen aus
sei, aber er wollte doch nicht dulden, daß dieser dreiste Aristokrat ihm das
Mädchen gleichsam aus den Armen wegrisse. In seinem Innern schlummerte
ein tapferer Ritter. Schon von früher Jugendzeit um hatten seine Träume dem
Heldentum gegolten, während er zugleich mit Bekümmernis wahrnahm, daß seine
Thaten nichts mit denen der Paladine gemein hatten. Hätte er nur die Stärke
und die Hornhaut des Knaben Siegfried gehabt, er hätte mit Riesen gerungen
gleich diesem. Aber hier galt es keinem Riesen, hier konnte sich der Paladin
in ihm erheben, ohne lächerlich zu werden.

Mein Herr, sagte er in stolzem Tone, zu dem jungen Offizier gewandt, Sie
haben wohl die Güte, zu warten. Ich habe mit der Dame noch etwas zu
sprechen.

Ich sollte "reinen, entgegnete der Österreicher mit überlegenem Lächeln, das
Fräulein müßte selbst am besten wissen, ob sie mit nur tanzen oder mit Ihnen
sprechen will.

Gewiß, setzte Flörchen hinzu. Ich habe Freiheit, zu thun, was ich will.
Wir können mit einander reden, nachdem ich getanzt habe.

Der Österreicher lachte übermütig ans. Das ist ein g'scheidtes Wort. Gehen's
mein Freund, trinken 's derweil ein Glas Bier, das wird Sie beruhigen.

In Ephraims allzu empfindlichen Gemüte tobte bei diesem Zwiespalt, der
so mancher stärker besaiteten Natur als ein höchst unbedeutendes Ereignis er¬
schienen sein möchte, ein gewaltiger Sturm, der seine Nerven in sieberische
Bewegung brachte. Das Benehmen des treulosen Mädchens erschien ihm so
ungeheuerlich, die Lage, in welche er sich dem Hochmüllgen fremden Manne
gegenüber durch sie versetzt sah, so entwürdigend, daß er seine Fassung nicht zu
behaupten vermochte. Das hübsche Gesicht des lachend triumphirenden Aristo¬
kraten verzerrte sich in seiner Phantasie zu einer teuflisch grinsenden Fratze, die
allen Hohn ans ihn niederspie, welchen von jeher das zerstreut lebende Volk,
dem er dem Blute nach zum Teil angehörte, nnter andern Stämmen hatte er-


nachher sitzt man da, und es findet sich keiner mehr. Ich habe dir natürlich
nie ein Wort von so etwas gesagt, weil das weibliche Zartgefühl mir das verbot,
aber nun du jetzt einen Ton annimmst, als hättest dn obendrein noch über mich
zu befehlen, da muß ich es dir doch sagen. Ich bin ganz frei, zu tanzen, mit
wem ich will, und wenn noch dazu ein so vornehmer Herr mich auffordert, wäre
es ungezogen, es ihm abzuschlagen. Was sollten dein? mein Onkel und meine
Konsilien davon denken, wenn ich nicht hätte tanzen wollen?

Flörcheu hätte wohl noch weiter gesprochen, wenn nicht in diesem Augen¬
blicke wieder die elegante Gestalt des österreichischen Husaren vor ihr erschienen
wäre, der sich mit siegreichem Lächeln näherte, um sie zu einem neuen Tanze
zu boten. Sie wischte schnell die kleine Spur von Feuchtigkeit ans den Augen¬
winkeln und drehte sich mit frenndlicher Miene ihm zu. Aber Ephraim in seiner
Erbitterung trat dazwischen. Er fühlte, daß es zwischen ihm und Flörchen aus
sei, aber er wollte doch nicht dulden, daß dieser dreiste Aristokrat ihm das
Mädchen gleichsam aus den Armen wegrisse. In seinem Innern schlummerte
ein tapferer Ritter. Schon von früher Jugendzeit um hatten seine Träume dem
Heldentum gegolten, während er zugleich mit Bekümmernis wahrnahm, daß seine
Thaten nichts mit denen der Paladine gemein hatten. Hätte er nur die Stärke
und die Hornhaut des Knaben Siegfried gehabt, er hätte mit Riesen gerungen
gleich diesem. Aber hier galt es keinem Riesen, hier konnte sich der Paladin
in ihm erheben, ohne lächerlich zu werden.

Mein Herr, sagte er in stolzem Tone, zu dem jungen Offizier gewandt, Sie
haben wohl die Güte, zu warten. Ich habe mit der Dame noch etwas zu
sprechen.

Ich sollte »reinen, entgegnete der Österreicher mit überlegenem Lächeln, das
Fräulein müßte selbst am besten wissen, ob sie mit nur tanzen oder mit Ihnen
sprechen will.

Gewiß, setzte Flörchen hinzu. Ich habe Freiheit, zu thun, was ich will.
Wir können mit einander reden, nachdem ich getanzt habe.

Der Österreicher lachte übermütig ans. Das ist ein g'scheidtes Wort. Gehen's
mein Freund, trinken 's derweil ein Glas Bier, das wird Sie beruhigen.

In Ephraims allzu empfindlichen Gemüte tobte bei diesem Zwiespalt, der
so mancher stärker besaiteten Natur als ein höchst unbedeutendes Ereignis er¬
schienen sein möchte, ein gewaltiger Sturm, der seine Nerven in sieberische
Bewegung brachte. Das Benehmen des treulosen Mädchens erschien ihm so
ungeheuerlich, die Lage, in welche er sich dem Hochmüllgen fremden Manne
gegenüber durch sie versetzt sah, so entwürdigend, daß er seine Fassung nicht zu
behaupten vermochte. Das hübsche Gesicht des lachend triumphirenden Aristo¬
kraten verzerrte sich in seiner Phantasie zu einer teuflisch grinsenden Fratze, die
allen Hohn ans ihn niederspie, welchen von jeher das zerstreut lebende Volk,
dem er dem Blute nach zum Teil angehörte, nnter andern Stämmen hatte er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/98>, abgerufen am 27.07.2024.