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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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kommen überdies eine Anzahl andrer, die, gleichfalls in den letzten Sessionen
beliebt, alle mehr oder minder den schlimmen Geist ausdrücken, der die Majorität
beseelt, z. B. Abstriche vom Budget, die einen Teil der Verwaltung lahmen
müssen, die auf Permanenz hin zielenden Beschlüsse zur Verlängerung der Sitzungs¬
perioden des Storthings, die Ernennung von unfähigen Oberbeamten der nor¬
wegischen Bank und die wiederholte Ablehnung der Regieruugsnnträge ans Er¬
höhung der karg bemessenen Apanage des Kronprinzen. Eine große Anzahl der
Norweger mißbilligt entschiede" dieses Vorgehen der Radikalen, und es steht,
wenn die letzten Berichte ans Christiania nicht täuschen, zu hoffen, daß die nächstens
stattfindenden Nenwahlen dieser Verurteilung der Sverdrupscheu Partei Ausdruck
geben werden. Namentlich erwartet man dies von den Bnnern, deren Übergewicht
durch die neue Wahlordnung, wenn sie Gesetz würde, schwer bedroht wäre.

Inzwischen hat der König das Storthing unter Umständen geschlossen, die
ans energische Entschlüsse der Regierung hindeuten. Bisher war es Gebrauch,
daß die letztere sich mit dem Bureau des Parlaments über den Tag des
Sessivnsschlusses verständigte. Diesmal aber ließ König Oskar bald nach seinem
Eintreffen der Versammlung einfach dnrch einen Staatsrat die Mitteilung zu¬
gehen, nächsten Mittwoch werde er die Session schließen. Das Storthing war
außer sich über diese vermeintliche Verkennung seiner Würde und Bedeutung
lind legte die Mitteilung einfach -u> acide,.. Der König kehrte sich daran indeß
nicht, sondern erschien zur festgesetzten Zeit in der Versammlung und schloß dieselbe
mit einer Thronrede, in welcher er vorzüglich betonte, daß Verfnssnngsverändernngeu
lediglich mit seiner Einwilligung vorgenommen und Gesetz werden könnten. Die
Abgeordnete" gingen darauf schweigend auseinander. Die vor dem Stvrthings-
gebände versammelte Menge begrüßte den wieder wegfahrenden König ehrfurchts¬
voll. Dann aber gab es vor der Thür des Hauses eine große Szene im Geschmack
der radikalen Phrasenmacher, die sich sür das Vaterland und ihre Doktrin für
die Freiheit gehalten wisse" wolle". Der Storthingsprüsident Sverdrnp erschien
entblößte" Hauptes und wurde von der Masse enthusiastisch begrüßt. Tableau!
Tief bewegt -- so meldet ein Korrespondent der N. Z., bei dessen Referat uns
die Erinnerung an Waldeck mit dem weißen Vart und der würdereichen Ge-
sinnungstüchtigkeit vorschwebt -- trat der Präsident hervor und ließ sich also
vernehmen: "Meine Stimme ist heute schwach. Doch weiß ich etwas, das zu
de" Herze" dringt, wenn eS anch "ur geflüstert wird. ES ist ein warmer
Wunsch für das Wohlergehen, das Glück lind die Ehre unsers geliebte" Vater¬
landes. Es lebe das freie Norwegen!" Darauf "jubelnde Lebehochs," die aber
"von den Mißtönen einer Anzahl konservativer Pfeifer" begleitet waren.

Wird sind begierig, zu erfahren, was nun uns die Rede des Königs und
die Demonstrativ" des Führers der "orwegische" Radikale" weiter folge", ob
die Partei der Lebehochrufer oder die der Konservativen, die den Komödicmte"
vor der Thür zum Storthing nnspfiffen, die Oberhand behalten wird.




kommen überdies eine Anzahl andrer, die, gleichfalls in den letzten Sessionen
beliebt, alle mehr oder minder den schlimmen Geist ausdrücken, der die Majorität
beseelt, z. B. Abstriche vom Budget, die einen Teil der Verwaltung lahmen
müssen, die auf Permanenz hin zielenden Beschlüsse zur Verlängerung der Sitzungs¬
perioden des Storthings, die Ernennung von unfähigen Oberbeamten der nor¬
wegischen Bank und die wiederholte Ablehnung der Regieruugsnnträge ans Er¬
höhung der karg bemessenen Apanage des Kronprinzen. Eine große Anzahl der
Norweger mißbilligt entschiede» dieses Vorgehen der Radikalen, und es steht,
wenn die letzten Berichte ans Christiania nicht täuschen, zu hoffen, daß die nächstens
stattfindenden Nenwahlen dieser Verurteilung der Sverdrupscheu Partei Ausdruck
geben werden. Namentlich erwartet man dies von den Bnnern, deren Übergewicht
durch die neue Wahlordnung, wenn sie Gesetz würde, schwer bedroht wäre.

Inzwischen hat der König das Storthing unter Umständen geschlossen, die
ans energische Entschlüsse der Regierung hindeuten. Bisher war es Gebrauch,
daß die letztere sich mit dem Bureau des Parlaments über den Tag des
Sessivnsschlusses verständigte. Diesmal aber ließ König Oskar bald nach seinem
Eintreffen der Versammlung einfach dnrch einen Staatsrat die Mitteilung zu¬
gehen, nächsten Mittwoch werde er die Session schließen. Das Storthing war
außer sich über diese vermeintliche Verkennung seiner Würde und Bedeutung
lind legte die Mitteilung einfach -u> acide,.. Der König kehrte sich daran indeß
nicht, sondern erschien zur festgesetzten Zeit in der Versammlung und schloß dieselbe
mit einer Thronrede, in welcher er vorzüglich betonte, daß Verfnssnngsverändernngeu
lediglich mit seiner Einwilligung vorgenommen und Gesetz werden könnten. Die
Abgeordnete» gingen darauf schweigend auseinander. Die vor dem Stvrthings-
gebände versammelte Menge begrüßte den wieder wegfahrenden König ehrfurchts¬
voll. Dann aber gab es vor der Thür des Hauses eine große Szene im Geschmack
der radikalen Phrasenmacher, die sich sür das Vaterland und ihre Doktrin für
die Freiheit gehalten wisse» wolle». Der Storthingsprüsident Sverdrnp erschien
entblößte» Hauptes und wurde von der Masse enthusiastisch begrüßt. Tableau!
Tief bewegt — so meldet ein Korrespondent der N. Z., bei dessen Referat uns
die Erinnerung an Waldeck mit dem weißen Vart und der würdereichen Ge-
sinnungstüchtigkeit vorschwebt — trat der Präsident hervor und ließ sich also
vernehmen: „Meine Stimme ist heute schwach. Doch weiß ich etwas, das zu
de» Herze» dringt, wenn eS anch »ur geflüstert wird. ES ist ein warmer
Wunsch für das Wohlergehen, das Glück lind die Ehre unsers geliebte» Vater¬
landes. Es lebe das freie Norwegen!" Darauf „jubelnde Lebehochs," die aber
„von den Mißtönen einer Anzahl konservativer Pfeifer" begleitet waren.

Wird sind begierig, zu erfahren, was nun uns die Rede des Königs und
die Demonstrativ» des Führers der »orwegische» Radikale» weiter folge», ob
die Partei der Lebehochrufer oder die der Konservativen, die den Komödicmte»
vor der Thür zum Storthing nnspfiffen, die Oberhand behalten wird.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/64>, abgerufen am 04.07.2024.